Rheinischer Präses Rekowski fordert die Fluchtursachen besser zu bekämpfen

Bad Neuenahr (epd). Nur eine entschiedene Bekämpfung von Fluchtursachen kann nach Ansicht des rheinischen Präses Manfred Rekowski den Flüchtlingszuzug begrenzen. Nötig seien vor allem eine andere Außenpolitik, der Verzicht auf Rüstungsexporte, die Bekämpfung des Klimawandels und eine wirksame Entwicklungszusammenarbeit, sagte der leitende Theologe der Evangelischen Kirche im Rheinland in Bad Neuenahr.

Er kritisierte die Debatte über Obergrenzen für Asylbewerber und zollte Bundeskanzlerin Angela Merkel (CDU) "hohen Respekt" für ihre Standhaftigkeit in der Flüchtlingspolitik. Merkels Satz "Wir schaffen das" müsse aber nun "der nächste Satz folgen, dass wir beschreiben, wie wir das schaffen können, und da haben wir eine Menge zu tun", betonte Rekowski. Integration sei "eine Riesenaufgabe, in die sehr viel Kraft, Zeit und Geld fließen muss".

Keine Flüchtlingskrise, sondern eine europäische Krise

Wenn Menschen vor Krieg und Verfolgung fliehen, dürfe es nicht um Grenzschließungen gehen, sondern um Hilfe, sagte der Theologe in seinem Jahresbericht vor dem Kirchenparlament. Es gebe keine Flüchtlingskrise, sondern eine europäische Krise: Es mangele an Solidarität, Werten und ausreichender Unterstützung der Nachbarländer von Krisenherden.

Als jämmerlich bezeichnete Rekowski, dass weiterhin das Ziel verfehlt werde, 0,7 Prozent des Bruttosozialprodukts für Entwicklungshilfe auszugeben. Eine unwirksame Klimapolitik und deutsche Waffenexporte tragen nach Einschätzung des rheinischen Präses noch zur Verschärfung von Fluchtursachen bei.

Zu den Übergriffen auf Frauen an Silvester am Kölner Hauptbahnhof sagte Rekowski, es dürfe keine rechtsfreien Orte geben: "Gewaltbereitschaft und Gewalttätigkeit muss mit allen Mitteln des Rechtsstaates entgegengetreten werden." Das Thema werde aber jetzt parteipolitisch instrumentalisiert, beklagte der oberste Repräsentant der 2,65 Millionen rheinischen Protestanten. In der Silvesternacht hatten Gruppen junger Männer, darunter offenbar auch viele Flüchtlinge, in Köln zahlreiche Frauen sexuell belästigt und bestohlen.

Besorgt über die Entwicklung des Rechtspopulismus

Besorgt zeigte sich der Präses über die Entwicklung des Rechtspopulismus. "Der zu beobachtende schleichende Übergang von verbaler Gewalt hin zu Mordanschlägen fordert entschlossenen Widerspruch und Widerstand", erklärte er angesichts zahlreicher Anschläge auf Flüchtlingsunterkünfte.

Seiner Kirche schrieb Rekowski ins Stammbuch, sie müsse sich weiter wandeln, um den christlichen Glauben trotz wachsender Religionslosigkeit erfolgreich zu verbreiten. Wichtige Themen seien das 500. Reformationsjubiläum 2017, eine Verhältnisbestimmung zum Islam, die Zukunft des Pfarrberufs und ein gerechteres und transparentes Finanzsystem.

Bei der geplanten Ermöglichung kirchlicher Trauungen für homosexuelle Paare, die in dieser Woche von der Landessynode beschlossen werden soll, erwartet Rekowski eine deutliche Zustimmung. Er rechne "nicht mit einer Welle der Empörung", sagte er vor Journalisten. Nachdem vor 15 Jahren über das Thema eine theologische Grundsatzdebatte geführt worden sei, gehe es jetzt lediglich darum, die kirchliche Praxis an die gesetzliche Möglichkeit eingetragener Lebenspartnerschaften anzupassen.

11. Januar 2016