“Fairness, Solidarität und Unterbrechung des Alltags“

Begegnung der Kirchen mit dem Sport in Frankfurt

Vertreter der beiden großen Kirchen in Deutschland und des Deutschen Olympischen Sportbundes (DOSB) sind am heutigen Freitag in Frankfurt/Main zusammengetroffen.

Für die Katholische Kirche nahmen an dem Spitzengespräch u. a. Erzbischof Dr. Robert Zollitsch, Vorsitzender der Deutschen Bischofskonferenz und Pater Dr. Hans Langendörfer SJ, Sekretär der Deutschen Bischofskonferenz, teil, für die Evangelische Kirche in Deutschland (EKD) u. a. Bischof Dr. Wolfgang Huber, der Vorsitzende des Rates der EKD, sowie der EKD-Sportbeauftragte Valentin Schmidt. Im Haus des deutschen Sports wurden sie von einer Delegation des DOSB mit Präsident Dr. Thomas Bach an der Spitze empfangen. Bach wurde von Vizepräsidentin Prof. Dr. Gudrun Doll-Tepper sowie dem Vorsitzenden der Deutschen Sportjugend Ingo-Rolf Weiss und Generaldirektor Dr. Michael Vesper begleitet.

Kirchen und Sport verbinden zahlreiche gemeinsame Werte wie Toleranz, Rücksichtnahme, Solidarität oder Fairness. Grundlage ihrer Partnerschaft ist für Kirchen und Sport aber auch die Anerkennung ihrer Verschiedenheit: Der Sport ist keine Religion und will auch keine Ersatzreligion sein.

Bei dem Treffen berieten die Teilnehmer über ein gemeinsames Grundsatzpapier mit dem Titel „Zum Wohl der Menschen und der Gesellschaft - Perspektiven der Zusammenarbeit von Kirche und Sport in Deutschland“. In diesem betonen sie die gemeinsame Basis für das gesellschaftliche Engagement von Kirche und Sport. Diese Basis bestehe in der „Verantwortung, die Gesellschaft aktiv mitzugestalten und den Menschen, gerade in Zeiten der Unsicherheit, Räume für eigenverantwortliches Handeln, Verlässlichkeit und Geborgenheit zu bieten“, heißt es in dem Dokument. Sport und Kirchen wirkten durch „Vermittlung von Toleranz, Rücksichtnahme, Solidarität oder Fairness“ an der Gestaltung der Gesellschaft mit.

Einig zeigten sich Kirchen- und Sportvertreter in der gesellschaftlichen Bedeutung des Sonntags „als Tag der Arbeitsruhe und damit als Unterbrechung des Alltags, als Tag des Gottesdienstes wie als Tag zur Pflege von Spiel und Sport.“ Präsident Thomas Bach führte in diesem Zusammenhang aus, dass das Präsidium des DOSB die Verfassungsbeschwerde der beiden großen Kirchen gegen das Berliner Ladenschlussgesetz, die zurzeit vor dem Bundesverfassungsgericht anhängig ist, unterstütze.

Desweiteren wandten sich die Kirchen- und Sportvertreter gegen Ausgrenzung und Diskriminierung. In den „Perspektiven“ heißt es dazu: „Jeder Mensch verdient eine gerechte Chance auf eine selbstbestimmte Teilhabe am gesellschaftlichen Leben – unabhängig von seiner sozialen Herkunft, Weltanschauung und Religion.“ Sport und Kirchen betonen darüber hinaus die Bedeutung einer umfassenden Bildung für die Entwicklung des Einzelnen wie für die Teilhabe an der Gesellschaft. Vor dem Hintergrund ihres ganzheitlichen Menschenbildes hoben Kirchen und Sport die Bedeutung des Religionsunterrichts und des Sportunterrichts als ordentliche Lehrfächer in der Schule hervor. Weder Religion noch Sport dürften innerhalb der Schule an den Rand gedrängt werden.

Auch die Möglichkeiten, im Sport Leistungen zu erbringen, wurde von den Teilnehmern des Spitzengesprächs und im verabschiedeten Grundsatzpapier begrüßt. Dabei betonen Kirchen und Sport, dass sie alle Versuche der Leistungsmanipulation im Sport, etwa durch die Einnahme verbotener Substanzen oder die Anwendung entsprechender Techniken, strikt ablehnen.

