Grußwort des Vorsitzenden des Kuratoriums der Stiftung Johannes a Lasco Bibliothek

Jann Schmidt

Als Vorsitzender des Kuratoriums der Stiftung Johannes a Lasco Bibliothek Große Kirche Emden heiße ich Sie zur offiziellen Wiedereröffnung dieses Hauses herzlich willkommen.

Wir sind in den letzten 18 Monaten einen langen und schwierigen Weg gegangen. Die Stiftung stand unmittelbar vor dem Aus: Eine spekulative Anlage des Stiftungskapitals sowie der Einsatz des Kapitals für den allgemeinen Geschäftsbetrieb und für Anschaffungen im großen Stil haben das Stiftungskapital in unverantwortlicher Weise zusammenschmelzen lassen.

Sie alle wissen, dass Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter entlassen werden mussten und dass die Johannes a Lasco Bibliothek vorübergehend geschlossen wurde. Es ist der Initiative der Evangelischen Kirche in Deutschland und der Solidarität der Gliedkirchen zu danken, dass wir heute die offizielle Wiedereröffnung feiern können.

Zu danken ist auch der Evangelisch-reformierten Kirche, für die die Große Kirche zu Emden – die heutige a Lasco Bibliothek – ein Grundpfeiler ihrer Tradition ist.

Zu danken ist der Stadt Emden, die dieses Haus als kulturellen Ort der Hafenstadt versteht und eben darum nicht zögerte, für die nächste Zeit jährlich 30.000,00 Euro zu den Personalkosten beizusteuern.

Zu danken ist z. B. auch dem Verlag Vandenhoeck und Ruprecht, der sehr großzügig alle Neuerscheinungen der letzten Jahre im Wert von über 20.000 Euro zur Verfügung stellte und damit den Buchbestand zum Teil wieder komplettierte.

Ja, es haben viele dazu beigetragen, die Johannes a Lasco Bibliothek vor dem Ruin zu bewahren. Dafür will ich an dieser Stelle herzlich danken. Ohne die vielfältige Hilfe vieler aus Kirche, Gesellschaft und Politik hätten wir die schwierige Phase nicht überwinden können.

So ist es wohl einer gemeinsamen Anstrengung zu danken, dass die Johannes a Lasco Bibliothek, die für den reformierten Protestantismus in Deutschland und Europa von großer historischer Bedeutung ist, in eine neue Zukunft gehen kann. Die neue Zukunft vor Augen will ich einen kurzen Blick in die Vergangenheit tun:

Sie werden unschwer erkennen, dass Sie sich in einer Kirche befinden, in einer Kirche, die keine Kirche mehr ist, sondern eine moderne Bibliothek. Hier war früher die große Kirche der Reformierten der Stadt, die sogenannte Moederkerk – also Mutterkirche, eine der bedeutendsten reformierten Kirchen im Nordwesten Europas. Die reformierte Kirche hier am Ort und die Stadt Emden insgesamt haben an der Ausbreitung der Reformation entscheidenden Anteil gehabt. Denn Pastoren und Kirchenälteste – Presbyter – pflegten Verbindungen mit England und Schottland, mit Flandern und Brabant – und mit Johannes Calvin, dem Reformator Genfs. Emden wurde früher auch gern das Genf des Nordens genannt.

Im Krieg wurde diese Kirche zerbombt – und ihre Ruine erinnerte bis Anfang der 90er Jahre des letzten Jahrhunderts an Krieg und Zerstörung in dieser Stadt. In den Jahren 1992 bis 1995 errichtete die Evangelisch-reformierte Kirche in der Ruine der Kirche die Johannes a Lasco Bibliothek. Ziel war es, an einem für den reformierten Protestantismus historischen Ort eine wissenschaftliche Bibliothek und Forschungsstätte entstehen zu lassen. Die Evangelisch-reformierte Kirche stellte 2,5 Millionen Euro zu Verfügung, die Stiftung Niedersachsen beteiligte sich mit 2,5 Millionen und die Stadt Emden und das Land Niedersachsen steuerten jeweils 1,25 Millionen bei.

Nach Fertigstellung der Bibliothek konnte die historische Büchersammlung der Emder Gemeinde an ihren ursprünglichen Ort zurückkehren. Die 1559 in der reformierten Kirchengemeinde Emden begründete Bibliothek enthält einen wertvollen historischen Buchbestand vornehmlich zur nordwestdeutschen und niederländischen Reformationsgeschichte.

Emden war damals eine mittelgroße Hafenstadt, die im niederländisch-spanischen Krieg zu einer der prominentesten Exulantenstädte avancierte.

Das wirtschaftliche und kulturelle Vermögen der Flüchtlinge aus Flandern und Brabant brachte Emden eine nie gekannte Blütezeit. Und in dieser Zeit wurden Stadt und Kirche zu einem europäischen Zentrum des reformierten Protestantismus.

Diese ganze Epoche erscheint in der Person des polnischen Adligen Johannes a Lasco (1499 – 1560) gleichsam exemplarisch verdichtet. Als Superintendent der Kirche in Ostfriesland wurde er einer exponiertesten Vertreter des reformierten Protestantismus, der in Fragen der Organisation und Kirchenordnung bleibende Bedeutung erlangte. Da in Johannes a Lasco die europäischen, humanistischen, reformierten und bibliophilen Traditionen auf nachvollziehbare Weise zur Geltung kommen, war es nur folgerichtig, die Bibliothek der Großen Kirche zu Emden nach ihm zu benennen.

Heute wird die Kirche nicht nur als Bibliothek genutzt, sondern als wissenschaftliches Forschungszentrum für die literarische Überlieferung des reformierten Protestantismus – und dieser Raum wird als kultureller Ort genutzt –, in den ausgebrannten Mauern finden Ausstellungen und Konzerte statt, hier werden Symposien und Seminare veranstaltet – oder Gottesdienste gefeiert.

Dass dies in Zukunft wieder sein kann und sein soll, daran haben in den letzten 18 Monaten Viele gearbeitet.

Und heute sind die ersten Schritte in diese Zukunft schon getan: Das Kuratorium hat sich konstituiert, die beiden Vorstände wurden berufen – als kaufmännischer Vorstand Wilhelm Neef und als wissenschaftlicher Vorstand Dr. Marius Lange van Ravenswaay – die ersten Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter wurden wieder eingestellt, und heute hat sich der wissenschaftliche Beirat konstituiert und Professor Dr. Michael Beintker zu seinem Vorsitzenden gewählt. Kleine Schritte zunächst, erste wichtige Schritte aber, denen weitere folgen werden.

Heute wollen wir Sie, verehrte Gäste, an unserer Freude über die möglich gewordene Wiedereröffnung teilhaben lassen. In aller Freude und Dankbarkeit will ich abschließend aber festhalten. Mit der Wiedereröffnung ist eine Verpflichtung verbunden: nämlich in der Evangelischen Kirche in Deutschland die literarische Tradition des Reformierten Protestantismus zu sammeln und zu erforschen und sie den Gemeinden und Kirchen für ihren Weg in die Zukunft als tragfähiges Fundament zu erschließen. Dieser Verpflichtung – das verspreche ich für die Johannes a Lasco Bibliothek – wollen wir uns stellen.