Huber: „Wandel der Wahrnehmungskultur des Alters nötig“

Bedauern über den angekündigten Rücktritt von Müntefering

Einen „grundlegenden Kulturwandel, der den Potenzialen des Alters Raum gibt“, hat der Vorsitzende des Rates der Evangelischen Kirche in Deutschland (EKD), Bischof Wolfgang Huber, am Dienstag, 13. November, gefordert. „Was kann von wem getan werden, damit die Potenziale des Alters in Gesellschaft, Wirtschaft und Arbeitswelt tatsächlich Platz finden?“, fragte Huber bei der Veranstaltung „Kapital des Alters – Arbeitswelten dem Altern gerecht gestalten“ der Evangelischen Akademie zu Berlin. An der Diskussion nahmen der Vorsitzende der Industriegewerkschaft Bergbau, Chemie, Energie Hubertus Schmoldt, und der Präsident des Deutschen Industrie- und Handelskammertages, Ludwig Georg Braun, teil.

Für die Veranstaltung angekündigt war zudem der Bundesminister für Arbeit und Soziales und Vizekanzler, Franz Müntefering. An seine Adresse gewandt, erklärte Wolfgang Huber, er habe mit großem Bedauern zur Kenntnis genommen, dass der Sozialpolitiker seinen Rücktritt angekündigt habe. Er sei beeindruckt, dass Franz Müntefering sich aus familiären Gründen zu diesem Schritt entschlossen habe. Huber wünscht ihm Gottes Segen für seine private Situation und dankt mit großem Respekt für das, was der Politiker für Deutschland getan hat, „und hoffentlich auch in Zukunft in der ein oder anderen Weise wieder tun wird“. Der Ratsvorsitzende denke „mit außerordentlichem Respekt“ an dessen politisches Wirken und die Vielfalt der politischen Positionen, die er über einen langen Zeitraum innehatte: „Franz Müntefering ist eines der Beispiele für Menschen, die keineswegs nur im Interesse der eigenen Partei handeln.“

In seinem Einführungsstatement zum Thema, „Kapital des Alters“, betonte der Ratsvorsitzende, dass ältere Menschen nicht nur über eine hohe Sozialkompetenz und große Umsicht verfügten, sondern auch über faktisches und strategisches Wissen. Zwar profitierten auch ältere Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer vom aktuellen Wirtschaftsaufschwung, viele wären aber am Arbeitsmarkt nach wie vor benachteiligt. Die Reserviertheit von Unternehmen Älteren gegenüber schade den Betrieben selbst, zugleich aber auch der Solidarität der Generationen. „Vor allem aber verletzt sie das Recht älterer Menschen auf gesellschaftliche Teilhabe“, unterstrich Huber.

Einen erheblichen Teil der Verantwortung für den notwendigen Kulturwandel sieht der Ratsvorsitzende „bei den Betrieben und den Tarifvertragsparteien selbst“. Von zentraler Bedeutung seien Fort- und Weiterbildung; Huber forderte, in die Tarifverträge verstärkt „Vereinbarungen zur kontinuierlichen Qualifizierung, Weiterbildung, Gesundheitsförderung und zu flexiblen Lebensarbeitszeiten“ aufzunehmen. Damit verbunden sei eine Öffnung der bisherigen Vorstellungen vom individuellen Lebenslauf. Immer mehr Biographien wiesen eine lebensphasenbezogene Verschränkung von Bildung, Erwerbstätigkeit, Familienfürsorge und Freizeit auf. Eine solche Entzerrung von Lebensläufen sei nicht nur familienpolitisch geboten, sondern eine wichtige Voraussetzung dafür, dass die Bereitschaft zur Weiterarbeit in der Spätphase des Erwerbslebens steige. „Am Ende eines Wandels der Wahrnehmungskultur des Alters muss eine Gesellschaft stehen, in der höheres Alter nicht als Ausschlussgrund gelten kann.“ Aus evangelischer Sicht, sagte der Ratsvorsitzende, sei ein „mutiger und entschlossener Umgang mit diesen Herausforderungen“ geboten.

Berlin, 13. November 2007

Pressestelle der EKD
Karoline Lehmann

Hannover / Berlin, 13. November 2007

Pressestelle der EKD
Christof Vetter