Christen müssen tolerant und selbstbewusst sein

Leitender Bischof der VELKD fordert Nachdenken über Lebensstil und mehr Beachtung für Familien

Christinnen und Christen in Deutschland müssen „zugleich toleranter und selbstbewusster“ auftreten. Diese Position vertritt der Leitende Bischof der Vereinigten Evangelisch-Lutherischen Kirche Deutschlands (VELKD), Landesbischof Dr. Johannes Friedrich (München). In seinem Bericht vor der Generalsynode der VELKD sagte er am 13. Oktober in Zwickau, die Zeit geschlossener Gebiete sei vorbei. Habe nach dem Zweiten Weltkrieg angesichts zahlreicher konfessionsverbindender Ehen der Unterschied evangelisch-katholisch im Vordergrund gestanden, gehe es jetzt darum, wie Christen, Muslime und Konfessionslose in Kindergarten, Schule, im Stadtteil und in der Gesellschaft, aber auch global miteinander leben könnten. Dies sei eine „schwierige und anspruchsvolle Situation“. Glaubende seien einem zunehmenden Reflexions- und Legitimationsdruck ausgesetzt. „Wir leben faktisch in der Diaspora und sind nicht wirklich diaspora-fähig“, so der Leitende Bischof. Zugleich gehe es darum, erkennbar zu sein. Unser Glaube und unsere Lebenspraxis sollten attraktiv sein und ansteckend wirken.

Nach dem Zweiten Weltkrieg hätten die Deutschen in einer Phase des Wohlstands gelebt, in dem die Menschen „nicht so sensibel für die Schattenseiten des Reichtums“ gewesen seien, wie das angemessen gewesen wäre. „Unser Lebensstil hat zugleich Elemente der Befreiung und der Selbstzerstörung in sich. Wenn alle Menschen auf der Erde so lebten wie wir, gäbe es einen Kollaps“, sagte der bayerische Landesbischof. In einer globalisierten Welt lösten unterschiedliche Lebensstile Spannungen aus, wie man jetzt an der Krise des weltweiten Finanzsystems sehen könne. Ein grundsätzliches Nachdenken sei überfällig.

In seinem Bericht hat der Leitende Bischof der VELKD auch dazu aufgerufen, dem Thema „Familie“ mehr Beachtung zu schenken. „Die Familie ist – in welcher Zusammensetzung auch immer – der Ort, an dem Menschen Geborgenheit erleben, an dem Kinder in diese Welt hineinwachsen, an dem Wert- und Glaubensvorstellungen gelebt und damit gelehrt werden, an dem Zuneigung und wechselseitige Anerkennung erfahren, Rücksicht und Verzeihen eingeübt werden.“ Sie sei der Ort, an dem Menschen als Personen ernst genommen werden, wieder Kraft tanken und Mut für den Alltag gewinnen könnten. Zugleich sei aber auch zu erleben, dass sich die gesellschaftlichen Bedingungen für Familien rasant veränderten, dass Familien nicht überall so funktionierten, dass sie an diesen Idealen scheiterten, ja Ort von schmerzlichem, manchmal sogar tödlichem Versagen würden. „Wir verstehen Familie als eine gute und schützende Ordnung Gottes und wissen, dass dieser Anspruch nicht selten verfehlt wird. Manchmal haben wir den Eindruck, dass Familie in unseren Zeiten besonders gefährdet sein könnte und deshalb unserer besonderen Aufmerksamkeit bedarf.“

Zum Schwerpunktthema der Generalsynode – „Lutherisch sein im 21. Jahrhundert“ – führte Johannes Friedrich aus: „Ich bin fest davon überzeugt, dass die lutherische Ausprägung des christlichen Glaubens auch im 21. Jahrhundert eine wichtige Aufgabe hat, sie hat sich noch nicht verbraucht.“ Es gehe nicht um eine Abkapselung, sondern darum, kommunikativ das eigene Profil ins Gespräch zu bringen, das wechselseitige Verstehen innerhalb des Protestantismus sowie mit anderen Konfessionen zu fördern.

Zwickau, 13. Oktober 2008

Udo Hahn
Pressesprecher