Grußwort zum 60. Geburtstag von Landesbischof Dr. Christoph Kähler

EKD-Ratsvorsitzender Bischof Wolfgang Huber

Am 10. Mai 2004 in Eisenach

„Der Herr, unser Gott, sei uns freundlich und fördere das Werk unsrer Hände bei uns. Ja, das Werk unsrer Hände wollest du fördern!“ – so lautet die Herrnhuter Losung aus Psalm 90,17 für den heutigen Tag, den Tag des 60. Geburtstags von Landesbischof Dr. Christoph Kähler. Dieser an Gott gerichteten Bitte entspricht die Einladung des Apostels Paulus, die dem Psalmwort als neutestamentlicher Lehrtext beigefügt ist: „Lasst uns Gutes tun und nicht müde werden; denn zu seiner Zeit werden wir auch ernten, wenn wir nicht nachlassen.“ (Galater 6,9 )

Im Licht solcher biblischer Vorgaben ist das Fest zum 60. Geburtstag für einen Bischof, erst recht für diesen Bischof, nur ein Atemholen, eine Zeit zum dankbaren Rückblick, der wieder kräftigt für den Blick nach vorn. Aber Zeit für dieses Atemholen muss schon sein – erst recht für jemanden, der auf so vielen Baustellen zugleich tätig ist. Mein Dank richtet sich ganz besonders an den stellvertretenden Vorsitzenden des Rates der EKD, der damit zugleich auch stellvertretender Vorsitzender der Kirchenkonferenz ist. Aber ich denke auch an die wichtigen Funktionen, die Christoph Kähler in der Vereinigten Evangelisch-Lutherischen Kirche Deutschlands wahrnimmt. Und ganz besonders denke ich an den Bischof, der im Kreis der Leitenden Geistlichen im deutschen Protestantismus eine wichtige, unverkennbare Stimme hat.  In Thüringen wie über Thüringen hinaus sehen viele eine gute Fügung und ein Zeichen der Freundlichkeit Gottes darin, dass es diesen Bischof gibt.

Das Besondere an der Art und Weise, in der Christoph Kähler das Amt geistlicher Leitung wahrnimmt, ist durch das Kolloquium, das wir gerade miterlebt haben, in eindrucksvoller Weise deutlich gemacht worden. Geistliche Leitung geschieht in der evangelischen Kirche aus der Bibel heraus. Die biblische Botschaft bietet die Grundlage dafür. Es ist ein Glücksfall für unsere Evangelische Kirche insgesamt, dass ein Gelehrter des Neuen Testaments, ein Lehrer der biblischen Theologie über Jahrzehnte hinweg, sich zum Übergang in das Bischofsamt bereit gefunden hat. Wie andere vor ihm setzt er damit einen Akzent, den wir dringend brauchen.

Christoph Kähler nutzt beispielsweise die Bischofsberichte an seine Synode bewusst zu theologischen Klärungen, die unmittelbar aus dem Gespräch mit der biblischen Botschaft geschöpft sind. Mit Weitsicht wählt er dafür die Themen aus. „Segen“ oder „Bekenntnis“ waren in der jüngsten Vergangenheit zwei Beispiele dafür, wie sich die Zuwendung zu zentralen biblischen Zusammenhängen mit der Wegweisung zu aktuellen Existenzfragen der Kirche verbindet.

Wer mit Leib und Seele Lehrer ist, hat die Tugend der Geduld gelernt und weiß, wann er solche Geduld auch der eigenen Ungeduld abringen muss. Denn Leitung in der evangelischen Kirche hofft und setzt auf eigene Einsicht. Auch in diesem Sinn gehören Bibel und Bildung im evangelischen Kirchenverständnis zusammen. Die Mündigkeit des Christen, auf die wir hoffen und die wir in Anspruch nehmen, ist eine biblisch begründete Urteilsfähigkeit. Dass sie den Weg unserer Kirche bestimmt, ist gerade heute nötig. Christoph Kähler trägt dazu Wichtiges bei.

