Huber: Tschernobyl verträgt keinen Schlussstrich

„Option für das Leben ergreifen“

Die „unzweideutige Option für das Leben“ zu ergreifen hat der Vorsitzende des Rates der Evangelischen Kirche in Deutschland (EKD), Bischof Wolfgang Huber, angesichts der Gefahren der Atomenergie gefordert. In einem Gedenkgottesdienst anlässlich des 20. Jahrestages der Reaktorkatastrophe in Tschernobyl wies Huber in der Kaiser-Wilhelm-Gedächtnis-Kirche in Berlin auf die Gefahr hin, dass zivile Nutzung der Kernenergie in militärische Nutzung übergehen könnte. „Das provozierende Zurschaustellen von waffenfähigen Kernbrennstoffen in Iran brennt uns solche Fragen ins Bewusstsein.“

Der Ratsvorsitzende verband in seiner Predigt die Erinnerung an die Geschehnisse in der Ukraine vor zwanzig Jahren mit der Geschichte von Marta, die um ihren Bruder Lazarus trauert. Solche Trauer mache auch vor engen Wegbegleitern Jesu nicht halt – doch Marta habe ihre Trauer Jesus direkt ins Gesicht gesagt. „Marta will Taten sehen.“ Jesus sei selber durch die „Fratze des Todes“ hindurchgegangen, erklärte Huber. Mit ihm sei die Gottesgewissheit in die Welt gekommen. Denn Gottes Geschichte mit den Menschen ende nicht mit dem Tod. „Von dieser Gewissheit lassen wir uns tragen.“ Diese Gewissheit fordere aber auch dazu heraus, Verantwortung für das zu übernehmen, was dem Leben diene.

Marta sei mit ihren Fragen an Jesus eine „Anwältin der Glasnost, der zuverlässigen Information und der klaren Handlung.“ Vor dem Leben der jetzigen und künftiger Generationen sei es „viel zu kurz gedacht, lediglich das Menschenmögliche an Sicherheitsstandards in Kernkraftwerken zu etablieren.“ Die angemessene Lehre aus dem Unglück vor 20 Jahren sei Demut. „Die Katastrophe von Tschernobyl hat uns die tödliche Dimension des Begriffs Restrisiko spüren lassen.“ Huber betonte die Notwendigkeit, Energie zu sparen. „Noch immer hat sich nicht durchgesetzt, dass Energiesparen zu den wichtigsten Energiequellen gehört.“

Noch heutzutage litten Menschen unter den Folgen der Reaktorkatastrophe. „Sie stehen mit ihrem Leben dafür, dass die Katastrophe vor zwanzig Jahren keinen Schlussstrich in der Stille verträgt“. Es gelte vielmehr, auf allen Ebenen die Option für das Leben zu suchen und zu ergreifen. „Denn die Botschaft von Ostern verstummt niemals. Sie gibt neue Hoffnung.“

Hannover, 26. April 2006

Pressestelle der EKD
Silke Fauzi

Die Predigt im Tschernobyl-Gedenkgottesdienst