Einführung des Direktors der Ev. Akademie zu Berlin, Rüdiger Sachau

Umgang mit der Erkenntnis dieser Welt, die Suche nach dem Sinn für Proportion und das Mühen um die Maße des Menschlichen

Zur Einführung des neuen Direktors der Evangelischen Akademie zu Berlin, Rüdiger Sachau, am Mittwoch, 21. Juni, in der Französischen Friedrichstadtkirche, erklärte der Vorsitzende des Rates der Evangelischen Kirche in Deutschland (EKD) und Bischof der Evangelischen Kirche Berlin-Brandenburg-schlesische Oberlausitz, Wolfgang Huber, wörtlich:

„In Christus liegen verborgen alle Schätze der Weisheit und der Erkenntnis.

Dieser kurze Satz aus dem Kolosserbrief soll unsere Gedanken leiten bei der Einführung von Rüdiger Sachau als Direktor der Evangelischen Akademie zu Berlin. Auf diesen Anlass passt am ehesten das letzte der elf Worte dieses Satzes. Erkenntnis und Akademie: Das scheinen beinahe Synonyme zu sein.

Nachträgliches Erschrecken über die massenhafte Blindheit auch derer, die zur Erkenntnis fähig sein sollten, stand Pate, als nach 1945 die Evangelischen Akademien ins Leben gerufen wurden. Als unsere Kirche bekennen musste, dass sie selbst in das Verderben tätig verstrickt war, „weil sie nicht mutiger bekannt, nicht treuer gebetet, nicht fröhlicher geglaubt und nicht brennender geliebt hatte,“ da war freilich auch deutlich, dass Erkenntnis allein nicht reicht. Weisheit muss hinzutreten, der Sinn für Proportion, die Einsicht in die Maße des Menschlichen.

Woher solche Weisheit kommt, bekennt der Kolosserbrief mit einer Klarheit, die aufhorchen lässt. In Christus, den der Briefschreiber als das Geheimnis Gottes bezeichnet, liegen die Schätze der Weisheit und damit auch die Deutung all unserer Erkenntnis verborgen. Sie erschließen sich dem, der sich auf Christus einlässt, in dem Gott ganz Mensch wird, damit wir Menschen nicht länger von Gott getrennt sind.

Dieses Wort hören wir heute, einen kurzen Satz, der mehr umfasst als viele Worte, die wir machen. Es ist ein Wort, das dem Namen Evangelische Akademie einen klaren Sinn gibt. Evangelisch heißt sie nicht einfach, weil die Evangelische Kirche ihre Trägerin ist – in diesem Fall die Evangelische Kirche in Deutschland und die Evangelische Kirche Berlin-Brandenburg-schlesische Oberlausitz gemeinsam. Evangelisch heißt sie vor allem, weil sie den Umgang mit der Erkenntnis dieser Welt, die Suche nach dem Sinn für Proportion, und das Mühen um die Maße des Menschlichen von dem Geheimnis Gottes leiten lässt, der in Christus an unsere Seite tritt und uns die Richtung weist.

Deshalb fügt es sich gut, dass dieses Wort aus dem Kolosserbrief den neuen Direktor der Evangelischen Akademie zu Berlin schon seit 35 Jahren begleitet. Im Jahr 1971 wurde es ihm von seinem Konfirmator in Hermannsburg, Pastor Reimann, mitgegeben. Als dieses Wort ihm schroff und fremd erschien, wandte er sich trotzdem nicht ab. Als ein Freund es ihm auf ein Holzbrett einbrannte, hielt er es in Ehren: auf dem Armaturenbrett des VW Käfer wurde es angeschraubt. Als er intellektuell suchend der Wahrheit auf die Spur kommen wollte, trat ihm immer wieder der Hinweis auf die Grenzen unseres eigenen Wissens vor Augen. Als er den Dialog mit anderen Religionen in Angriff nahm, begegnete ihm in diesem Wort immer wieder die Verbindlichkeit des eigenen Glaubens.

So kann ein Wort mit einem Menschen mitwandern, ja mitwachsen. So kann es zu einem Teil unseres eigenen Lebens werden. Und wenn ich an das Einwandern der Worte ins Leben und an das Wachsen in der eigenen Biographie denke, dann grüße ich mit Rüdiger Sachau auch seine Frau Barbara Kaune-Sachau, den Sohn Jonathan und die Tochter Marija ebenso wie die Eltern, die Geschwister, die Verwandten und Freunde. Je klarer das Ziel, desto weiter ist der Horizont unseres Wanderns.

Dieses Wort soll auch auf dem neuen Lebensabschnitt mitwandern. Es soll Heimat stiften in der Weite der Evangelischen Akademie zu Berlin. Es soll Enge überwinden, wo immer sie droht. Es soll zusammenhalten, was zusammengehört: die Offenheit für Gott, die Nähe zu den Fragen unserer Zeit, die Weisheit im Umgang mit den Menschen. Das wünschen wir Ihnen, lieber Rüdiger Sachau, mit diesem wunderbaren, Ihnen auf besondere Weise vertrauten und anvertrauten Wort: „In Christus liegen verborgen alle Schätze der Weisheit und der Erkenntnis.“

Hannover / Berlin, 21. Juni 2006

Pressestelle der EKD
Christof Vetter

Evangelische Akademie zu Berlin