Solidarität im Alter

Kommentar des EKD-Ratsvorsitzenden, Bischof Wolfgang Huber, für die Allgemeine Zeitung Mainz

Die Diskussion um die Absicherung im Alter beschäftigt in diesen Tagen wieder die Öffentlichkeit, weil sie nicht nur fast alle Menschen in ihrer Lebensplanung und in dem Gefühl, mit dem sie ihrer Rente entgegensehen, berührt, sondern auch, weil damit zentrale ethische Fragen aufgeworfen werden. Im Mittelpunkt steht die Überzeugung, dass eine faire Altersversorgung gewährleistet und Altersarmut vermieden werden soll. Aber ebenso ist zu berücksichtigen, dass alles Geld, das als gesetzliche Rente ausgegeben wird, vorher von den Beitragszahlerinnen und Beitragszahlern eingezahlt werden muss.

Die strukturellen Probleme der Gesetzlichen Rentenversicherung, insbesondere mit Blick auf unsere Armut an Kindern, sind unverkennbar. Die Grundgedanken des bundesdeutschen Sozialstaats sind maßgeblich aus christlichen Wurzeln entwickelt worden. Sie dürfen bei den daher notwendigen Reformen sowohl aus ethischen wie auch aus ökonomischen Gründen nicht aufgegeben werden. Aus diesem Grund ist jeder Ansatz zu unterstützen, der dazu dient, die Nachhaltigkeit unserer sozialen Sicherungssysteme herzustellen und gleichzeitig Altersarmut zu vermeiden, den notwendigen sozialen Ausgleich sicherzustellen und eine gerechte Lastenverteilung in der Gesellschaft, insbesondere zwischen Familien und denen, die keine Kinder haben, zu erreichen.

Der Bundestag hat in dieser Woche ein Gesetz zur Rentenreform verabschiedet. Es hat mich sehr enttäuscht, dass die Kirchen entgegen aller Tradition während der Beratungen darüber nicht zu der entscheidenden Anhörung eingeladen waren. Einen Teil der anstehenden Probleme geht das Gesetz mit erfolgversprechenden und auch aus der Sicht der Kirchen angemessenen Maßnahmen an. Gleichzeitig spart es wichtige Probleme aus, wie etwa die ethisch und verfassungsrechtlich gebotene Berücksichtigung der Erziehungsleistung von Eltern. An einigen Stellen sind neue Probleme vorprogrammiert, etwa im Bereich der Altersarmut.

Notwendig erscheint mir vor allem mit Blick auf die Gefahr von Altersarmut, die Situation der älteren Menschen genau wahrzunehmen. Dabei ist unter anderem zu differenzieren zwischen denen, die neben ihrer Rente hohe andere Einkünfte beziehen und daher einen solidarischen Beitrag zur Entlastung der Jüngeren, die die Beiträge zahlen müssen, leisten können einerseits und andererseits denjenigen, die ausschließlich auf eine Altersversorgung angewiesen sind, die - aus welchen Gründen auch immer - schon jetzt unter dem Sozialhilfeniveau liegt. Die Diskussion der letzten Tage um ein prozentuales Mindestniveau - das ja auch sehr hohe Renten festschreiben würde - geht daher am Problem vorbei: Wir müssen uns viel mehr über die absolute Höhe einer Mindestrente verständigen. Besonders notwendig erscheint es mir darüber hinaus, die Situation von Familien zu verbessern, wie dies auch das Bundesverfassungsgericht vom Gesetzgeber schon lange verpflichtend gefordert hat.

Der Glaube an Gott, dessen Liebe allen Menschen gilt und der uns und auch unseren Kindern Mut machen will, fröhlich in die Zukunft zu blicken und gerade deshalb die anstehenden Probleme anzugehen, dieser Glaube befreit dazu, nicht im blinden Eigeninteresse Verteilungskämpfe zu führen, sondern gemeinsam an gerechten, solidarischen und nachhaltigen Lösungen zu arbeiten.

Für die Richtigkeit
Christof Vetter
12. März 2004