Wolfgang Huber eröffnete Internationalen Bonhoeffer-Kongress

„Dank für Leben und Wirken dieses evangelischen Heiligen“

Das Vorbildhafte des Glaubens- und Lebenszeugnisses von Dietrich Bonhoeffer trete immer deutlicher hervor, erklärte der Vorsitzende des Rates der Evangelischen Kirche in Deutschland (EKD), Bischof Wolfgang Huber, am Freitag, 3. Februar, in Breslau. In seinem Eröffnungsvortrag des Internationalen Bonhoeffer Kongresses in der Stadt, in der der Theologe und Widerstandskämpfer vor 100 Jahren geboren wurde, sprach der Ratsvorsitzende zum Thema „Dietrich Bonhoeffer – ein evangelischer Heiliger“. Das Vorbildhafte Bonhoeffers zu würdigen gebe es auch im evangelischen Bekenntnis starke Gründe.

Wenn anlässlich des 100. Geburtstages von Dietrich Bonhoeffer die Frage seiner Anerkennung als Märtyrer, als Gerechter unter den Völkern oder sogar als evangelischer Heiliger aufgenommen werde, geschehe dies nicht, um ihm einen Nimbus theologischer Unangreifbarkeit zu verleihen oder ihn mit der Aura eines großen Widerstandszeugen zu umgeben, sagte Wolfgang Huber. „Sondern es geschieht, um größere Klarheit in der Würdigung Bonhoeffers wie in den Kategorien christlicher, in diesem Fall insbesondere evangelischer Erinnerungskultur zu gewinnen.“ Bonhoeffer selbst, der kurz vor Kriegsende, am 9. April 1945, im Konzentrationslager Flossenbürg ermordet wurde, habe nie ein Heiliger werden wollen, „aber Heiligkeit war ein Grundthema seiner Theologie“.

Anhand der Entwicklung in Bonhoeffers Werk von der „Nachfolge“ bis zu den Briefen aus dem Gefängnis aus dem Jahr 1944 zeichnete der Ratsvorsitzende die Entwicklung von Bonhoeffers Verständnis von Heiligkeit nach. In der „Nachfolge“ erläutere Bonhoeffer, dass allein Gott heilig sei. Er allein könne sich deshalb auch ein Heiligtum in dieser Welt schaffen. Gottes Rechtfertigung des Sünders in Jesus Christus sei der Dreh- und Angelpunkt jeder Rede von Heiligkeit. Deshalb habe diese Rede ihren Ort in der Gemeinschaft der Heiligen und zwar als einer sichtbaren Gemeinschaft. Nur in der sichtbaren Gemeinde sei heiliges Leben möglich. „Und doch hatte Bonhoeffer im späteren Rückblick den Eindruck,“ so Wolfgang Huber weiter, „sein Buch Nachfolge stehe am Ende eines Weges, auf dem er glauben lernen wollte, indem er selbst so etwas wie ein heiliges Leben zu führen versuchte. Davon nahm er Abschied, als er die tiefe Diesseitigkeit des Glaubens kennen und verstehen lernt.“ Erst wenn man völlig darauf verzichtet habe, aus sich selbst etwas zu machen, so zitiert Huber aus dem Brief Bonhoeffers an Eberhard Bethge vom 21. Juli 1944, „dann wirft man sich Gott ganz in die Arme, dann nimmt man nicht mehr die eigenen Leiden, sondern das Leiden Gottes in der Welt ernst, dann wacht man mit Christus in Gethsemane, und ich denke, das ist Glaube, das ist metanoia und so wird man ein Mensch, ein Christ.“

Dieser innere Zusammenhang zwischen Lebensgeschichte und Theologie beeindrucke an Dietrich Bonhoeffer, die Verbindung zwischen einem Lebenslauf, der ihn zu einem Glaubenszeugen in einem besonderen Sinne des Wortes gemacht habe, und einem theologischen Werk, das auch zu Beginn des 21. Jahrhunderts noch sehr viel an Anregungspotenzial und Orientierungskraft enthalte. „Auch in Zukunft wird sich sein Glaubenszeugnis und seine theologische Inspiration als Quelle der Ermutigung und als Herausforderung zu eigenem Denken und Handeln erweisen.“

Von einem solchen Vorbild im Glauben lasse sich auch nach evangelischer Auffassung von Heiligen sprechen. „Von einem evangelischen Heiligen können wir dort reden, wo sich Lebenszeugnis und Glaubenskraft in einer Weise verbunden haben, dass dies zum Glauben und zum christlichen Handeln von Christen auch an anderem Ort, zu anderer Zeit und unter anderen Bedingungen ermutigt.“ So sei auch aller Grund vorhanden, für das „Leben und Wirken dieses evangelischen Heiligen zu danken, der vor einhundert Jahren in Breslau geboren wurde.“

Hannover / Berlin, 02. Februar 2006

Pressestelle der EKD
Silke Fauzi

Der Vortrag "Dietrich Bonhoeffer – ein evangelischer Heiliger" im Wortlaut