Hannover, 21. August 2009

Pressestelle der EKD
Reinhard Mawick


Es folgt der Wortlaut des verabschiedeten Grundsatzpapiers:

Zum Wohl der Menschen und der Gesellschaft

Perspektiven der Zusammenarbeit von Kirche und Sport in Deutschland

1. Kirchen und Sport – eine langjährige Partnerschaft

Kirchen und Sport verbindet in Deutschland eine langjährige Partnerschaft: Sie begann 1950 mit der Gründung des Deutschen Sportbundes (DSB) unter maßgeblicher Beteiligung der kirchlichen Sportbewegung und wurde durch das Partnerschaftsprogramm mit der Evangelischen Kirche in Deutschland (EKD) und der Deutschen Bischofskonferenz vertieft. Sie findet ihren Ausdruck in regelmäßigen Kontakten und gemeinsamen Projekten, in kirchlichen Angeboten im Rahmen von sportlichen Großveranstaltungen, aber auch in der Mitgliedschaft der kirchlichen Sportverbände DJK-Sportverband und CVJM Sport (Eichenkreuz) im Dachverband des Sports.

Im Mai 2006 wurde der Deutsche Olympische Sportbund (DOSB) als Nachfolgeorganisation des Deutschen Sportbundes (DSB) und des Nationalen Olympischen Komitees (NOK) gegründet. Als neuer, gemeinsamer Dachverband des gesamten Sports tritt er in die langjährige Zusammenarbeit der Kirchen und des Sports ein.

2. Der gesellschaftliche Ort der Zusammenarbeit von Kirchen und Sport

Die Kirchen wenden sich an den ganzen Menschen, mit Leib und Seele, Gewissen, Vernunft und Willen – in der Gesamtheit der Wirklichkeiten, in denen er lebt. Deshalb ist der Sport für die Kirchen als Kultur- und Freizeitbewegung wie in seiner organisierten Form, als Breiten- und Spitzensport, ein wichtiges Handlungsfeld. Der Sport wiederum leistet als bedeutende Freizeitbewegung und freiwillige Organisation in der Zivilgesellschaft einen wichtigen Beitrag zu ihrem Zusammenhalt und zum Gemeinwohl.

Kirchen und Sport stellen sich ihrer Verantwortung, die Gesellschaft aktiv mitzugestalten und den Menschen, gerade in Zeiten der Unsicherheit, Räume für eigenverantwortliches Handeln, Verlässlichkeit und Geborgenheit zu bieten. Dabei verbinden Sport und Kirchen gemeinsame Werte. Beide wirken durch Vermittlung von Toleranz, Rücksichtnahme, Solidarität oder Fairness an der Gestaltung der Gesellschaft mit. Diese Grundorientierungen sind die gemeinsame Basis für das gesellschaftliche Engagement von Kirche und Sport.

Grundlage für ihre Partnerschaft ist sowohl für die Kirchen als auch für den Sport die Anerkennung ihrer Verschiedenheit: Der Sport ist keine Religion und will auch keine Ersatzreligion sein.

3. Bereiche der Zusammenarbeit von Kirchen und Sport

- Die ganzheitliche Entfaltung des Menschen

Der Körper ist die primäre Grundlage des Sports. Durch das Erleben der Leiblichkeit leistet der Sport einen wichtigen Beitrag zur ganzheitlichen Entfaltung des Menschen und damit zu seiner physischen wie psychischen Gesundheit.

Wo dagegen der Mensch auf seine Körperlichkeit reduziert wird und der Sport allein zur Verherrlichung des Körpers dient (Körperkult), verstößt dies gegen die Geist und Leib umfassende Einheit des Menschen.

- Prävention und Rehabilitation

Viele Krankheiten bei Kindern, Jugendlichen und Erwachsenen werden durch Bewegungsarmut hervorgerufen. Kirchen und Sport unterstreichen die Bedeutung körperlicher Aktivität für die gesundheitliche Prävention und Rehabilitation. Zu einer neuen umfassenden Kultur der Bewegung gehört auch, dass Erhalt und Wiederherstellung der Gesundheit nicht vom sozialen Status abhängig sein dürfen.

- Leistungsorientierung und ihre Grenzen

Der Sport vermittelt den Umgang mit Sieg und Niederlage, Erfolg und Misserfolg. Sportliche Leistungssteigerung kann zur Stärkung des Selbstbewusstseins und zur Anerkennung der eigenen Begrenztheit führen.

Das Prinzip der Leistungsorientierung endet allerdings dort, wo entweder die eigene Gesundheit und Integrität oder die der sportlichen Gegner verletzt werden. Wenn Leistungsstreben dazu führt, dass persönliche Grenzen ignoriert und geltende Regeln verletzt werden, etwa durch die Anwendung unerlaubter Mittel, widerspricht dies dem Respekt sowohl gegenüber der eigenen Person als auch gegenüber anderen. Deshalb wird jeder Versuch, durch die Einnahme verbotener Substanzen die persönliche Leistungsfähigkeit zu beeinflussen (Doping), von Sport und Kirchen entschieden abgelehnt.

Gleiches gilt für die Manipulation des Wettkampfgeschehens durch andere regelwidrige Handlungen, beispielsweise durch Korruption. Verstöße sind konsequent zu ahnden und zu verurteilen.

