Themenjahr „Reformation und Toleranz“ in Worms eröffnet

Landesbischof Jochen Bohl: „Toleranz ist für Kirchen Lerngeschichte“

Mit einem Gottesdienst und einer anschließenden Eröffnungsfeier ist am heutigen Reformationstag das Themenjahr „Reformation und Toleranz“ eröffnet worden. Das Thema "Toleranz" sei auch für die Kirchen der Reformation eine „Lerngeschichte“, sagte Landesbischof Jochen Bohl, der stellvertretende Vorsitzende des Rates der Evangelischen Kirche in Deutschland (EKD), bei dem Festakt in der Wormser Dreifaltigkeitskirche.

„Waren es zuerst die reformatorischen Kirchen, die verfolgt und bedroht wurden, wurden diese später selbst zu Verfolgerinnen anderer Überzeugungen, so der Leitende Geistliche der sächsischen Landeskirche. Toleranz sei eben damals noch kein allgemeiner Wert gewesen. Der Weg zum heutigen Verständnis von Religionsfreiheit war lang und musste teilweise gegen den Widerstand der Kirchen erkämpft werden. Auf der anderen Seite dürfe nicht übersehen werden, dass die Ideale der Aufklärung sich auch aus biblischen Quellen speisten.

Heute seien die Kirchen in Deutschland mehr denn je herausgefordert, nicht nur eine „interkonfessionelle“, sondern auch eine „interreligiöse“ Toleranz zu üben. Die Gesellschaft erwarte zu Recht eine „Vorreiterrolle“ der Religionen in Blick auf ein „friedliches und gerechtes Miteinander“. Toleranz dürfe deshalb nicht mit „Indifferenz“, sondern mit „bewusst gelebter und akzeptierter Differenz“ einhergehen, so der stellvertretende Ratsvorsitzende abschließend.

In ihrer Predigt im Gottesdienst über Galater 5, 1-5, hatte Margot Käßmann zuvor Rolle und Funktion der christlichen Freiheit beleuchtet. Die Botschafterin des Rates der EKD für das Reformationsjubiläum 2017 betonte, dass der „Gedanke der Freiheit“ für die Kirche der Reformation von „zentraler Bedeutung“ sei.

Käßmann nahm dabei Bezug auf Luthers berühmte Schrift „Von der Freiheit eines Christenmenschen“ aus dem Jahre 1520 und sagte: „Die Freiheit eines Christenmenschen ist einerseits ganz ohne Voraussetzung. Schlicht geschenkte Freiheit. Und doch ist sie nicht ohne Folgen. Diese Freiheit berührt zuallererst Glaubensfragen, jeder Zwang wird hier abgewehrt. Daraus entsteht die Freiheit des Gewissens, die sich dann als verantwortliche Freiheit im persönlichen und öffentlichen Leben umsetzt.“ Deshalb, so Käßmann weiter, sei „Freiheit im evangelischen Sinne“ nie der „Libertinismus“, mit dem Freiheit heute allzu oft verwechselt werde und „nie liberal im Sinne von absoluter Individualität“, denn recht verstandene Freiheit wisse sich stets bezogen auf Gemeinschaft.

An dem Gottesdienst und dem Festakt in Worms nahmen neben dem stellvertretenden Ratsvorsitzenden der EKD, Landesbischof Jochen Bohl, und EKD-Botschafterin Margot Käßmann auch der Kirchenpräsident der Evangelische Kirche in Hessen und Nassau, Volker Jung, sowie der Mainzer Kardinal Karl Lehmann und Ministerpräsident Kurt Beck teil, die beide ein Grußwort sprachen. Den Festvortrag unter dem Titel „Entwicklung von Identität und Toleranz als ständige kulturelle Herausforderung“ hielt Bundesinnenminister Hans Peter Friedrich.

Hannover, 31. Oktober 2012

Pressestelle der EKD
Reinhard Mawick