„Redet Wahrheit“

Prälat Reimers spricht zur Eröffnung der Woche der Brüderlichkeit in Berlin

„Rede einer mit dem anderen Wahrheit und richtet recht, schafft Frieden in euren Toren“- diese Aufforderung des Propheten Sacharia an die Menschen, die nach dem babylonischen Exil in Jerusalem auf einen Neuanfang hoffen dürfen, hat zu allen Zeiten unverminderte Gültigkeit. Dies war der Ausgangspunkt des Festvortrags von Prälat Stephan Reimers, dem Bevollmächtigten des Rates der Evangelischen Kirche in Deutschland (EKD), am 11. März zur Eröffnung der Woche der Brüderlichkeit der Gesellschaft für Christlich-Jüdische Zusammenarbeit in Berlin. Reimers betonte die Bedeutung von Vorbildern für wahrhaftiges Handeln und den Stellenwert der Wahrheit im interreligiösen Dialog.

Mit Blick auf den heute notwendigen Dialog zwischen den Religionen sei der Begriff der Wahrheit zentral, betonte der Bevollmächtigte. Er verwies auf die Ende vergangenen Jahres veröffentlichte Handreichung des Rates der EKD „Klarheit und gute Nachbarschaft - Christen und Muslime in Deutschland“. Besonders der Abschnitt mit der Überschrift „Die Wahrheit und die Toleranz der christlichen Mission“ habe Aufmerksamkeit und Widerspruch auf der islamischen Seite ausgelöst. „Wir wollen Muslimen die Liebe Gottes, an die wir glauben, aber nicht nur praktisch bezeugen, sondern im Dialog auch von unserem Glauben leben“, unterstrich Reimers die evangelische Position. „Das ist mit Mission im Sinne von Auftrag gemeint: ganz selbstverständlich vom eigenen Glauben zu erzählen und zu ihm einzuladen.“ Allerdings schließe die Aufforderung, Wahrheit zu reden, auf den Begriff Mission angewandt selbstverständlich mit ein, auch von der Gewaltgeschichte zu sprechen, die die christliche Mission über lange Zeit begleitet habe. Erst in der zweiten Hälfte des vorigen Jahrhunderts sei eine breite, selbstkritische Diskussion dieser Schattenseite der christlichen Kirchen in Gang gekommen. „Dieser Lernprozess war wichtig und wertvoll für uns als Kirche“, zitierte Reimers den bayerischen Landesbischof Johannes Friedrich: „Wir haben begriffen, dass Mission niemals mehr ein Akt gegen den freien Willen der Menschen sein darf. Zugleich haben wir gelernt, Mission wieder so zu verstehen, wie sie im Geist Jesu Christi gemeint ist und unverzichtbar zum Christentum dazugehört.“

Die Wahrheit sprechen und sie in Taten bezeugen - Prälat Reimers erinnerte in diesem Zusammenhang auch an Menschen, die nach diesem Leitspruch gehandelt haben, etwa an Helmut James Graf von Moltke und dessen langjährigen politischen Widerstand gegen das nationalsozialistische Regime. Moltkes Handeln sei nicht nur konkret, sondern auch exemplarisch von großer Bedeutung gewesen: „Vorbilder sind wichtig, gerade in bedrängender Zeit, wenn die Wahrheit etwas kostet“. So hätten die Menschen, die in der Zeit des Nationalsozialismus Juden halfen, obwohl sie dadurch ihre eigene Existenz aufs Spiel setzten, zwar keiner einheitlichen Religion, Partei oder Bildungsschicht angehört. „Doch diejenigen, die man noch befragen konnten, erklärten übereinstimmend: Ich kannte einen Menschen, der hätte es genauso gemacht.“

Berlin, 9. März 2007
Pressestelle der EKD

Karoline Lehmann