- Schutz des Sonntags

Der Sonntag ist als Raum, der nicht von Erwerbstätigkeit und Leistungsdruck bestimmt sein soll, als Zeit für Familie, Freunde und der Regeneration sowie als Tag des Gottesdienstes ein wichtiges soziales, kulturelles und religiöses Gut. Allerdings werden ihm zu-nehmend ökonomische Interessen vorgeordnet.

Kirchen und Sport setzen sich für den Erhalt des Sonntags als Tag der Arbeitsruhe und damit als Unterbrechung des Alltags, als Tag des Gottesdienstes wie als Tag zur Pflege von Spiel und Sport ein. Die fortschreitende kommerzielle Vereinnahmung des Sonntags wird von Sport und Kirchen gleichermaßen abgelehnt.

Sie sehen aber auch die möglichen Interessenskonflikte, wenn es um die konkrete Ausgestaltung des Sonntags und der kirchlichen Feiertage geht, und versuchen sie gemein-sam zu lösen.

- Bewahrung der Schöpfung und Nachhaltigkeit

Unsere Gesellschaft beansprucht die natürlichen Lebensgrundlagen in einem hohen Maß. Sport und Kirchen sind dem Leitbild einer nachhaltigen Entwicklung sowie der Verantwortung für die Schöpfung verpflichtet und entwickeln entsprechende vielfältige Programme, Projekte und Aktivitäten.

- Integration und Partizipation

Millionen von Menschen aus unterschiedlichen kulturellen und religiösen Traditionen haben oder suchen ihren Platz in der deutschen Gesellschaft. Damit ist Deutschland – nicht zum ersten Mal in der Geschichte – ein Einwanderungsland geworden. Sport und Kirchen stellen sich den damit verbundenen Herausforderungen. Mit ihren Angeboten sind sie Motoren der Integration und der Partizipation, die zum friedlichen Miteinander von Zugezogenen und Einheimischen beitragen. Unterschiede in sozialem Status, Ein-kommen oder Bildung treten im Sport hinter der gemeinsamen Freude an Spiel und sportlichem Wettbewerb zurück. Zu den kirchlichen Angeboten sind Menschen aller Altersgruppen, sozialer Schichten und aller Nationalitäten eingeladen. Damit helfen Sport und Kirchen, den Zusammenhalt in der Gesellschaft zu stärken.

Zugleich wenden sich Kirchen und Sport gegen jede Form der Ausgrenzung und Diskriminierung. Jeder Mensch verdient eine gerechte Chance auf eine selbstbestimmte Teil-habe am gesellschaftlichen Leben – unabhängig von seiner sozialen Herkunft, Weltanschauung und Religion.

- Ganzheitliche Bildung

Sport und Kirchen betonen die Bedeutung einer umfassenden Bildung für die Entwicklung des Einzelnen wie für die Teilhabe an der Gesellschaft. Gemeinsam treten sie für das Recht auf Bildung ein. Deshalb unterstützen sie alle Maßnahmen, die dazu geeignet sind, auch benachteiligten Kindern und Jugendlichen einen gerechten Zugang zur Bildung zu eröffnen.

Bildung bezieht sich dabei auf den Menschen in allen Dimensionen seines Lebens. Vor dem Hintergrund ihres ganzheitlichen Menschenbildes betonen Kirchen und Sport die Bedeutung des Religionsunterrichts und des Sportunterrichts als ordentliche Lehrfächer in der Schule. Weder Religion noch Sport dürfen innerhalb der Schule an den Rand ge-drängt werden.

Kirchen und Sport wirken als außerschulische Partner bei der pädagogischen Gestaltung von Ganztagsangeboten mit. Sie verstehen ihre Angebote in Schulen und Vereinen, Kirchengemeinden und Pfarreien als eigenständige Bildungsangebote, die die schulische Bildung ergänzen und bereichern. In diesem Sinne streben Sport und Kirchen ein Gesamtkonzept „Lebensschule“ mit vernetzten Bildungsorten und -formen an.

4. Ausblick

Die Deutsche Bischofskonferenz, die Evangelische Kirche in Deutschland (EKD) und der Deutsche Olympische Sportbund (DOSB) werden weiterhin in regelmäßigen Spitzengesprächen über Perspektiven der Zusammenarbeit und gemeinsame Projekte beraten.

Der Deutsche Olympische Sportbund (DOSB), die Evangelische Kirche in Deutschland (EKD) und die Deutsche Bischofskonferenz unterstützen die Einsetzung und Förderung kirchlicher Dienste bei sportlichen Großveranstaltungen.

Die Evangelische Kirche in Deutschland (EKD), die Deutsche Bischofskonferenz und der Deutsche Olympische Sportbund (DOSB) betrauen die „Gemeinsame Kommission Kirche und Sport“ mit der Ausgestaltung ihrer institutionellen Zusammenarbeit und der Umsetzung gemeinsamer Projekte.