Kock predigt zum Reformationstag in Rom

"Luther hat Gerechtigkeit Gottes wiederentdeckt"

In einer der letzten Predigten seiner Amtszeit hat der Ratsvorsitzende der Evangelischen Kirche in Deutschland (EKD), Manfred Kock, an den Ursprung der protestantischen Freiheit erinnert. "Es war der kleine Mönch Luther mit seiner Wiederentdeckung dessen, was die Gerechtigkeit Gottes bedeutet, der das Mittelalter beendete und ein neues Zeitalter eröffnete", sagte er in seiner Predigt zum diesjährigen Gedenktag der Reformation am 31. Oktober in der Evangelischen Christuskirche zu Rom.

Allein der Glaube bringe den Menschen zu Gott, das habe Martin Luther wiederentdeckt. "Nicht wir selber, nicht unsere guten Taten, unsere Intelligenz oder Besitz bringen uns auf Gottes Seite", sagte Kock. Mit dieser Erkenntnis seien dem mittelalterlichen Ablasshandel und aller kirchlichen Herrschaft über Geist und Gewissen der Boden entzogen worden.

"Protestantische Freiheit ist mit dieser Entdeckung der Reformation verbunden", sagte der Ratsvorsitzende. Die evangelische Freiheit kenne nur eine Bindung, die an Jesus Christus und damit an die Heilige Schrift, die Predigt und die Feier der Sakramente. Protestantische Freiheit bedeute: "Nie mehr Herrschaft über das Gewissen, nie mehr gegen eigene Bedenken glauben müssen unter lehramtlicher Kontrolle."

Solche Freiheit müsse sich immer wieder bewähren, denn im Zeitalter des Pluralismus wachse angesichts der Vielfalt von Meinungen und Standpunkten bei manchen die Versuchung, anstelle eines eigenen Urteils autoritären Vorgaben zu folgen. Die evangelische Kirche sei solcher Versuchung in den Dreißiger Jahren selber erlegen. Der Ratsvorsitzende rief zur Wachsamkeit auf, "wo andere Gewalten in das weltanschauliche Vakuum eindringen, das durch die Gottvergessenheit entsteht." Es sei der Auftrag aller christlicher Konfessionen, darauf aufmerksam zu machen und Verantwortung in Gesellschaft und Politik zu übernehmen.

Auch die katholische Kirche sei durch die Wirkung der protestantischen Freiheit nicht unverändert geblieben. "Längst versteht die römisch-katholische Kirche die Bedeutung von ´Gerechtigkeit Gottes´ kaum anders als wir", sagte Kock. Konfessionelle Gegensätze und damit Diskussionsstoff für ökumenische Gespräche gäbe es zwar nach wie vor. Doch es werde die Zeit kommen, "wo wir die jeweils anderen nicht als die auf dem falschen Wege vermuten, sondern wo wir einander brauchen als Stützen und als Zeichen für die Fülle von Gottes Gaben."

Hannover, 31. Oktober 2003

Pressestelle der EKD
Anita Hartmann