„Der Zusammenhang zwischen persönlichem Glauben und politischer Praxis“

Friedrich Wilhelm Graf zeigt Otto von Bismarck als ambivalenten Staatsmann

Einer der bekanntesten Deutschen wird am Mittwoch, 23. November 2005, von seiner weniger bekannten Seite gezeigt: Der ehemalige Reichskanzler Otto von Bismarck (1815-1898) steht als „Berliner Protestantisches Profil“ im Mittelpunkt eines Vortrags von Friedrich Wilhelm Graf. Der Münchener Theologieprofessor portraitiert den großen deutschen Staatsmann im Rahmen der Vierten Theologischen Vortragsreihe, die die Union Evangelischer Kirchen in der EKD (UEK) gemeinsam mit der Oberpfarr- und Domkirche zu Berlin, um 18 Uhr im Berliner Dom. durchführt.

Ins Zentrum seines Vortrags wird Graf die Frage nach den religiösen Vorstellungen Bismarcks und den Zusammenhängen zwischen persönlichem Glauben und politischer Praxis stellen. Verdeutlicht werden soll die Ambivalenz dieses für die deutsche Geschichte so wichtigen Politikers. Bismarck ist nach Graf’s Ansicht der Prototyp eines protestantisch geprägten Politikers. Ob in den Auseinandersetzungen mit der römisch-katholischen Kirche im Kulturkampf, den Debatten um die Durchsetzung sozialer Reformen oder den Kämpfen um die Gründung des Deutschen Reiches – Bismarck nahm eine ambivalente Haltung bei der Positionierung von Staat und Kirche ein. Graf’s Ausführungen zufolge ging es Bismarck dabei immer wieder um die Verhältnisbestimmung von realpolitischer Lage und Verantwortung eines in christlicher Tradition verwurzelten Staatsmanns.

Professor Dr. Friedrich Wilhelm Graf, geboren 1948, ist seit 1999 Ordinarius für Systematische Theologie und Ethik an der Universität München. Zuvor hatte er an der Universität Augsburg und der Universität der Bundeswehr in Hamburg gelehrt. Darüber hinaus war er Fellow am Max-Weber-Kolleg der Universität Erfurt. Als erster Theologe wurde er mit dem Leibnitz-Preis der Deutschen Forschungsgemeinschaft ausgezeichnet. Friedrich Wilhelm Graf ist Autor vielfältiger Artikel in überregionalen Zeitungen, wie der "Neuen Zürcher Zeitung", der „Süddeutschen Zeitung“ und der "Frankfurter Allgemeinen Zeitung", sowie Mitglied in zahlreichen wissenschaftlichen Kommissionen und Präsident der Ernst-Troeltsch-Gesellschaft.

Der letzte Vortrag der Reihe für dieses Jahr folgt am Mittwoch, dem 14. Dezember 2005. Professor Traugott Jähnichen aus Witten wird dann das „protestantische Profil“ des Theologen und Sozialreformers Adolf Stoecker vorstellen.

Berlin, 18. November 2005

Pressestelle der UEK
Karoline Lehmann

Hinweis:

Die Erste Theologische Vortragsreihe fand 1999 unter dem Titel „Das Wesen des Christentums in seiner evangelischen Gestalt“ statt. Im Frühjahr 2002 folgte die zweite Reihe, eine Auseinandersetzung mit der Schöpfungsgeschichte: „Die Welt als Schöpfung und als Natur. Der Christliche Glaube und die naturwissenschaftliche Weltsicht“. Auslöser für das Thema der Dritten Staffel – „Leben im Schatten des Bösen“. Gespräche zu einer ungelösten Menschheitsfrage – war die Dimension des Bösen, die seit dem 11. September 2001 die Welt erschüttert. Alle bisherigen Reihen wurden im Neukirchener Verlag veröffentlicht.