Karfreitagspredigten der Leitenden Geistlichen in der EKD

Soweit in der Pressestelle der EKD eingegangen

Bischof Wolfgang Huber, Vorsitzender der Rates der Evangelischen Kirche in Deutschland (EKD), Bischof der Evangelischen Kirche Berlin-Brandenburg-schlesische Oberlausitz, Marienkirche, Berlin, 10.30 Uhr

„Die Antwort auf die Grausamkeit, die Menschen einander antun, kann nicht lauten: mehr Grausamkeit, sie muss lauten: Lasst Euch versöhnen!“, sagte der Ratsvorsitzende der EKD, Bischof Wolfgang Huber, in seiner Karfreitagsbotschaft.

Huber ermutigte dazu, den Karfreitag als Anfang einer grundlegenden Befreiung mitten in unserer Welt wahr zu nehmen: „Wir missverstehen die Botschaft der Evangelien, wenn wir den grausamen Tod Jesu nur als eine Bestätigung für die Unveränderlichkeit der Welt ansehen.“

Auch wenn in dem umstrittenen Film von Mel Gibson über die Passion Jesu Christi die Schrecklichkeit des Leidens und Sterbens Jesu ganz in den Vordergrund gerückt werde, so sei dieser stellvertretende Tod doch mehr, nämlich eine Wende zum Leben, deren Tragweite bis heute noch nicht ausgeschöpft sei. „Das Leiden und der Tod dieses Unschuldigen ist ein für allemal das Ende sinnloser Opfer und der Beginn der Versöhnung Gottes mit uns Menschen“, betonte Huber. Dagegen verkürzten Bilder, die sich nur auf das grausige Leiden Jesu konzentrieren, das Geschehen und trennten das Leben Jesu von seinem Tod und die Kreuzigung von der Auferstehung. Dies sei nach den Worten des Ratsvorsitzenden aber nichts anderes als eine weitere Steigerung medial vermittelter Gewalt, die Ohnmachtsgefühle auslöse und Menschen erschrecke und lähme, statt sie zur Versöhnung aufzurufen und eben dazu bereit zu machen. Denn „was wir brauchen, sind feine Sinne und starke Worte für Versöhnung und Gerechtigkeit. Wir lassen uns vom leidenden Jesus hineinnehmen in das Leiden von Menschen, deren Ohnmacht er sich zu eigen macht. Wir verstehen sein Leiden als Befreiung aus den Teufelskreisen menschlicher Schuld und als Ermutigung zur Versöhnung, für die auch kleine Schritte eine große Bedeutung haben können. Denn überall da, wo die Fähigkeit zu solchen Schritten abhanden gekommen ist - wie beispielsweise im Konflikt zwischen Israel und Palästinensern -, werden Gnadenlosigkeit und Versöhnungsferne die engsten Verbündeten“, sagte Huber.

Wer die Botschaft vom Kreuz ernst nehme, könne sich von den schrecklichen Ereignissen der vergangenen Tage und Wochen in Spanien, im Nahen Osten und im Irak, in Afrika und auf dem Balkan nicht kopfschüttelnd abwenden. Denn „seit diesem stellvertretenden Tod am Kreuz gibt es keinen denkbaren Ort im Leben und im Sterben, in den Gottes Verheißung nicht reichen könnte“, sagte Huber. Darum sei es die Aufgabe der Christen und der Kirchen, Schritte der Versöhnung zu gehen und gerade dort, wo Fundamentalismus zum Terror greife und ideologischer Starrsinn das Denken einenge, den Gedemütigten beizustehen, auf Versöhnung zu hoffen, die Chancen  gewaltfreier Lösungen wahrzunehmen und Vertrauen neu einzuüben.

Predigt im Wortlaut

Landesbischof Johannes Friedrich, Evangelisch-Lutherische Kirche in Bayern
Karfreitagspredigt „Sich einsetzen für ein menschenwürdiges Leben", 9. April 2004, 10 Uhr, Münchner St.-Matthäuskirche,

In seiner Karfreitagspredigt, die vom bayerischen Rundfunk übertragen wurde, hat Landesbischof Johannes Friedrich zu Solidarität und Engagement für die Mitmenschen aufgerufen. In einer Zeit, in der Egoismus großgeschrieben werde, in der die meisten Menschen vor allem an sich selbst und nur wenig an andere dächten, in der Solidarität kein bestimmendes Thema sei, mache die Offenbarung der Liebe Gottes im Kreuz Jesu deutlich, dass es zum Leben gehöre, füreinander einzustehen. Jesus habe die Menschen so geliebt, dass er bereit war, für sie einzustehen, selbst wenn dies Leiden, ja selbst wenn es seinen Tod bedeutete. „Weil Gott, wie wir es Ostern feiern werden, Sieger über den Tod ist, wissen wir: Gott will das Leben, unser Leben bis zuletzt“, so der Landesbischof.

