Mitten unter uns – Zeichen des Lebens

Karfreitagsbotschaft des Vorsitzenden des Rates der EKD, Bischof Wolfgang Huber, im Wortlaut:

„O Haupt voll Blut und Wunden, voll Schmerz und voller Hohn, o Haupt, zum Spott gebunden mit einer Dornenkron, o Haupt, sonst schön gezieret mit höchster Ehr und Zier, jetzt aber hoch schimpfieret, gegrüßet seist du mir.“ So klingt es in einem der bekanntesten Karfreitagslieder, das in vielen Gottesdiensten am Karfreitag angestimmt wird. Der Text des protestantischen Dichters Paul Gerhardt, an dessen 400. Geburtstag wir im kommenden Jahr erinnern werden, zeichnet die Grausamkeit des Todes Jesu nach. Christen gehen auf dem Weg zum Kreuz mit ihm – auf der via dolorosa, auf der er sein Kreuz trug. Sie stehen bei seinem Kreuz – von Blut überströmt wie schon der Platz, auf dem er gegeißelt wurde. Am Karfreitag wurde Jesus von Nazareth das Opfer einer schrecklichen Hinrichtung; die grausamste Art von Todesstrafe, die man in jener Zeit kannte, wurde an ihm vollzogen.

Doch das Besondere dieses Sterbens liegt nicht in der Grausamkeit seines Todes, auch nicht in der Menge der ertragenen Schläge oder der durchgestandenen Quälerein. Worauf es ankommt, ist, dass Gott in Christus die Welt mit sich selber versöhnt. Mit seinem schuldlosen, gewaltsamen Sterben am Kreuz richtet Jesus unter uns das Wort von der Versöhnung auf. Darauf kommt es am Karfreitag an. Durch ihn wird das Kreuz zum Zeichen der Versöhnung. So deutet es der Apostel Paulus, der erste Theologe des Kreuzes: "Gott war in Christus und versöhnte die Welt mit sich selber und rechnete ihnen ihre Sünden nicht zu und hat unter uns aufgerichtet das Wort von der Versöhnung."

Seit diesem grausamen Tod am Kreuz gibt es keinen denkbaren Ort im Leben und im Sterben, in den Gottes Verheißung nicht reichen könnte. Die Rütli-Schule in Berlin-Neukölln oder die unversöhnlichen Kontrahenten im Nahen Osten: Sie alle rücken ins Licht der Versöhnung. Die Botschaft des Karfreitag heißt: Wir können uns dem anvertrauen, der für unsere Versöhnung gestorben ist. Deshalb kapitulieren wir nicht, wo ideologischer Starrsinn das Denken einengt oder Gewalt zur Alltäglichkeit wird. Wer den Gekreuzigten erkannt hat wie der römische Hauptmann unter dem Kreuz, wer mit diesem Hauptmann in dem Gekreuzigten Gottes Sohn erkennt, der hofft auf Versöhnung, nimmt die Chancen gewaltfreier Lösungen wahr und übt Vertrauen neu ein. Mitten unter uns steht das Todesinstrument des Kreuzes als Zeichen des Lebens. Mitten unter uns steht es als Zeichen der Versöhnung.

Für die Richtigkeit

Hannover / Berlin, 12. April 2006

Pressestelle der EKD
Christof Vetter