In der Ökumene Erreichtes verstetigen

Landesbischof Weber hielt Catholica-Bericht

Wenn es um das Zentrum des Glaubens geht, „ist kein Platz, sich in unseren jeweils besonderen kirchlichen und konfessionellen Gestalten zu profilieren und in konfessionalistische Beharrlichkeit zurückzufallen“. Darauf hat der Catholica-Beauftragte der Vereinigten Evangelisch-Lutherischen Kirche Deutschlands (VELKD), Landesbischof Prof. Dr. Friedrich Weber (Wolfenbüttel), aufmerksam gemacht. Wenn es um die befreiende Botschaft der Bibel gehe, „müssen wir Christinnen und Christen gemeinsam Zeugnis ablegen“, sagte Weber in seinem Bericht vor der Generalsynode der VELKD. Er stand unter dem biblischen Motto „…damit ihr Glauben und Hoffnung zu Gott habt“. Ohne diese bleibende Hoffnung sei seine Arbeit in der Ökumene nicht möglich. „Für mich findet sie in der ‚Leidenschaft für das Mögliche‘ Ausdruck.“ Seine Hoffnung sei, „dass es uns gelingt, unser Miteinander als selbstverständlichen Teil des jeweiligen Kirche-Seins zu verstehen und das Erreichte zu verstetigen“.

Beim Abendmahl/Eucharistie sieht Weber Möglichkeiten für einen Fortschritt. In den traditionellen Kontroversen bei diesem Thema „ist nach Einschätzung der Experten mittlerweile durch die diversen Lehrgespräche ein differenzierter Konsens erreicht, der eigentlich die Feststellung ermöglicht, dass in der Lehre vom Herrenmahl zwischen römisch-katholischer Kirche und evangelisch-lutherischen Kirchen keine aktuellen Gegen¬sätze von kirchentrennender Bedeutung vorliegen“. Inhaltlich liege man im Abendmahls- bzw. Eucharistieverständnis „nicht mehr weit auseinander“. Darauf habe er im Vorfeld des 2. Ökumenischen Kirchentages (ÖKT) hingewiesen. „Aus lutherischer Sicht wäre es also an der Zeit, einen Prozess zu einer Gemeinsamen Erklärung zum Abendmahl bzw. zur Eucharistie in Gang zu setzen, analog der Gemeinsamen Erklärung zur Rechtfertigungslehre.“ Eine solche Gemeinsame Erklärung zum Abendmahl könne unter anderem zeigen: Der Streit und die gegenseitigen Verurteilungen in der Frage um die Darreichung in beiderlei Gestalt, also Brot und Kelch, sei durch die Bestimmungen des Zweiten Vatikanischen Konzils und durch Grundsatzüberlegungen zum stiftungsgemäßen Gebrauch des Herrenmahls im Wesentlichen behoben. Auch in der Frage der wirklichen Gegenwart Jesu Christi, der sich in der Kraft des göttlichen Geistes unter Brot und Wein zum Empfang darbiete, sei ebenso grundsätzliche Übereinstimmung erzielt wie in der Messopferfrage. Erste Entwürfe zu solch einer neuen Gemeinsamen Erklärung lägen bereits vor. Der Münchner Theologieprofessor Gunter Wenz habe bereits einen konkreten Textvorschlag veröffentlicht.

Ein Hauptproblem solch einer Gemeinsamen Erklärung sei sicher¬lich, dass die Lehre vom Abendmahl in engem Sachbezug zur Ekklesiologie (Anm.: Lehre von der Kirche) und zur Amtstheorie steht, von der sie sich nicht isolieren lasse. „Die zwischen unseren Kirchen bisher ungelösten Differenzen in der Lehre von der Kirche und vom kirchlichen Amt wirken sich entsprechend auch auf Theorie und Praxis des Herrenmahls aus. Dennoch wäre eine Gemeinsame Erklärung zum Abendmahl weder in theoretischer noch in praktischer Hinsicht überflüssig und vergeblich“, betonte Weber. „Für das öffentliche Bewusstsein von Kirche und Gesellschaft wäre es von erheblicher Bedeutung, verbindlich zu erfahren, dass in den dogmatischen Fragen der Abendmahlslehre im engeren Sinn ein differenzierter Konsens besteht. Viele Vorurteile und Missverständnisse, die sich auf beiden Seiten hartnäckig halten, ließen sich dadurch beheben. Aber auch in praktischer Hinsicht wäre von einer Gemeinsamen Erklärung zum Abendmahl ein wichtiger Motivationsschub zu erwarten.“ Schließlich könnte auch in festgefahrene Fronten der überkommenen Amtslehre Bewegung gebracht werden. Zugleich sei die ökumenische Enttäuschung und Frustration bereits programmiert, wenn es nicht auch im Vollzug zu ersten Fortschritten komme. Eine theologische Erklärung ohne irgendwelche Folgen in Fragen der eucharistischen Gastfreundschaft oder des gemeinsamen Abendmahls in konfessionsverbindenden Ehen dürfte evangelischen Christinnen und Christen und wohl auch weiten Kreisen in der römisch-katholischen Kirche kaum vermittelbar sein. Letztlich müssten solche Gespräche um eine Gemeinsame Erklärung und substantielle Fortschritte im Vollzug auf Weltebene angesiedelt sein – zwischen dem Lutherischem Weltbund und Rom, so wie auch schon die entsprechende Erklärung zur Rechtfertigungslehre. „Ich gebe jedoch zu, dass ich eher skeptisch bin, ob im Moment ein solcher Prozess auf Weltebene unmittelbar möglich wäre. Es ist nicht zu sehen, dass für Rom im Moment Spielräume denkbar sind, die auch einen Fortschritt im Vollzug ermöglichten. Doch das darf uns nicht daran hindern, auf nationaler Ebene an diesem Thema intensiv und geduldig weiterzuarbeiten. Auch der Gemeinsamen Erklärung zur Rechtfertigungslehre gingen lange Vorarbeiten auf verschiedenen nationalen Ebenen voraus. Wir müssen bereit sein, wenn die Zeit reif ist.“ Weber will auszuloten versuchen, „was wir im Moment vielleicht bereits auf deutscher Ebene praktisch verbessern können“. Es habe ihn ermutigt, dass Bischof Gerhard Ludwig Müller während eines gemeinsamen Presseauftritts vor Beginn des ÖKT erkennen ließ, dass er der theologischen Debatte nicht abgeneigt sei, auch wenn er sich nicht dazu geäußert habe, ob er Chancen für Fortschritte auf der Ebene des Vollzugs sehe.

Im Blick auf fünf Jahre Pontifikat Benedikt XVI. hält es der Catholica-Beauftragte „insgesamt nicht für ausgeschlossen, dass es in der Ökumene noch zu Weiterentwicklungen kommt; das traue ich Papst Benedikt durchaus zu. Schnelle Fortschritte in ekklesiologischen und sakramentstheologischen Lehrfragen sehe ich allerdings im Moment nicht“.

Hannover, 06. November 2010

Udo Hahn
Pressesprecher der VELKD