Wolfgang Huber: Absage an den „Geist des Habenwollens“

Bericht des Ratsvorsitzenden vor der EKD-Synode in Würzburg

Der Ratsvorsitzende der Evangelischen Kirche in Deutschland (EKD), Bischof Wolfgang Huber, hat eine „bewusste politische Gestaltung der Marktwirtschaft“ gefordert. In seinem Ratsbericht vor der Synode der EKD in Würzburg mahnte er „neue Regelungen und Instrumente“ an, damit eine „politisch und sozial gebändigte Marktwirtschaft“ dem „Gebot der Nachhaltigkeit“ genügen könne. Dabei sei das „Einfordern sozialer Verantwortung wichtiger als die Ankündigung sozialer Unruhen.“ Außerdem habe die „Verantwortung für den Erhalt und die Schaffung neuer Arbeitsplätze höchste Priorität“.

Huber kritisierte den herrschenden Zeitgeist als „Geist des Habenwollens“. Dieser verlocke zu einem Wettrennen um die günstigsten Angebote und die schnellsten Erträge. Der „Geist des Habenwollens“ suggeriere, auch unabschätzbare Risiken hinzunehmen und erkläre die wachsende Kluft zwischen Arm und Reich „zu einer unvermeidlichen Bedingung wirtschaftlicher Dynamik“.

Huber warnte zudem vor einem drohenden Pflegenotstand in Deutschland: „Innerhalb von wenigen Jahrzehnten wird sich die Zahl der in Deutschland notwendigen Pflegeplätze verdoppeln. Aber wer wird pflegen?“ Huber kritisierte die mangelnde gesellschaftliche Anerkennung pflegerischer Berufe und ihre damit verbundene geringe Entlohnung.

Huber rief trotz aller Besorgnis zur Zuversicht: „Wenn wir auf die wirtschaftliche Krise mit einem Geist der Solidarität, der Zuwendung und der Nachhaltigkeit reagieren, dann zeigt sich in der Krise wirklich eine Chance.“

Zur Friedensfrage führte der Ratsvorsitzende aus, dass „wir als Christen an der vorrangigen Option für die Gewaltfreiheit“ festhielten: „Wir haben als evangelische Kirche den ‘gerechten Frieden‘ als Leitgedanken unserer Friedensethik anerkannt. Wir folgen bei der Prüfung der äußersten Situationen, in denen es zum Einsatz militärischer Gewalt keine Alternative gibt, nicht einer Doktrin des gerechten Krieges, sondern halten uns an die Kriterien einer Ethik der rechtserhaltenden Gewalt.“ Huber gab zu bedenken: „Dass Soldaten im Auslandseinsatz ihr Leben riskieren, macht uns ratlos und bestärkt die Zweifel an dem eingeschlagenen Weg, aus dem es doch keinen einfachen Ausstieg gibt.“ Der Tod eines Soldaten bei einem Anschlag am vergangenen Mittwoch in Afghanistan habe erneut in dramatischer Weise die möglichen Folgen eines Militäreinsatzes vor Augen geführt, so der Bischof.

Ausführlich erinnerte der Ratsvorsitzende an die Barmer Theologische Erklärung von 1934, deren 75. Jahrestag in diesem Monat gedacht wird. Mit dieser Erklärung hätten sich reformierte und lutherische Einflüsse im deutschen Protestantismus in einer neuen Weise miteinander verbunden, so Huber.

Vor dem Hintergrund dieses Gedenkens begrüßte der Bischof die Tatsache, dass in Würzburg erstmals verbundene Tagungen von EKD-Synode, Vollkonferenz der Union Evangelischer Kirchen (UEK) und Generalsynode der Vereinigten Evangelisch-Lutherischen Kirche Deutschlands (VELKD) stattgefunden haben: „Wir beherzigen die Einsicht, dass das Achten auf die unterschiedlichen Traditionsströme der Reformation unsere Gemeinsamkeit nicht behindert, sondern uns im gemeinsamen Zeugnis bestärkt, ja beflügelt.“

In diesem Zusammenhang würdigte der Ratsvorsitzende ausdrücklich den Reformprozess der EKD und seine zahlreichen Aktivitäten in den vergangenen Jahren. Er machte aber deutlich, dass „der eigentliche Aufbruch der Kirche“ darin bestehe, „dass wir Gottes Geist zum Zuge kommen lassen.“


Hannover / Würzburg,  02. Mai 2009

Pressestelle der EKD
Reinhard Mawick