Das Gemeinwohl leidet, wenn die Steuermoral sinkt

EKD-Kammer hält allgemeine Steuersenkungen auf absehbare Zeit nicht für ratsam

So nötig Umstrukturierungen und neue Akzentsetzungen im Steuersystem in Einzelfällen sind, so wenig ist auf absehbare Zeit Raum für allgemeine Steuersenkungen. Das ist das Ergebnis der Studie „Transparenz und Gerechtigkeit – Aufgaben und Grenzen des Staates bei der Besteuerung“, die die Kammer für soziale Ordnung der Evangelischen Kirche in Deutschland (EKD) vorgelegt hat.

Die Studie hebt hervor, dass sich in der Akzeptanz der Besteuerung die Selbstverpflichtung von Bürgerinnen und Bürgern zeige, auch materiell zum Gemeinwohl beizutragen. Ausdrücklich betonen die Vorsitzenden der Sozialkammer, die Professoren Reinhard Turre (Magdeburg) und Gert G. Wagner (Berlin) in ihrem Vorwort, dass es besonders problematisch sei, wenn Leistungsträger mit hohen Einkommen sich durch Steuervermeidung „aus der Verantwortung schleichen“, Schwarzarbeit als Kavaliersdelikt gelte und breite Bevölkerungsschichten wenig sensibel mit der Steuermoral umgehen, ohne die kein zivilisierter Staat gestaltet werden könne. „Unser Staat verdient gerade für seinen Reformbedarf die breite Unterstützung der Bürger – und dies muss sich auch in der Steuermoral ausdrücken“, so Prof. Gert G. Wagner.

Steuerpolitik werde naturgemäß immer kontrovers diskutiert. Die unterschiedlichen Interessen, die dabei ins Spiel kommen, führten notwendigerweise zu einem differenzierten, „historisch gewachsenen“ Steuersystem, das gegenüber den vielfältig vertretenen systematischen Neuansätzen den Nachteil mangelnder Transparenz habe. Zu glauben, es könne jemals ein wirklich transparentes und vollständig konsistentes Steuersystem geben, sei letztlich naiv, ja, politisch gefährlich, so Professor Wagner weiter. Es sei deswegen unredlich, ein ideales System zu versprechen und damit das bestehende Steuersystem grundsätzlich zu diskreditieren. Gerade beim Ringen um einen schnellen konjunkturellen Aufschwung, so zeige die Studie der Kammer, gelte es zunächst, Fragen der öffentlichen und sozialen Verantwortung im Blick zu behalten. Die Studie mache deutlich, vor welchen Herausforderungen die Steuergerechtigkeit – nicht zuletzt mit Blick auf die kommenden Generationen – stehe und warum Steuermoral mit Anstand zu tun habe.

Die für die Kirche entscheidenden Fragen der sozialen Gerechtigkeit, der Bewahrung der Schöpfung und der Generationengerechtigkeit sind eng mit Steuerfragen verbunden. Deswegen hat sich die „Kammer für soziale Ordnung“ der EKD nicht erst im letzten Jahr mit den Anforderungen an ein Steuersystem befasst. Sie hat nun einen Text vorgelegt, der die unterschiedlichen Anforderungen an ein transparentes und gerechtes Steuersystem in den historischen und systematischen Kontext unseres Staatsverständnisses stellt. Der handlungsfähige, soziale Rechtsstaat ist der Staat der Bürger und Bürgerinnen, die im Sinne der Sozialen Marktwirtschaft demokratisch und selbstbewusst in ihren Organisationen die Gesellschaft gestalten.

Hannover, 20.November 2009

Pressestelle der EKD
Reinhard Mawick

Hinweis:

Der EKD-Text 106 „Transparenz und Gerechtigkeit – Aufgaben und Grenzen des Staates bei der Besteuerung“ ist zum Preis von 0,80 € zu bestellen beim Kirchenamt der EKD, Herrenhäuser Straße 12, 30419 Hannover, E-Mail: versand@ekd.de

EKD-Text 106 „Transparenz und Gerechtigkeit – Aufgaben und Grenzen des Staates bei der Besteuerung“ als pdf-Datei