Darum dürften und sollten sich alle, wo immer sie können, dafür einsetzen, „dass auch andere menschenwürdig leben können: Menschen, die bei uns ohne Arbeit sind oder ohne Wohnung, Menschen, die von einer Sucht gepackt sind, Menschen die als Ausländer bei uns leben, Flüchtlinge, Menschen im ehemaligen Jugoslawien oder im Irak, Überlebende des Massakers in Ruanda.“

Predigt im Wortlaut

Landesbischof Gerhard Maier, Evangelische Landeskirche in Württemberg
Karfreitagspredigt "Das Kreuz nicht wegerklären", 9. April 2004, 9.30 Uhr, Mutterhauskirche der Diakonieschwesternschaft in Herrenberg

Versöhnung steht im Mittelpunkt der Karfreitagspredigt von Landesbischof Gerhard Maier. Voraussetzung für Versöhnung, ob in der Familie, im Wirtschaftsleben oder unter Völkern, sei die Versöhnung mit Gott, sagte Landesbischof Gerhard Maier in seiner Predigt. „Versöhnung geschah durch den gekreuzigten Jesus. Wir dürfen das Geheimnis des Kreuzes nicht auflösen oder rationalistisch wegerklären, sondern sollten es als Geheimnis stehen lassen“, so Maier weiter. Versöhnte Menschen hätten eine Botschaft für die Welt: „Der Gott, den wir durch Christus kennen lernen, ist bereit, der Gott eines jeden Menschen zu werden. Dies geschieht nicht automatisch, sondern durch den Glauben.“

Bischof Martin Hein, Evangelische Kirche von Kurhessen-Waldeck
Karfreitagspredigt "Die Botschaft des Karfreitags lautet Versöhnung", 9. April 2004, 10 Uhr, Kasseler Martinskirche

Die Botschaft des Karfreitags und des Kreuzes Jesu lautet Versöhnung. Dies sagte Bischof Martin Hein in seiner Predigt am Karfreitag. Heute wie zur Zeit Jesu herrsche breite Hilflosigkeit angesichts des menschlichen Leides, wo und wie immer es sich zeige, konstatierte Hein in seiner Predigt. Das Leiden und Sterben Jesu lasse sich allerdings nicht angemessen interpretieren, wenn man es rein innerweltlich auffasse. Dann wäre es geschichtlich verwechselbar und könnte wie alles Leid auf Erden lediglich Mitgefühl wecken.

Für den christlichen Glauben bedeute das Kreuz Christi ungleich mehr. Es gehe darum, im Kreuz Jesu die Paradoxie zu erkennen: Durch den Tod eines Einzelnen sei Gottes Heil in die Welt gekommen. Mit dem Tod Jesu habe zugleich der Gedanke des Opfers sein endgültiges Ziel erreicht: Niemand dürfe nach dem Tod Jesu Menschenopfer fordern oder rechtfertigen. „Dies gilt für Religionen und Weltanschauungen, aber auch für Politik und Wirtschaft“, betonte Hein. Der Tod Jesu signalisiere vielmehr die endgültige Versöhnung zwischen Gott und Mensch. Davon gehe der Impuls aus, sich auch für Versöhnung zwischen Menschen einzusetzen, gleich welcher Nation oder Religion sie angehörten. Das Kreuz sei somit nicht Symbol der Gewalt, sondern bleibendes mahnendes Zeichen für Frieden und Versöhnung, erklärte der Bischof.

Bischof Hans Christian Knuth, Leitender Bischof der Vereinigten Evangelisch-Lutherischen Kirche Deutschlands (VELKD), Bischof der Nordelbischen Evangelisch-Lutherischen Kirche

Gedanken zum Karfreitag 2004

Bischof Hans Christian Knuth lässt sich in einer Karfreitags-Meditation inspirieren durch den Akzent auf dem Thema „Gewalt“: Der Film „Die Passion Christi“ von Mel Gibson habe drastisch die Gewaltförmigkeit der politischen Lebensverhältnisse im damaligen Israel ins Bewusstsein gehoben und die Dimension der Gewalttätigkeit und Brutalität im Passionsgeschehen in Erinnerung gerufen.

Unter diesem Aspekt werde das Kreuz Christi zu einem „Symbol der Gewaltlosigkeit“: „Jesus selbst erfährt die Gewalt, vor der er andere schützt. Der Gewaltlose zieht immer wieder die Gewalt auf sich, die er für andere zu verhindern sucht.“ Indem Jesus die Gewalt erleide, setze er dem alten Mechanismus der Gewalt ein anderes Leben entgegen.

„In unserer Zeit, die von brutaler Gewalt und Gegengewalt gezeichnet ist“, so Bischof Knuth, „ist dieser Zugang zu Jesus von einzigartiger Bedeutung. Unsere Welt wird in einem Blutbad versinken, wenn es nicht Menschen wie Jesus gibt, die auf Gewalt mit Gewalt-Losigkeit reagieren.“ Mahatma Gandhi, Martin Luther King, Dag Hammerskjöld und andere seien – wie Jesus – zu Opfern der Gewalt geworden, weil sie sich der Gewalt widersetzten. „Und gerade so haben sie den Segen des Kreuzes weitergetragen: in ihrem wie in dem Leben und Sterben Jesu wird er lebendige Grund gelegt für eine Welt, in der der ewige Kreislauf Gewalt zeugender Gewalt unterbrochen ist und der Friede Gottes aufleuchtet, nach dem alle Kreatur sich sehnt.“

Das Kreuz als die Vollendung der Gewaltlosigkeit und als das Ende der Gewalt sei ein „neuer Aspekt in unserer Karfreitagsfrömmigkeit“, so Bischof Knuth. Er setze die anderen, die vertrauten Aspekte, nicht außer Kraft, aber er ergänze sie auf eine zeitgemäße Weise.

Hannover, 09. April 2004

Pressestelle der EKD
Zusammenstellung:
Silke Fauzi
Anita Hartmann