Präses Kock : Zur Rolle der Religionen in den aktuellen Konflikten

12. September 2002

Die Rolle von Religionen in den aktuellen Konflikten dieser Welt hat der Ratsvorsitzende der Evangelischen Kirche in Deutschland (EKD), Präses Manfred Kock, bei einem Vortrag im Überseeclub in Hamburg am heutigen Donnerstag, den 12. September, thematisiert.

Religiöse Extremisten, so der Ratsvorsitzende, gebe es im Islam, aber "heute zunehmend auch wieder in jüdischer und christlicher Couleur. (...) Sie eint mit den islamistischen Fundamentalisten die Überzeugung, dass das säkulare Gemeinwesen westlicher Prägung ohne Wertegrundlage zur Verwüstung des Geistes führe und dringend wieder auf eine sakrale Grundlage gestellt werden müsse."

Viele aktuelle Konflikte seien mit religiösen Motiven verwoben. In verhängnisvoller Weise wirke sich der religiöse Faktor bei politischen Konflikten überall dort aus, wo politische Ansprüche religiös begründet würden. Die Annahme, die Welt könne ohne Religion friedlicher sein, erweise sich jedoch als Trugschluss: "Denn auch sogenannte religionslose, vorgeblich auf Vernunft gegründete Systeme können maßlos und fanatisch sein."

Gegenüber dem Islam - wie gegenüber jeder anderen religiösen Erscheinung - seien die Stärkung der Dialogfähigkeit und die Stärkung der Fähigkeit zu kritischer Wahrnehmung gleichermaßen wichtig. Der 11. September und die teilweise unverhohlene Zustimmung in der islamischen Welt machten deutlich, dass hier "neben dem säkularisierten westlichen Lebensstil auch der religiöse Hintergrund des Westens, die jüdisch-christliche Tradition, gemeint war. Der Islam steht in Europa vor einer Bewährungsprobe, ob er in der Lage ist, sich auf die Bedingungen einer freiheitlichen Demokratie und des weltanschaulichen Pluralismus einzulassen."

Der Staat sei dort gefordert, wo es darum gehe, Verfassungsrechtsgüter gegen exzessive Ausübung von Religionsfreiheit zu schützen, etwa durch das Verbot bestimmter Religionsgemeinschaften. "Das friedliche Zusammenleben in unserer Gesellschaft, ja das Funktionieren der staatlichen Ordnung insgesamt, ist abhängig von der Friedensfähigkeit der Religions- und Weltanschauungsgemeinschaften untereinander. (...) Das ist die eigentliche Herausforderung in der multireligiös gewordenen Wirklichkeit in Deutschland."

Dies könne nur im respektvollen Dialog miteinander gelingen und im kritischen und selbstkritischen Umgang mit der Religion. Bei der Wahrung und Wiederherstellung von Frieden würde gerade Religionen und Religionsgemeinschaften einen wichtigen Beitrag leisten. In vielen Krisenregionen trügen sie bei zu einer Kultur des Friedens und der Gewaltfreiheit. Die Tugenden Menschlichkeit, Friedfertigkeit und Versöhnungswille seien zwar nicht einzig und allein religiösen Ursprungs. "Aber eines wird man sagen müssen: Es gibt in der Kultur der Menschheit nicht unendlich viele Ressourcen, die sich als fähig gezeigt haben, diese Tugenden hervorzubringen und kräftig zu erhalten. Der Ruf in die Nachfolge Jesu gehört auf jeden Fall dazu."

Hannover, den 12. September 2002
Pressestelle der EKD

Redaktionen können den kompletten Text des Vortrages anfordern per E-Mail unter Pressestelle@ekd.de.