"Blinde sehen das Unsichtbare"

100 Jahre evangelische Blinden- und Sehbehindertenseelsorge

Blinde und sehbehinderte Menschen müssten besser am gesellschaftlichen Leben teilnehmen können, forderte der stellvertretende Synoden-Präses der Evangelischen Kirche in Deutschland (EKD), Michael Schibilsky, am Sonntag, den 16. Mai, in Wernigerode im Harz. Bei einer Festveranstaltung anlässlich des 100jährigen Jubiläums Evangelischer Blinden- und Sehbehindertenseelsorge in Deutschland wies Schibilsky darauf hin, dass in den vergangenen 100 Jahren vieles erreicht worden sei. Es müsse aber noch mehr geschehen, "damit Teilhabe wirklich möglich bleibt und noch verstärkt wird".

"Blinde sehen das Unsichtbare." Diese für Sehende geradezu unheimliche Begabung habe er im Umgang mit blinden und sehbehinderten Menschen festgestellt, sagte Schibilsky in seiner Predigt im Festgottesdienst  in der Stiftskirche St. Sylvestri. "Darin sind Sie mir in diesen Tagen Lehrerinnen und Lehrer des Glaubens geworden." Es sei bemerkenswert, dass auch Menschen, die sehen können, beim Beten die Augen schlössen. "Wir nehmen Gottes Nähe offenbar genauer wahr, wenn wir uns nicht durch den Blick nach außen ablenken lassen."

Fünf blinde Christen hatten im Jahr 1904 die "Gesellschaft für christliches Leben unter den deutschen Blinden" gegründet. Vorrangiges Ziel war die Versorgung von Blinden mit christlicher Literatur. Bereits Anfang der 30er Jahre lag die gesamte Bibel in Blindendruck vor. In Wernigerode betreibt der "Evangelische Blinden- und Sehbehindertendienst in Deutschland e.V." (ESB) bis heute die einzige evangelische Blindenschriftdruckerei im deutschsprachigen Raum, eine Leihbücherei für Blinde sowie ein Blindenerholungsheim.

Mit seiner Arbeit erschließe der Verband neue Sichtweisen für die Verkündigung des Evangeliums, sagte Katarina Schubert, Referentin für Seelsorge, Ämter und Dienste im Kirchenamt der EKD, in einem Grußwort. Es ginge nicht allein darum, blinden und sehbehinderten Menschen zu helfen, sondern "mit ihnen gemeinsam zu leben und von ihnen zu lernen." Sie würdigte besonders den Einsatz des ESB für einen barrierefreien, also behindertengerechten Zugang zum Internet. Sie freue sich sagen zu können, dass die Internetarbeit der EKD in der Umsetzung der Barrierefreiheit "eine Vorreiterrolle in Deutschland" einnehme.


Hannover, 17. Mai 2004

Pressestelle der EKD     
Silke Fauzi

Predigt im Wortlaut