Ohnmacht und Überwindung

Jürgen Henkys deutet die Biografie des Dichters Jochen Klepper

Unter den „protestantischen Profilen“ der letzten beiden Jahrhunderte ragt das des schlesischen Funkjournalisten und Schriftstellers Jochen Klepper (1903-1942) heraus. Ihm wird sich der Berliner Professor Jürgen Henkys am Mittwoch, 8. März 2006, widmen. Sein Vortrag im Rahmen der Reihe „Berliner Protestantische Profile“ findet um 18 Uhr im Berliner Dom statt.

Jochen Klepper wurde nur 39 Jahre alt. Er kam 1931 nach Berlin und ging 1942 mit seiner jüdischen Frau und deren Tochter in den Tod. Dieses Sterben hat damals viele Menschen, die ihn als Autor eines großen Romans über den Soldatenkönig Friedrich Wilhelm I. und als Dichter geistlicher Lieder bewunderten, aufgeschreckt.

Zur Deutung von Kleppers Leben und Werk greift Jürgen Henkys auf die postum veröffentlichten Tagebücher des Dichters zurück. Diese Hinterlassenschaft offenbart, wie Klepper unter dem Blendwerk der nationalsozialistischen Finsternis und dem Druck ihrer Machthaber um das Verhältnis von Glaube und Kunst, Bibel und Alltagserfahrung, Berufung und Familie ringt. Henkys geht davon aus, dass vor Kleppers innerer Bindung an Judentum, Luthertum und Preußentum die Schemata versagen, nach denen man die Zeitgenossen des „Dritten Reiches“ gern einteilt. Kleppers Leben stehe nach seinen eigenen Worten im Zeichen von „Ohnmacht und Überwindung“.

Pfarrer Jürgen Henkys ist emeritierter Professor für Praktische Theologie. Seit 1965 lehrte er an der Kirchlichen Hochschule Berlin-Brandenburg (Ost), von 1991 bis 1995 an der Humboldt-Universität zu Berlin. Seine zahlreichen Veröffentlichungen gelten der Praktischen Theologie und der Hymnologie, daneben dem Werk Martin Luthers, Jochen Kleppers und Dietrich Bonhoeffers. Bekannt ist er außerdem als Autor von Kirchenliedern. Vor zwei Jahren wurde Henkys mit dem Ehrenbrief der Paul-Gerhardt-Gesellschaft ausgezeichnet.

Im Anschluss an den von der Union Evangelischer Kirchen in der EKD (UEK) gemeinsam mit der Oberpfarr- und Domkirche zu Berlin veranstalteten Vortrag wird wie immer Zeit für eine Diskussion sein. Diese leitet Pfarrer Dr. Ralf K. Wüstenberg. Fortgesetzt wird die Reihe am Mittwoch, 5. April 2006, mit einem Vortrag des pommerschen Bischofs Hans-Jürgen Abromeit über den Theologen Dietrich Bonhoeffer, der im Widerstand gegen das NS-Regime engagiert war.

Berlin / Hannover, 24. Februar 2006

Pressestelle der UEK
Karoline Lehmann

Die Erste Theologische Vortragsreihe fand 1999 unter dem Titel „Das Wesen des Christentums in seiner evangelischen Gestalt“ statt. Im Frühjahr 2002 folgte die zweite Reihe, eine Auseinandersetzung mit der Schöpfungsgeschichte: „Die Welt als Schöpfung und als Natur. Der Christliche Glaube und die naturwissenschaftliche Weltsicht“. Auslöser für das Thema der Dritten Staffel – „Leben im Schatten des Bösen. Gespräche zu einer ungelösten Menschheitsfrage – war die Dimension des Bösen, die seit dem 11. September 2001 die Welt erschüttert. Alle bisherigen Reihen wurden im Neukirchener Verlag veröffentlicht.