Ökumenischer Gottesdienst im Berliner Dom

anlässlich der Erinnerung an den Völkermord an Armeniern, Aramäern, Assyrern und Pontos-Griechen

In einem ökumenischen Gottesdienst im Berliner Dom gedachten am 23. April über 1100 Menschen des Völkermordes an Armeniern, Aramäern, Assyrern und Pontos-Griechen vor hundert Jahren. Schätzungen zufolge 1,5 Millionen Menschen wurden zwischen 1915 und 1922 im Osmanischen Reich ermordet. „Als Kirchen in Deutschland stehen wir zusammen zu der Verantwortung, das Gedenken an den Völkermord wachzuhalten“, erklärten Evangelische Kirche in Deutschland (EKD), Deutsche Bischofskonferenz (DBK), Armenische Apostolische Kirche und die Arbeitsgemeinschaft Christlicher Kirchen, die zu dem Gottesdienst gemeinsam einluden. Vor dem Gottesdienst begrüßte Dompredigerin Petra Zimmermann Bundespräsident Joachim Gauck, der im Anschluss an den Gottesdienst zu den Versammelten sprach.

„Wir feiern diesen Gottesdienst in ökumenischer Gemeinschaft, weil wir alle Glieder am einen Leib Jesu Christi sind und deshalb auch die Last der Trauer gemeinsam tragen. Mit dem Apostel Paulus wissen wir: Wenn ein Glied leidet, so leiden alle Glieder mit (1Kor 12,26)“, sagte Landesbischof Heinrich Bedford Strohm, Ratsvorsitzender der EKD, in seinem Eingangswort. Im Gedenken an die Opfer sprach er auch die Verantwortung Deutschlands am Genozid an. Die Mitschuld bestehe im Wegsehen der Diplomaten, Militärs und Politiker gegenüber den Tätern des Jungtürkischen Regimes, den Verbündeten des Deutschen Reiches im Ersten Weltkrieg und in der Zusammenarbeit mit ihnen. Weiter sagte er: „Doch dürfen wir ebenso nicht verschweigen, dass evangelische Kirchenleitungen und Missionsgesellschaften vor einhundert Jahren genau Bescheid wussten, dass sie aber dennoch wegschauten und untätig blieben. Nur wenn wir diese eigene Mitschuld deutlich und klar aussprechen und anerkennen, können wir auch andere dazu ermutigen, sich aufrichtig und objektiv mit dem Verbrechen des Genozid auseinanderzusetzen.“

Der Vorsitzende der Deutschen Bischofskonferenz, Kardinal Reinhard Marx, sprach in seiner Predigt von einer „Chronik der Unmenschlichkeit“, der an jedem Tag neue Seiten hinzugefügt werden. „Was vor 100 Jahren, am 24. April 1915, seinen Anfang nahm, war ein solches Menschheitsverbrechen – das ‚große Verbrechen‘, wie die Armenier sagen.“ Immer mehr Staaten, politische und religiöse Führer in aller Welt bezeichneten diese Ereignisse inzwischen als Völkermord, so Kardinal Marx: „Auch Papst Franziskus hat dies getan, als er bei einem Gottesdienst mit armenischen Gläubigen das Wort von Papst Johannes Paul II. in Erinnerung rief, dass das ihren Vorfahren angetane Unrecht ‚allgemein als ‚der erste Genozid des 20. Jahrhunderts‘ angesehen werde. Kardinal Marx betonte in seiner Predigt, dass nicht an die Grausamkeiten der Geschichte erinnert werde, um die Vergangenheit nicht vergehen zu lassen. „Sondern wir rufen sie ins Gedächtnis, damit eine verdrängte Vergangenheit uns nicht gefangen nimmt und uns innerlich vergiftet. Um es mit den Worten von Papst Franziskus zu sagen: ‚Wenn die Erinnerung schwindet, hält das Böse die Wunde weiter offen.‘ Das müssen wir verhindern.“ Gerade deshalb sei es wichtig, so Kardinal Marx, „dass wir heute zusammengekommen sind – Christen verschiedener Konfession und Herkunft –, um den Schrecken beim Namen zu nennen und so einen Weg zu beschreiten, den Schrecken zu bannen und Wege des Neuanfangs und der Versöhnung zu gehen.“

Gebete und Psalmen wurden während des Gottesdienstes in den Muttersprachen der Kirchen gesprochen. So betete Erzbischof Karekin Bekdjian (Armenischer Primas von Deutschland) Psalm 34 auf aramäisch, Metropolit Augoustinos (Vorsitzender der Orthodoxen Bischofskonferenz von Deutschland) auf Griechisch und Erzbischof Philoxenos Mattias Nayis und Erzbischof Julius Hanna Aydin (Syrisch-orthodoxe Kirche) auf Aramäisch. Beteiligt am Gottesdienst waren darüber hinaus Bischöfin Rosemarie Wenner (Evangelisch-Methodistische Kirche) und Dompredigerin Petra Zimmermann.

Für die musikalische Umrahmung des Gottesdienstes sorgten der Armenische Frauenchor Geghard, die syrisch-orthodoxe Sängerin Maria Kaplan, Cellist Christoph Lamprecht und Domkantor Tobias Brommann.

Schon vor dem Gottesdienst sprachen die Beteiligten sich für die Anerkennung der schrecklichen Verbrechen als Völkermord aus: „Gemeinsam unterstützen wir das Anliegen des Ökumenischen Rates der Kirchen, der Konferenz Europäischen Kirchen und der Arbeitsgemeinschaft Christlicher Kirchen in Deutschland, es den Armenischen Kirchen zu ermöglichen, ihre Stimme zu erheben und auf die Anerkennung des Völkermordes hinzuarbeiten.“

Hannover, 23. April 2015

Pressestelle der EKD
Claudia Maier