Der in Freiberg geborene Sachse ist als Theologe in Thüringen heimisch geworden, vor allem durch die langen Studien- und Lehrjahre in Jena. Aber zuvor hatte er den Beruf des Elektromonteurs gelernt. Er weiß, wie wichtig es ist, dass Kontakte funktionieren, dass der Stromkreislauf im Gang ist, auch dass die Sicherungen nicht durchbrennen. Den Prozess, der zur Konföderation zwischen den Landeskirchen von Thüringen und der Kirchenprovinz Sachsen geführt hat, hat er sich schnell zu eigen gemacht und auf seine ruhige und beharrliche Weise gefördert. Der Strukturwandel, den wir für die Evangelische Kirche in Deutschland und ihre gliedkirchlichen Zusammenschlüsse ins Auge gefasst haben und bis zum Jahr 2007 zum Abschluss bringen wollen, hat in ihm einen erfahrenen Moderator. Erfahren ist er auch deshalb, weil er Leitungsverantwortung nicht nur im kirchlichen Bereich wahrgenommen hat. Er hat den Wandel des Theologischen Seminars in Leipzig zur Kirchlichen Hochschule und deren Zusammenführung mit der Leipziger Theologischen Fakultät miterlebt. An der Universität Leipzig selbst hat er von 1997 an das Amt eines Prorektors für Lehre und Studium innegehabt. Das ist eines der Ämter, in denen man den Strukturwandel der deutschen Universitäten spüren und auch ihre strukturellen Schwächen besonders deutlich erleben kann. Von daher hat Christoph Kähler ein klares Bewusstsein für das Gewicht von Strukturen. Aber zugleich gehört er zu denen in unserer Kirche, die für eine Verselbständigung von Strukturdebatten nicht zu haben sind. Denn die Veränderung von Strukturen besitzt keinen Wert in sich selbst. Sie dient dazu, dass wir unseren Auftrag als Kirche besser und wirkungsvoller wahrnehmen, in der Treue zur biblischen Botschaft und in der Nähe zu den Menschen – und vor allem: im Vertrauen auf den lebendigen Gott.

Es gibt gewiss auch noch ganz andere Seiten an Christoph Kähler, die ich jetzt nicht einmal andeuten kann – den intensiven Bezug zu seiner Familie etwa, seiner Frau, den Kindern und Enkelkindern. Manche Seiten werden mir in der nahen und freundschaftlichen Zusammenarbeit noch gar nicht bewusst geworden sind, die sich zwischen uns sehr schnell und mühelos entwickelt hat. Auf die Fortsetzung freue ich mich; und mit mir freuen sich viele darauf und erbitten Gottes gutes Geleit für den gemeinsamen Weg.

Wie dieser Weg aussehen kann, hat mir ein für Christoph Kähler typischer Vorgang bildhaft deutlich gemacht. Nach der knappen Abstimmung zur Konföderation in der thüringischen Landessynode hat er nicht etwa das Hochzeitslied von Klaus Peter Hertzsch ‚Vertraut den neuen Wegen’ singen lassen; er fühlte sich vielmehr an seinen Konfirmationsspruch erinnert: „Befiehl dem Herrn deine Wege und hoffe auf ihn, er wird’s wohl machen.“ In Paul Gerhardts Lied zu diesem Psalmwort konnten sich auch die einbezogen wissen, die in der Entscheidung der Synode unterlegen waren. So bleibt man miteinander auf dem Weg.

Herzliche Segenswünsche für den weiteren Weg dieses Bischofs, der Bibel und Bildung zusammenhält, der geistliche Tiefe und theologische Klarheit verbindet, der seine ordnende Hand einsetzt, damit die Menschen in unserer Kirche die Freiheit des Evangeliums erfahren und leben können. Ich bin von Herzen froh darüber, dass sich unsere Wege getroffen haben.

Weil es für Gott nichts Wichtigeres als das Glück und das Heil seiner Geschöpfe gibt, darum darf an einem solchen Tag getrost der Mensch in den Mittelpunkt gerückt werden, dessen Leben um einen Jahresring reicher geworden ist. Und alle, die Anteil an diesem Reichtum haben, dürfen sich mit ihm darüber freuen, dass Gott zum Gelingen seines Lebens und zum Gedeihen seiner Arbeit kräftig beiträgt. Auch so geschieht dies, wie Klaus Peter Hertzsch es in seiner großartigen Jona-Nachdichtung beschrieben hat. Und mit dieser Anleihe bei einem anderen thüringischen Lehrer der Theologie, einem biblischen Zitat der besonderen Sorte, möchte ich schließen:

„Und Gott, der seinen Weg schon kannte,
sah lächelnd zu, wie Jona rannte.“

Hannover/Eisenach, 10. Mai 2004

Pressestelle der EKD