„Vom Konflikt zur Gemeinschaft“

Catholica-Beauftragter der VELKD würdigt gemeinsame Studie von Lutherischem Weltbund und Päpstlichem Einheitsrat

Der Catholica-Beauftragte der Vereinigten Evangelisch-Lutherischen Kirche Deutschlands (VELKD), Landesbischof Prof. Dr. Friedrich Weber (Wolfenbüttel), hat das von der gemeinsamen Dialogkommission von Lutherischem Weltbund (LWB) und Päpstlichem Einheitsrat herausgegebene Dokument „Vom Konflikt zur Gemeinschaft: Gemeinsames lutherisch-katholisches Reformationsgedenken im Jahr 2017“ (englischsprachiger Originaltitel: „From Conflict to Communion: Lutheran-Catholic Common Commemoration of the Reformation in 2017”) begrüßt und eine erste Stellungnahme dazu abgegeben. Diese hat folgenden Wortlaut:

Heute wurde das Dokument der Internationalen Lutherisch/Römisch-katholischen Kommission unter dem Titel „Vom Konflikt zur Gemeinschaft“ der Öffentlichkeit zugänglich gemacht. Welche Bedeutung dieses Dokument für den Lutherischen Weltbund (LWB) und den Päpstlichen Rat für die Einheit der Christen hat, wird daran deutlich, dass Generalsekretär Martin Junge und Kurt Kardinal Koch gemeinsam das Dokument während der diesjährigen Ratstagung des LWB in Genf vorgestellt haben. Nach einer ersten Lektüre des Dokuments erscheinen mir besonders die folgenden Punkte für unser ökumenisches Miteinander bedeutsam und hoffnungsvoll:

1) Zu begrüßen ist, dass die Geschichte der lutherischen Reformation erstmalig gemeinsam von Lutheranern und Katholiken beschrieben wird. Es geht der Dialogkommission nicht darum, die Vergangenheit nachträglich umzudeuten, sondern vielmehr die Geschichte neu, nämlich gemeinsam zu erzählen. Die in den letzten Jahrzehnten gewachsenen Beziehungen erlauben es, das Vergangene nicht ausschließlich von den Abgrenzungen her zu erzählen und zu beurteilen, sondern sich auch der Perspektive des Anderen zu öffnen.

2) Vor einigen Jahren hat sich Kardinal Kasper darum verdient gemacht, den theologischen Ertrag der gemeinsamen Lehrgespräche der zurückliegenden 50 Jahre aus seiner römisch-katholischen Perspektive festzuhalten. Es ist ein großer Fortschritt, dass mit der Studie eine solche Bilanz wider das ökumenische Vergessen nun auch gemeinsam verantwortet vorliegt. Anhand der Themen von Rechtfertigung, Abendmahl, Amt sowie Schrift und Tradition wird dargestellt, was heute bereits gemeinsam zu den zentralen theologischen Anliegen Luthers  gesagt werden kann und welcher dif-ferenzierte Konsens auf dem Weg zu mehr Gemeinschaft erreicht werden konnte. Wie in keinem ökumenischen Dokument bislang konnte so die Theologie Luthers in ihrer Breite gemeinsam dar¬gestellt werden. Die Studie stellt somit reiches Material bereit, um über die Konfessionsgrenzen hinweg über die und mit der Theologie Luthers ins Gespräch zu kommen.

3) Hilfreich sind zudem die Überlegungen im Hinblick auf das Jahr 2017. Der gemeinsame Blick auf die Reformationsgeschichte macht für die Autoren der Studie – erstmals seit der Reformation – auch ein gemeinsames Gedenken möglich. Das Dokument verwendet dabei durchweg den Begriff „Gedenken“, um deutlich zu machen, dass sich die römisch-katholische Seite schwer tut, die Reformation, die eben auch zur Spaltung der westlichen Christenheit führte, zu feiern. Zugleich erkennt die katholische Seite aber an, dass lutherische Christinnen und Christen in 2017 nicht diese Kirchenspaltung feiern, sondern sich von Herzen dankbar zeigen für alles, was Luther und die anderen Reformatoren ihnen eröffnet haben und dass sie die Gaben der Reformation auch mit andern teilen wollen. Lutherischer Weltbund und Einheitsrat schlagen daher im Hinblick auf das Reformationsjubiläum vor, selbstkritisch die gegenseitigen Verfehlungen aneinander und an anderen zu bekennen, die gemeinsame Freude am Evangelium dankbar zum Ausdruck zu bringen, jene frohe Botschaft von Jesus Christus auch zu feiern und schließlich gemeinsam für die Einheit zu beten.

