"Jahresringe der Seele"

Eröffnungsgottesdienst der EKD-Synode

Mit einem Gottesdienst in Leipzig ist am Freitag, den 23. Mai, die konstituierende Sitzung der 10. Synodaltagung der Evangelischen Kirche in Deutschland (EKD) eröffnet worden. Landesbischof Volker Kreß von der gastgebenden Evangelisch-Lutherischen Landeskirche Sachsens lud in seiner Predigt in der Peterskirche die Synodalen ein, in Anlehnung an das Schwerpunktthema der Tagung "vor aller auf uns zukommenden Arbeit unserer eigenen Seele Raum zu geben".

Neben den Wahlen des Präsidiums und der Neubesetzung der ständigen Ausschüsse werde sich die Synode bei ihrer dreitägigen Sitzung auch mit dem "beinahe altmodischen Wort" der Seele beschäftigen, so der Landesbischof unter Verweis auf das Sachthema "Der Seele Raum geben - Kirchen als Orte der Besinnung und Ermutigung". Für ihn sei die Seele eine "vielschichtige, aber in jedem Fall lebendige Wirklichkeit", die den Menschen in Verbindung bringe mit Gottes Lebensatem.

Im Matthäusevangelium warne Christus: "Was hülfe es dem Menschen, wenn er die ganze Welt gewönne und nähme doch Schaden an seiner Seele?" Obwohl man sofort wisse, was gemeint sei, müsse man ehrlicherweise zugeben: "Wir wollen sehr wohl die Welt gewinnen und das Leben in den Griff bekommen". Das Leben solle glatt gehen und Spaß machen und "ohne dumme Zwischenfälle" möglichst lange dauern.

Wachstumsraten und Konsumsteigerung seien betonte Ziele unserer Gesellschaft, die versprächen, dass das Leben tatsächlich in den Griff zu bekommen sei. "Was aber hat sich der liebe Gott gedacht, als er uns seinen Atem einblies?" fragte Kreß. Wie verhält es sich mit dem Wunsch nach gelingendem Leben und dem Versuch, die eigene Seele vor Schaden zu schützen? Kreß wendet sich gegen die "Tyrannei des gelingenden Lebens". In unserer "Welt des Machens" erinnere das Jesuswort vom Nichtverlieren der Seele daran, dass eben nicht alles machbar sei. Der Versuch, das Leben in den Griff zu bekommen, dürfe nicht dazu führen, "dass wir nicht mehr schwach und hilfebedürftig sein können". Es gebe doch Leben, das nicht gelänge. "Aber gerade Zeiten, wo das Leben nicht gelingt, sind voller tiefer Erfahrungen Gottes".

"Es muss in der Seele etwas geben, ähnlich den Jahresringen der Bäume", zitierte der sächsische Landesbischof den Schriftsteller Gerhard Hauptmann. Da gebe es dicke und dünne Jahresringe, die von fruchtbaren und von dürren Jahren zeugten. "Aber dazwischen vollzieht sich das Geheimnis des uns geschenkten Lebens. Und die dünnen Jahresringe sind möglicherweise sogar die aus dem besseren Holz."

Leipzig, den 22. Mai 2003
Pressestelle der EKD
Silke Fauzi

Predigttext im Wortlaut