Gemeinsames Wort zur Woche der ausländischen Mitbürger / Interkulturelle Woche 29.09. - 05.10.2002

Motto: "Rassismus erkennen - Farbe bekennen"

Die diesjährige Woche der ausländischen Mitbürger/Interkulturelle Woche steht wie im vergangenen Jahr unter dem Motto »Rassismus erkennen - Farbe bekennen«. Wir möchten alle Menschen, die in Deutschland wohnen und leben, aufrufen, sich an der Vorbereitung und Durchführung dieser Woche zu beteiligen oder sie durch ihre Anwesenheit und Sympathie zu unterstützen. Zugleich mit diesem Aufruf möchten wir das herausstellen, was uns in diesem Jahr besonders wichtig zu sein scheint.

Im kommenden September wird die Erinnerung an die Terroranschläge vom 11. September 2001 erneut und in besonderer Weise in den Gefühlen und im Denken vieler Menschen gegenwärtig sein. Nach diesen Ereignissen sahen sich viele Muslime in Deutschland Skepsis und Misstrauen aus der Mehrheitsbevölkerung ausgesetzt. Aber ebenso hat seitdem das Interesse bei vielen zugenommen, mehr über den Islam zu erfahren und Hilfen für die eigene Urteilsbildung zu erhalten.

Die Woche der ausländischen Mitbürger/Interkulturelle Woche ist seit vielen Jahren eine besondere Gelegenheit zu Information, Meinungsaustausch, Begegnung und Zusammenarbeit. Es sollte gerade bei dieser Gelegenheit öffentlich sichtbar werden, in wie vielen Bereichen es seit Jahren ein bewährtes und vertrauensvolles Miteinander gibt, das weiter gepflegt und ausgebaut werden sollte.

Die Anschläge vom 11. September lassen sich nicht religiös rechtfertigen. Das haben auch zahlreiche islamische Verbände im Hinblick auf die islamische Theologie in öffentlichen Erklärungen deutlich gemacht. Wer den Islam insgesamt für solche Taten verantwortlich machen will, verkennt nicht nur die kulturellen, psychologischen und politischen Zusammenhänge, die extremistisches Denken hervorbringen oder den Resonanzboden dafür bilden, sondern auch die Vielgestaltigkeit des Islam. Gleichzeitig haben diese Ereignisse uns darin bestärkt, noch entschiedener jeder Form von Intoleranz sowie extremistischem und fundamentalistischem Denken zu widersprechen. Leider wird Religion in unserer Welt dafür vielfach missbraucht. Dies wollen wir nicht zulassen.

Ein friedvolles Zusammenleben von Menschen unterschiedlicher Religion oder kultureller Prägung ist nur möglich, wenn man sich wechselseitig Respekt und Achtung entgegenbringt. Soziale Gerechtigkeit, Entfaltungsmöglichkeit, Teilhabe am gesellschaftlichen Miteinander und die Bereitschaft zu Austausch und Dialog sind wichtige Voraussetzungen, dass dies gelingen kann. Wer sich dafür einsetzt, ist nicht naiv, sondern handelt politisch klug und weitsichtig, auch wenn sich Enttäuschungen einstellen sollten. Denn es gibt keine Alternative zu der Vision eines friedvollen Zusammenlebens aller Menschen auf diesem Globus mit ihren so unterschiedlichen Traditionen und Prägungen. Dies ist nicht nur eine Einsicht politischer Vernunft, sondern auch eine geistig religiöse Herausforderung, die wir annehmen und gestalten müssen.

Für uns als Christen sind diese Überzeugungen in der biblischen Botschaft begründet. Jesu Gebot der Nächstenliebe fordert uns dazu auf, die Grenzen von Feindschaft und Ressentiments zu überschreiten und auf den anderen, uns oft fremden Menschen zuzugehen. Jesu Botschaft und Taten sind für uns ein Auftrag, der uns verpflichtet, für Benachteiligte, für soziale Gerechtigkeit und dafür einzutreten, was den Frieden fördert. Paulus hat in seinem Brief an die Gemeinde in Galatien geschrieben, dass es unter den Christen nicht mehr die Unterscheidung in Juden und Griechen, Sklaven und Freie, Männer und Frauen gebe; alle sind gleichwertig in Christus (Kapitel 3 Vers 28). Dies gilt nicht nur für die christliche Gemeinde, sondern ist uns Mahnung und Maßstab für das gesellschaftliche Zusammenleben insgesamt.

Wir wenden uns deswegen gegen jede Form von Diskriminierung und Rassismus. Wir können nicht hinnehmen, dass Menschen wegen ihrer Verschiedenheit gering geschätzt, benachteiligt oder bedroht werden. Dies ist oft die Keimzelle von Gewalt.

Wir bedauern, dass es den politisch Verantwortlichen in Bund und Ländern bisher nicht gelungen ist, die Voraussetzungen für die Integration von Menschen anderer Herkunft in Deutschland nachhaltig zu verbessern und auf eine neue Grundlage zu stellen. Deswegen dringen wir erneut auf ein Gesamtkonzept, das alle wichtigen gesellschaftlichen Bereiche wie Bildung, Arbeitsmarkt, Kultur, soziale, rechtliche und politische Partizipation umfasst und dauerhafte, zukunftsweisende und gleichberechtigte Teilhabe von Menschen anderer Herkunft am gesellschaftlichen Leben fördert. Die politisch Verantwortlichen bitten wir gerade in der Zeit des Wahlkampfes, alles zu unterlassen, was ausländerfeindlichen Stimmungen und Aktionen Vorschub leisten könnte.

Die diesjährige Woche der ausländischen Mitbürger/Interkulturelle Woche ist eine Gelegenheit, viele Menschen anderer religiöser und kultureller Prägung zur Teilnahme und Mitwirkung zu gewinnen und ihnen zu signalisieren, dass ihre aktive Mitgestaltung unseres gesellschaftlichen Lebens willkommen ist. In diesem Sinn hoffen wir auf eine breite Unterstützung und wünschen allen, die sich für die Vorbereitung und Durchführung dieser Woche engagieren, Zivilcourage, Ermutigung und Gottes Segen.

Präses Manfred Kock
Vorsitzender des Rates der Evangelischen Kirche in Deutschland

Karl Kardinal Lehmann
Vorsitzender der Deutschen Bischofskonferenz

Metropolit Augoustinos
Griechisch-Orthodoxer Metropolit von Deutschland

Hannover, 15. Mai 2002
Pressestelle der EKD


Hinweis: Die Woche der ausländischen Mitbürger/Interkulturelle Woche findet bundesweit vom 29. September bis 5. Oktober 2002 statt.