4) Im historisch orientierten Teil der Studie wird deutlich gemacht, dass die Reformationszeit immer auch eine Zeit der verpassten Chancen war und es nie zu einem wirklichen Dialog über die kontroversen Fragen kommen konnte. Dankbar nehmen die lutherischen Kirchen zur Kenntnis, dass dies heute fundamental anders ist. Die lutherisch/römisch-katholischen Beziehungen sind vertrauensvoll und intensiv. Echter Dialog und Annäherung sind möglich geworden. Daher hat die Kommission einen sehr treffenden und eindrücklichen Titel für ihr Dokument gewählt: „Vom Konflikt zur Gemeinschaft“. In der Tat sind wir auf dem Weg zur Gemeinschaft, ja durch unsere Taufe, dem „sakramentalen Band der Einheit“, sind wir bereits gemeinschaftlich verbunden. Das Dokument spricht von der „unmöglichen Möglichkeit“, dass wir in getrennten Gemeinschaften leben und dennoch zu dem einen Leib Christi gehören, und fährt fort: „Da sie zu dem einen Leib gehören, ringen Katholiken und Lutheraner angesichts ihrer Spaltung um die volle Katholizität der Kirche. Dieses Ringen hat zwei Seiten: Die Anerkennung  dessen, was ihnen gemeinsam ist und sie miteinander verbindet, und die Anerkennung dessen, was sie trennt. Das Erste ist Anlass zu Dankbarkeit und Freude; das Zweite ist Anlass für Schmerz und Klage“. Auf diesem Hintergrund ist es zu begrüßen, dass das Dokument einen ökumenischen Zugang zum Reformationsjubiläum eröffnet, der die Sorgen unserer römisch-katholischen Geschwister ernst nimmt und uns zugleich gemeinsam die reformatorischen Errungenschaften in Dankbarkeit und Freude feiern lässt.

5) Über eine erste Stellungnahme hinaus verdient das Dokument jedoch eine gründliche und breitgefächerte Bearbeitung. Ich freue mich daher, dass das Deutsche Nationalkomitee des Lutherischen Weltbundes den Catholica-Arbeitskreis der VELKD beauftragt hat, Ideen und Konzepte zu erarbeiten, wie auf den verschiedenen Ebenen des DNK/LWB und der VELKD weiter mit dem Papier gearbeitet werden kann und welche ökumenischen Impulse dadurch freigesetzt werden können. Dabei verdient es auch weitere Überlegungen und Anstrengungen, wie die fünf abschließenden Imperative in unseren Kirchen und Gemeinden mit Leben gefüllt werden können: immer von der Perspektive der Einheit und nicht der Spaltung ausgehen, mit Veränderungen durch die Begegnung rechnen, sich erneut zur Suche nach sichtbarer Einheit verpflichten, gemeinsam die Kraft des Evangeliums für unsere Zeit neu entdecken und gemeinsam der Welt Zeugnis für die Gnade Gottes geben. Wichtig ist aber auch, dass die anderen aus der Reformation hervorgegangenen Kirchen in diesen Prozess eingebunden werden.

Hinweis: Die deutschsprachige Ausgabe des Dokuments „Vom Konflikt zur Gemeinschaft“ erscheint im Laufe des Juli im Buchhandel. Der englische Text des Dokumentes „Vom Konflikt zur Gemeinschaft: Gemeinsames lutherisch-katholisches Reformationsgedenken in Jahr 2017“ kann unter der u. g. Internetadresse heruntergeladen werden.

Hannover, 17. Juni 2013

Gundolf  Holfert
stellv. Pressesprecher der VELKD