"Lust an der Bibel, Lust an der Sprache“

Margot Käßmann und Katrin Göring-Eckardt eröffnen heute Zentrum für evangelische Predigtkultur in Wittenberg

Am heutigen Freitag wurde in Lutherstadt Wittenberg das „Zentrum für Evangelische Predigtkultur“ eröffnet. Prominente Gäste bei der Eröffnung im Rathaus am Markt in Wittenberg waren die Vorsitzende des Rates der Evangelischen Kirche in Deutschland (EKD), Landesbischöfin Margot Käßmann, und die Präses der Synode der EKD, Katrin Göring-Eckardt.

Die Ratsvorsitzende hob in ihrer Eröffnungsrede die grundlegende Bedeutung der evangelischen Predigt hervor und erinnerte an ihre Ursprünge: „Von Luthers Zutrauen zur Predigt, von seinem Vertrauen auf die gottgewollte Wirkung des Wortes ging eine Prägung der Kultur aus, die schwerlich überschätzt werden kann. Predigend wurde und wird die Bibel mit ihren Worten und Geschichten in die Ohren und Herzen der Menschen gebracht. Durch die Predigt wurde und wird Sprache geprägt, Denken geschult, das Gefühl berührt“, so Käßmann. Dabei erinnerte sie an die „Vielfalt und Buntheit“ des Genres: „Es gibt nicht die eine evangelische Predigt. Es gibt nicht den einen Stil, die eine Art zu reden und zu denken. Es gibt die Vielfalt unterschiedlicher Redeformen und Redeweisen. Es gibt die Vielfalt der Predigerinnen und Prediger in unserer Kirche, die ehren- oder hauptamtlich, in Gottesdiensten oder in Andachten, mit Jugendlichen, Kindern oder Senioren, in Zeitungen oder im Fernsehen, im Hörfunk oder im Internet das Wort sagen, die frohe Botschaft verkündigen.“ Die Ratsvorsitzende erhofft vom neuen Zentrum „hilfreiche Anregungen“ eine Sprache zu finden, „die Menschen verstehen und die Menschen aufrüttelt und tröstet. Luther hat bekanntlich einmal gesagt, man müsse dem Volk aufs Maul schauen. Das meint nicht, nach dem Munde reden. Aber die frohe Botschaft des Evangeliums in einer Sprache zum Klingen bringen, die Menschen heute anrührt.“

Die Präses der Synode der EKD und Vizepräsidentin des Deutschen Bundestages, Katrin Göring-Eckardt, betonte, dass die Kirche mit der Einrichtung des Zentrums die eigenen Stärken stärke: „Das Wort. Das kann kaum jemand so gut wie wir. Kaum irgendwo wird so viel Wert darauf gelegt, wie in unserer evangelischen Kirche.“ Im Vergleich zu anderen Reden sei das Besondere, so Göring-Eckardt, „dass wir die Schrift haben. Unser Predigen hat seinen Grund in der Bibel. Unser Predigen redet vom Geheimnis des Glaubens. Unser Predigen ist immer live und immer direkt. Unser Predigen gehört an genau den Ort und in genau die Zeit. Unser Predigen meint den Menschen, genau so, wie er kommt.“

Die Präses gab ihrer Hoffnung Ausdruck, dass das neue Zentrum „beides zugleich“ sein könne: „Wegbegleitung auf dem Weg der Veränderung und gleichzeitig die Erinnerung an das wunderbare Alte, an den Ursprung und die Quelle, von der wir leben.“ Allerdings gehe das eine nicht ohne das andere, Martin Luther habe es so erlebt: „Der Rückbezug auf die Bibel öffnet ganz neue Wege in die Zukunft. Die Worte, die im Buch der Bibel überliefert sind, können uns gelassen, frei und erfinderisch machen inmitten einer sich rapide verändernden Welt.“, so Göring-Eckardt weiter.

Der Leiter des Zentrums für evangelische Predigtkultur, der 37-jährige Pfarrer und promovierte Praktische Theologe Alexander Deeg möchte durch das neue Zentrum vor allem „die Lust an der Predigt und die Leidenschaft für das Predigen stärken und wecken.“ Dazu gehöre vor allem „Lust an der Bibel und die Lust an der Sprache“.

Die evangelische Predigt habe sich über Jahrhunderte als „kultur- und sprachprägend“ erwiesen. „Diese Dimension wachzuhalten und zu stärken, ist eine wesentliche Aufgabe des Zentrums für evangelische Predigtkultur. Es sucht den Austausch mit anderen, die sich um die Kultur der Rede und der Sprache bemühen, mit Künstlern und Journalisten, Literaten und Filmemachern“, so Deeg weiter.

Es gelte aber auch, die „politische Dimension der Predigt“ neu zu entdecken. Deeg: „Evangelische Predigt war nicht immer, aber Gott sei Dank immer wieder in ihrer Geschichte, eine Predigt, die für die Schwachen Partei ergreift, die nach Wegen der Gerechtigkeit sucht und sich gegen Unrecht auflehnt.“ Auch an diese Tradition, so der Leiter des Zentrums, gelte es anzuknüpfen.

Hannover, 19. Februar 2010

Pressestelle der EKD
Reinhard Mawick