Hilfswerke fordern einen breiteren Ansatz zur Bekämpfung von Fluchtursachen

Berlin (epd). Die Bemühungen von Deutschland und der EU bei der Bekämpfung von Fluchtursachen sind nach Auffassung von Hilfswerken nicht ausreichend. Es sei kurzsichtig und egozentrisch, die Lebensbedingungen von Flüchtlingen nur verbessern zu wollen, um den Andrang Asylsuchender nach Deutschland zu reduzieren, sagte die Präsidentin von "Brot für die Welt", Cornelia Füllkrug-Weitzel, in Berlin. Welthungerhilfe-Präsidentin Bärbel Dieckmann nannte die Strategie der Bundesregierung zur Unterstützung von Flüchtlingen in den Nachbarländern Syriens dennoch richtig. Beide verlangten aber einen breiteren Ansatz, der eine politische Lösung für Syrien und Integrationsstrategien in den Ländern umfasst.

Die europäischen Länder und im besonderen Maße Deutschland verfolgen mit der EU-Türkei-Migrationsagenda das Ziel, die Zahl der Flüchtlinge in Europa zu reduzieren. Die Türkei, die 2,5 Millionen syrische Flüchtlinge aufgenommen hat, soll die Grenze zur EU besser überwachen und Flüchtlinge von der Weiterreise nach Europa abhalten. Im Gegenzug haben die EU-Mitgliedstaaten der Türkei drei Milliarden Euro für die Verbesserung der Lage von Flüchtlingen in Aussicht gestellt. Mit dem Geld sollen unter anderem Schulen und Krankenhäuser finanziert werden.

Mangelnde Finanzierung des Flüchtlingshilfswerks UNHCR

Dieckmann sagte, die Unterstützung von Ländern, die viele Flüchtlinge aufgenommen haben, sei richtig. Dies zeige schon allein die Tatsache, dass sich mehrheitlich junge Männer auf den Weg machten, weil sie es schaffen könnten. Frauen mit Kindern blieben hingegen oft zurück. Ihnen müsse vor Ort geholfen werden.

Füllkrug-Weitzel sagte, unter Fluchtursache verstehe sie den Grund, warum Menschen aus ihrer Heimat fliehen mussten, und nicht, warum sie sich von einem bereits erreichten Ort weiter auf den Weg machten. Der EU gab sie eine Mitschuld am Anstieg der Flüchtlinge besonders im vergangenen Jahr. Sie verwies auf die lange Zeit mangelnde Finanzierung des Flüchtlingshilfswerks UNHCR und des Welternährungsprogramms, die zur Folge hatte, dass in den Nachbarländern Syriens Nahrungsmittelrationen für Flüchtlinge gekürzt werden mussten.

Für die Bekämpfung der Fluchtursachen in Syrien müsse mit aller Kraft das Ziel einer politischen Lösung des Konflikts verfolgt werden, sagte Füllkrug-Weitzel. Die evangelische Pfarrerin kritisierte Waffenexporte in die Region, die die ohnehin unübersichtliche Situation weiter verschärften.

Warnung vor einer "Abschottungsgemeinschaft"

Albert Recknagel, Vorstandmitglied von terre des hommes, forderte mehr Investitionen in Bildung für Kinder und Jugendliche auf der Flucht. Es müsse einer verlorenen Generation entgegengewirkt werden, sagte er. Verstärkte Anstrengungen für junge Flüchtlinge verlangte er auch hierzulande: "Wir in Deutschland werden zum Projektland", sagte er.

Vor dem Europäischen Rat der Staats- und Regierungschefs in Brüssel warnten die Organisationen zudem vor einer weiteren Abschottung gegen Flüchtlinge als Kehrseite der Hilfe für die Nachbarländer Syriens. Auch der Dachverband Venro erklärte, dies verschlimmere das Leid der Schutzsuchenden. Im Zentrum stünden "eigene Sicherheitsinteressen, Grenzsicherung und Kontrolle", kritisierte das Netzwerk von entwicklungspolitischen Organisationen. Pro Asyl warnte vor einer "Abschottungsgemeinschaft" in Europa nach dem Motto "Jeder für sich – gemeinsam gegen Flüchtlinge".

17. Februar 2016