Gemeinsam mit Grenzen leben

Evangelische und katholische Kirche laden zur „Woche für das Leben 2009“ ein

Mit einem Appell, Grenzen im menschlichen Leben zu akzeptieren, haben der Ratsvorsitzende der Evangelischen Kirche in Deutschland (EKD), Bischof Wolfgang Huber und der Vorsitzende der Deutschen Bischofskonferenz, Erzbischof Robert Zollitsch, heute in Berlin zur „Woche für das Leben“ eingeladen, die vom 25. April bis 2. Mai stattfindet. Auch wenn in der Gesellschaft häufig nur der Leistungsgedanke zähle, werde häufig vergessen, dass es den perfekten Menschen nicht gebe. „Menschsein bedeutet: Grenzen haben“, so Bischof Huber und Erzbischof Zollitsch.

Das Leitwort der diesjährigen Woche für das Leben heißt „Gesund oder krank – von Gott geliebt. Gemeinsam mit Grenzen leben“. Bischof Huber forderte dazu auf, Menschen mit Behinderung nicht auszugrenzen: „Mangelnde Teilhabe gehört zu den großen Problemen unserer Gesellschaft, und wir werden darauf zu achten haben, dass sich die Kluft im Zuge der jetzigen Wirtschafts- und Finanzkrise nicht vertieft. Gerade in einer solchen Krisenzeit ist besonders darauf zu achten, dass bei künftigen Sparmaßnahmen nicht die Mobilität und ärztliche Versorgung behinderter Menschen eingeschränkt wird, dass die Hilfen für Demenzkranke verbessert werden, Blinde auch weiterhin die nötige Unterstützung finden und sofort.“

Mit Blick auf die Forschung erinnerte Erzbischof Zollitsch an die ethische Verantwortung. „Wir würden es uns zu einfach machen, in eine prinzipielle Verurteilung unseres derzeitigen Gesundheitssektors zu verfallen und zugleich die medizinischen Errungenschaften stillschweigend zu genießen. Denn wo Forschung und Medizin die von Gott geschenkte Würde des Menschen achten und dem Leben dienen, haben sie unsere Unterstützung. Wo der Mensch nicht auf seine Arbeitskraft im Wirtschaftsprozess reduziert und Kranke nicht zu einem Kostenfaktor im Gesundheitssystem herabgewürdigt werden, wissen wir die Medizin sehr zu schätzen“, so Zollitsch. Das jüdisch-christliche Menschenbild verpflichte allerdings dazu, dort die Stimme zu erheben, „wo grundsätzlich die Begrenztheit menschlichen Lebens nicht mehr akzeptiert wird, wo die berechtigte Sorge um Gesundheit das Maß verliert und sich in einem medizinisch-biotechnischen Machbarkeitswahn steigert. Christen haben ihr Vorbild im Handeln Jesu.“

Erzbischof Zollitsch und Bischof Huber erinnerten an die menschlichen Erfahrungen von Grenzen, vor allem in Krankheit und Alter. Das Jahresmotto der Woche für das Leben wolle dafür sensibel machen. „Die Erfahrung einer Krankheit oder die Begegnung mit Pflegebedürftigen machen uns unsere eigenen Grenzen oft schneller klar, als wir sie im Alltag wahrhaben wollen und als es uns viele Hochglanzmagazine und Casting-Shows vorgaukeln“, sagte Erzbischof Zollitsch. Bischof Huber betonte: „Es ist Hochmut, wenn wir glauben, unser Leben nach den eigenen Wünschen gestalten können. Es ist Arroganz, wenn wir übersehen, welche Anstrengungen diese Ideologie denen abverlangt, die ihre Grenzen sehr früh erfahren haben.“

Bischof Huber sprach sich dafür aus, das „Du gehörst dazu“ gegenüber Menschen mit Behinderungen in der Gesellschaft mit neuem Leben zu erfüllen: „Wichtige Schritte beginnen in Kindergärten, Schulen und Kirchengemeinden. Zu ihnen gehören Gottesdienste und Gruppenangebote, die im wahrsten Sinne des Wortes ,niedrig-schwellig’ sind. Vom Kern des christlichen Glaubens, nämlich vom Blick auf den leidenden Christus aus, wollen wir zu einer Haltung beitragen, die sich von Einschränkungen nicht erschrecken lässt.“

„Wir möchten darauf hinweisen, dass wir nicht dabei stehen bleiben müssen, über unsere Begrenztheiten zu klagen. Wir haben ein gut ausgebautes Gesundheitssystem. Aber die gute institutionelle Ausstattung reicht nicht aus, vielleicht immer weniger. Es braucht eine ausgewogene Balance zwischen der technisch versierten und qualifizierten Fachkraft und dem menschlich-verständnisvollen Pflegepersonal“, so Erzbischof Zollitsch. Die Kirchen unterhielten ein Netzwerk, um ein „Miteinander von krank und gesund, behindert und nicht-behindert zu ermöglichen und zu fördern.“

Die Woche für das Leben geht auf eine Initiative der Deutschen Bischofskonferenz und des Zentralkomitees der deutschen Katholiken 1991 zurück. Seit 1994 wird die Woche für das Leben gemeinsam mit dem Rat der Evangelischen Kirche in Deutschland ausgerichtet. Mit der Woche für das Leben leisten die evangelische und katholische Kirche einen wichtigen Beitrag zur Bewusstseinsbildung für den Wert und die Würde des menschlichen Lebens. Die diesjährige Woche für das Leben findet vom 25. April bis 2. Mai 2009 statt und wird mit einer zentralen Feier am 25. April 2009 in Lüneburg eröffnet.

Hannover / Berlin, 30. März 2009

Pressestelle der EKD
Reinhard Mawick