Bischof Huber zu den Terroranschlägen in Madrid und zum Film "The Passion of the Christ"

Der Ratsvorsitzende der Evangelischen Kirche in Deutschland und Bischof der Evangelischen Kirche Berlin-Brandenburg-schlesische Oberlausitz, Wolfgang Huber hat sich am Samstag, 13. März, in der regelmäßigen Sendereihe „Wort des Bischofs“ auf RBB 88,8  zum Terroranschlag am Donnerstag 11. März, in Madrid und zur Premiere des Films „The Passion of the Christ“, der am Donnerstag, 18. März, in Deutschland startet, geäußert.
 

Guten Morgen, liebe Hörerinnen und Hörer!

Es war zu viel für einen Tag. Am Donnerstag Morgen hörte ich die Nachrichten über die schrecklichen Attentate in Madrid. Im Lauf des Tages wurden sie immer konkreter: 192 Todesopfer und über 1400 Verletzte. Blutüberströmte Menschen konnte man sehen; gezeigt wurden dabei nur Menschen, die überlebt hatten. Ob nun ETA oder Al Qaida die Drahtzieher dieser verbrecherischen Anschläge auf menschliches Leben sind – ich weiß es nicht. Ich weiß nur: Niemand und nichts kann es rechtfertigen, dass menschlichem Leben so ein Ende gemacht wird, mit brutaler Gewalt.

Und dann am Abend desselben Tages: Die Passion Jesu Christi. Mit anderen zusammen sah ich Mel Gibsons Film im vorhinein, mit englischen Untertiteln, noch in der Vorbereitung auf die deutsche Premiere, die für den kommenden Donnerstag geplant ist. Ein gewaltiger Film. Aber gewalttätig ist er auch. Aushalten konnte ich es nicht. Andere hielten sich Schals vor die Augen oder wandten sich ab. Vor allem die Geißelung Jesu ist von unerträglicher Brutalität.

Gewiss darf man den gewaltsamen Tod Jesu nicht verharmlosen. Die grausamste Hinrichtungsart der damaligen Welt musste er erleiden. Folter und Grausamkeit gingen dem voraus. Aber dass man das im Film nur noch zeigen kann, indem man die Grausamkeiten überbietet, an die Menschen sich Abend für Abend im Fernsehen gewöhnt haben, will mir nicht in den Kopf. Nicht nur wegen Madrid bäume ich mich dagegen auf. Ich glaube vielmehr: Wenn wir immer nur überbieten wollen, woran die Menschen sich schon gewöhnt haben, enden wir in einer unaufhaltsamen Spirale der Grausamkeit.

Ein Vergleich lässt mich an diesem Abend nicht los. Das Berliner Holocaust-Mahnmal soll die unvorstellbare Größe der nationalsozialistischen Gewaltverbrechen durch seine unvergleichliche Größe gleichnishaft abbilden: Dreitausend Stelen aus Beton werden wir dort bald sehen. Ich halte das für falsch. Dem Leiden der Opfer werden wir nicht gerecht, wenn wir so die gewaltigen Ausmaße der Taten in den Vordergrund stellen.

Auch Mel Gibsons „Passion Christi“ spiegelt den Größenwahn unserer Zeit. Werden wir ihr jedoch gerecht, wenn wir diesen Größenwahn weiter steigern? Wir sollten nicht vergessen: Solchen Größenwahn nennt die Bibel Sünde, das Seinwollen wie Gott. Um ihretwillen starb Jesus am Kreuz.

Gewalttätig ist dieser Film, aber er ist auch gewaltig. Es gibt eindrückliche Bilder in ihm, die sich nicht vergessen lassen. Alles läuft zu auf das Bild der Mutter, die ihren toten Sohn im Schoß hält. Die Pietá heißt dieses Bild seit alters. In vielen Formen ist es überliefert. Manche mögen nicht mehr wissen, wie es zu deuten ist. Wer Mel Gibsons Film gesehen hat, wird dieses Bild nicht mehr vergessen.

Den Film zu sehen, kann ich Ihnen nicht raten. Aber wenn Sie ihn sehen, dann lesen Sie, worauf er sich bezieht: die Evangelien selbst.

Einen gesegneten Sonntag wünsche ich Ihnen. Bleiben Sie behütet!

Für die Richtigkeit
Hannover/Berlin, 12. März 2004
Pressestelle der EKD
Christof Vetter

Hinweis:
Diese Pressemitteilung wird zeitgleich von der Pressestelle der Evangelischen Kirche Berlin-Brandenburg-schlesische Oberlausitz verschickt.

Eine frühere Stellungnahme des Kirchenamts der EKD zu dem Film von Mel Gibson