Historiker Paul Nolte hält Seehofers Äußerungen für eine "Unverschämtheit"

Berlin (epd). Der Historiker Paul Nolte hat CSU-Chef Horst Seehofer für dessen Rede von Staatsversagen und "Herrschaft des Unrechts" in der Flüchtlingspolitik scharf kritisiert. "Wenn man an zentraler Stelle des Staates steht und so redet, ist das eine Unverschämtheit, ein Offenbarungseid", sagte der Professor an der Freien Universität Berlin dem Wirtschaftsmagazin "Capital".

"Das ist eine gefährliche Redeweise, die mich an historische Muster erinnert: Auch in der Weimarer Republik hieß es, der Staat sei überfordert", sagte Nolte, der auch Präsident der Evangelischen Akademie zu Berlin ist. "Staatsversagen und Demokratieversagen, diese beiden Vorwürfe haben gerade in der deutschen Geschichte oft sehr eng beieinander gelegen."

Verständnis für die Forderung nach einer Obergrenze

Der bayerische Ministerpräsident Seehofer hatte der "Passauer Neuen Presse" mit Blick auf die Flüchtlingspolitik von Bundeskanzlerin Angela Merkel (CDU) gesagt: "Wir haben im Moment keinen Zustand von Recht und Ordnung. Es ist eine Herrschaft des Unrechts."

Verständnis äußerte Nolte für die Forderung nach einer Obergrenze für Flüchtlinge, auch wenn eine konkrete Zahl schwer durchzusetzen sei. "In der Realität sind die Belastungsgrenzen vor Ort längst überschritten. Wenn jeden Tag mehrere Tausend Menschen nach Deutschland kommen und nicht mehr registriert oder untergebracht werden können – dann ist die Grenze überschritten." Deutschland dürfe das Asylrecht nicht abschaffen, müsse es aber auf diejenigen anwenden, die wirklich verfolgt werden oder aus Kriegsgebieten kommen.

17. Februar 2016