Kock zum evangelischen Schulwesen:

Stärkung des Einzelnen und wechselseitige Verantwortung

"Evangelische Schulen orientieren Bildung am einzelnen Menschen und fördern zugleich eine Kultur der wechselseitigen Anerkennung", sagte der Ratsvorsitzende der Evangelischen Kirche in Deutschland (EKD), Manfred Kock, am Donnerstag, 25. September, in seinem Vortrag beim ersten "Bundeskongress Evangelische Schule", der am 25. und 26. September in Nürnberg stattfindet. Bildung und Erziehung würden an evangelischen Schulen immer auch Zuwendung und Annahme bedeuten.

Evangelische Schulen leisteten einen wesentlichen Beitrag für die Akzeptanz einer Solidargemeinschaft, die auf die Stärkung des Einzelnen ebenso wie auf verantwortlichen Umgang mit anderen angewiesen sei. "Die gegenwärtige Diskussion um den sogenannten Generationenvertrag zeigt, wie wichtig die wechselseitige Verantwortung von Jung und Alt ist," sagte der Ratsvorsitzende. Mit ihrer pädagogischen Arbeit und ihrem Bildungsansatz habe die evangelische Schule die Gesellschaft als Ganze im Blick.

Bildung würde an evangelischen Schulen grundsätzlich als kommunikativer Prozess verstanden und nicht als das Einwirken auf einen Menschen. "Die kommunikative Zuwendung zum anderen findet ihre Grundlegung in der christlichen Glaubenserfahrung, dass jeder Mensch von Gott bedingungslos angenommen ist." Evangelische Schulen wiesen mit diesem Verständnis von Wert und Würde des Menschen über die Ebene von Leistung und Können hinaus. Bei allem pädagogischen Bemühen gehe es um eine ganzheitliche Sicht des Menschen und um seine Beziehung zu Gott. Damit laufe evangelische Schule weniger Gefahr, Bildung zu funktionalisieren und auf Wissen zu reduzieren.

Allgemeinbildende evangelische Schulen hätten großen Zulauf, auch dort, wo staatliche Schulen bereits mit Schülerrückgang zu rechnen hätten, betonte Kock. Evangelische Schulen seien ein wesentlicher Teil des öffentlichen Schulwesens: "Evangelische Schule wirkt - zumindest will sie es - mit ihrem Profil immer auch als Impulsgeber für das gesamte Schulsystem. Sie kann anderes wagen und erproben und trägt so zur Weiterentwicklung des Schulwesens bei." Ihren Beitrag zur Bildungsdiskussion leisteten evangelische Schulen, indem sie konkrete Beispiele für eine am Leben orientierte Bildung geben.

Hannover, 24. September 2003

Pressestelle der EKD
Anita Hartmann

Hinweis:

Vortrag "Das Evangelische an unseren Schulen und ihr Beitrag zur Bildungsdiskussion" im Wortlaut

Weitere Informationen zum Bundeskongress finden Sie im Internet unter http://www.evangelische-schule.de/



Es gilt das gesprochene Wort!

Schulkongress „Gemeinsam Profil zeigen – Evangelische Schulen in der Bildungsdiskussion“

Pfarrer Jürgen Gohde, Präsident des Diakonischen Werkes der Evangelischen Kirche in Deutschland

Nach Hartmut von Hentig schulden wir der jungen Generation vor allem dreierlei: Orientierung, die Fähigkeit zur Verständigung und die Fähigkeit zur Verantwortung. Anders kann keine gemeinsame Kultur des Handelns entstehen und auch keine nachhaltige Entwicklung der Gesellschaft.

Evangelische Schulen tragen zur Nachhaltigkeit in der Bildung Wesentliches bei. Dieser Kongress soll das verdeutlichen.

1. Wir lernen für das Leben, nicht nur für die Schule

Die Spaßgesellschaft bringt auf der Suche nach authentischen Erfahrungen mitunter seltsame Surrogate hervor. Dabei können Videospiele oder Konsum keine wirklichen existenziellen Herausforderungen ersetzen. Sie liegen in der Begegnung mit den eigenen  Wünschen, Hoffnungen, Freuden und Ängsten, besonders in Erfahrungen von Schwäche, Hilflosigkeit, Not. In evangelischen Schulen werden solche Fragen nicht ausgegrenzt, sondern haben einen wichtigen Ort im Bildungsgeschehen. Denn diese Fragen können alle betreffen, fordern zur Auseinandersetzung mit den Werten für das eigene Leben heraus, mit Mitleidenschaft, Wertschätzung und Achtung vor der Vielfalt  und Verschiedenheit des Lebens. Dafür stehen die evangelischen Schulen.

2. Zum Lernen gehört die ganze Person

Wir lernen mit den Gaben, die wir empfangen haben. Jugendliche lassen sich nicht in Schubladen packen. Jede einzelne zählt, jeder einzelne ist wichtig.  Sie brauchen Rahmen-bedingungen für ihre Selbstverwirklichung und Originalität. Es geht um die die Zuwendung zur ganzen Person, die Achtung vor den verschiedenen Gaben, die Anerkennung des Einzelnen, den Einsatz für die Schaffung und Erhaltung einer Atmosphäre des Vertrauens, von Ausdauer, Geduld und Phantasie. Um selbstbestimmt  leben zu können, müssen Jugendliche an einer Kultur teilhaben, die solidarisch geprägt ist, die Eigenverantwortlichkeit einfordert, sie fördert und stärkt. Evangelische Schulen verstehen wir als Orte zum Leben, Orte, in denen Teilhabe, Verantwortung und Solidarität als Werte erfahrbar sind.

3. Unsere Gesellschaft braucht Menschen mit sozialer Kompetenz und Bereitschaft zur sozialen Verantwortung

Wie zukunftsfähig ist unser Gemeinwesen, wenn wir nicht mehr auf die soziale Kompetenz der nachwachsenden Generation zählen können? Jugendliche erwarten mehr als eine materielle Perspektive. Sie suchen auch nach dem Sinn ihres Tuns und fragen nach Gott und der Welt. Solche Fragen gehören notwendig zur Bildung. Soziales Lernen schärft die Wahrnehmung für ein Miteinander von Hilfebedürftigen und Helfenden, Starken und Schwachen. Die gezielte und systematische Förderung sozialen Lernens wird zu einem Schlüssel für die Zukunftsfähigkeit einer demokratischen Gesellschaft. Dabei geht es um soziale Einstellungen und christliche Orientierungen wie etwa Achtung und Respekt vor anderen Menschen, Gerechtigkeit und Fairness, um Hilfsbereitschaft und Toleranz. Die Evangelischen Schulen halten hierfür einen Freiraum offen.

Wir stehen für einen Bildungsbegriff, in dem Orientierung an Werten und die Soziale Verantwortung untrennbar mit einander verbunden sind.

Die Diakonie wird sich im nächsten Monat anlässlich der Diakonischen Konferenz erneut mit ihrem Beitrag zur Bildungsdebatte auseinandersetzen. Am Ende dieses Kongresses wird ein Arbeitskreis „Evangelische Schule“ in gemeinsamer Verantwortung von Evangelischer Kirche und ihrer Diakonie ins Leben gerufen. Ein guter Weg für uns, noch besser aber für die Bildungsdebatte in Staat und Gesellschaft.