10 Thesen, Leipziger Disputation
Margot Käßmann
- Das Zeitalter der Reformation kannte keine Toleranz im heutigen Sinne.
- Martin Luthers Überzeugung von der Freiheit des Einzelnen in Glaubens- und Gewis-sensfragen, legt dennoch eine Grundlage für die Entwicklung des Toleranzgedankens.
- Für die Kirchen der Reformation gibt es eine 500jährige Lerngeschichte der Toleranz. Sie betrifft andere Konfessionen ebenso wie Religionen und im Zeitalter der Säkularisierung auch Respekt vor Menschen ohne Religion.
- Religionen müssen Toleranz lernen, um endlich Konflikte zu entschärfen, statt immer wieder Öl in das Feuer ethnischer und politischer Konflikte zu gießen.
- Toleranz bedeutet nicht, meine eigenen Überzeugungen oder Vorstellungen zu leugnen.
- Toleranz bedeutet mehr als nur Duldung: aktives Interesse am anderen, am Gegenüber, an der anderen Religion oder am Nicht-Glauben, an der anderen politischen oder ethi-schen Option. Dazu braucht es Begegnung und Zeit für Gespräche sowie Bereitschaft zum Zuhören.
- Es geht darum, die Differenz auszuhalten um des friedlichen Zusammenlebens willen. Dazu ist Respekt notwendig für die andere Position, auch wenn es für mich manchmal schwer zu ertragen (lateinisch: tolerare) ist.
- Aber Toleranz heißt nicht Grenzenlosigkeit. Wahre Toleranz wird ihre Grenze an der In-toleranz finden und alles daran setzen, sie im Recht klar zu regeln.
- Zum Respekt gehört die Achtung vor der Integrität des anderen. Wo sie durch Rassis-mus, Sexismus, Erniedrigung, Gewalt oder Gewaltandrohung verletzt wird, ist die Grenze der Toleranz überschritten.
- Das Zusammenleben in einem demokratischen Staat braucht das stete aktive Ringen um Toleranz – in religiösen Fragen aber ebenso in ethischen und gesellschaftspolitischen.