1. Berliner Medienrede des Bayerischen Ministerpräsidenten

Edmund Stoiber

Dem Rundfunkbeauftragten des Rates der Evangelischen Kirche, dem Gemeinschaftswerk der Evangelischen Publizistik und den Verantwortlichen der Evangelischen Akademie danke ich herzlich für die Gelegenheit, heute zu Ihnen über die Themen sprechen zu können, die mich medienpolitisch bewegen. Ich habe diese Einladung nach Berlin sofort angenommen. Es ist für mich eine Ehre, die Reihe der Berliner Medienreden zu eröffnen.

Ausdrücklich bestärken möchte ich die Evangelische Kirche in ihrem medienpolitischen Engagement. Während meiner Zeit im Rundfunkrat des Bayerischen Rundfunks habe ich die Beiträge der kirchlichen Gremienmitglieder schätzen gelernt. Die Gremienverfassung ist ein wichtiges Kennzeichen unserer Rundfunkordnung, die wir uns von Brüssel nicht in Frage stellen lassen.

Es genügt aber nicht, nur in den Gremien das Wort zu erheben. Die Kirchen müssen im medienpolitischen Diskurs öffentlich präsent sein, zu Gunsten der Menschenwürde, der Meinungsfreiheit, unserer Grundwerte schlechthin.

Unsere Demokratie fußt auf Werten, die unser Staat nicht selbst schaffen kann. Wesentlich geprägt sind unsere Grundüberzeugungen von den christlichen Kirchen, auch wenn diese christlich-abendländischen Wurzeln vielen Bürgern nicht mehr präsent sind. Daher ermutige ich die evangelische Kirche: Mischen Sie sich verstärkt ein. Der Beitrag der Kirchen zur Wertebildung ist unverzichtbar. Das gilt – das möchte ich hier in Berlin besonders betonen - bereits für die Erziehung in den Schulen.

Wie sehr die Menschen wieder Orientierung und Halt suchen, hat die positive Resonanz auf den Besuch des Papstes in seiner Heimat gezeigt. Zu keiner Zeit war eine deutsche Gesellschaft so offen und tolerant wie unsere. Nicht wenige empfinden das auch als Beliebigkeit. Und in der Tat ist ja richtig: Wo gesellschaftliche Zwänge entfallen sind, müssen innere Überzeugungen an ihre Stelle treten. Der Wunsch nach Orientierung wird dann besonders spürbar, wenn die vertrauten Sicherheiten Stück für Stück verloren gehen:

Die Gewissheit, dass in jungen Jahren getroffene Entscheidungen für Arbeitsplatz und Wohnort ein Leben lang Bestand haben, das stabile Familienumfeld und ganz allgemein das Grundgefühl, dass man bei allen Herausforderungen zuversichtlich in die Zukunft blicken kann.

Je mehr Menschen diese Erfahrungen machen, desto größer wird das Bedürfnis nach verbindlichen Werten. Diese allgemeine Wertediskussion ist auch für die Medienpolitik wichtig. Ich will das an zwei Beispielen festmachen:

Zum einen ist gerade in dieser Zeit die Arbeit der Gremien in den Sendern von besonderer Bedeutung. Deswegen bin ich dafür, die Einflussmöglichkeiten der Gremien stärker zu nutzen. Denn hier gibt es einen Resonanzkörper, den die Sender heute dringender denn je brauchen – auch um sich immer wieder zu vergewissern, dass sie in der Mitte der Gesellschaft stehen und arbeiten. Ich begrüße es daher sehr, dass sich die ARD entschieden hat, die Rechte der Gremien auf der ARD-Gemein-schaftsebene deutlich zu stärken. Ich halte das für so wichtig, dass ich mich mit Nachdruck und mit Erfolg dafür eingesetzt habe, diese Stärkung der Gremienrechte auch im ARD-Staatsvertrag zu verankern.

Mit der in Deutschland gewachsenen Struktur der Gremienaufsicht haben wir ein funktionierendes Modell zur Realisierung gesellschaftlicher Verantwortung im Rundfunk geschaffen. Durch die Besetzung und ihr Zusammenspiel sind Rundfunkräte ein frühes System der Selbstkontrolle oder – wie es im europäischen Zusammenhang heißt – Ko-Regulierung.

Die Vorzüge der Gremienkontrolle liegen auf der Hand: Eine interne Kontrolle kann bei Programmfragen wirksam werden. Ich spreche von Aufsicht und Anregung – etwas was eine externe Aufsicht so nicht leisten könnte. Gerade die kritisch-konstruktive Begleitung des Programms ist ein wichtiges Element, um die gesellschaftliche Akzeptanz einer von der tatsächlichen Nutzung unabhängigen Rundfunkgebühr langfristig zu sichern.

Zum anderen meine ich, dass medienethische Ansätze ohne klare Richtung nicht möglich sind. Unsere christlichen und humanistischen Traditionen sind die Grundlage und Verankerung. Ich bin sogar überzeugt, dass damit auch ein christlich-islamischer Wertediskurs gelingt. Denn was vielen Islamisten Zulauf beschert, ist die scheinbare Beliebigkeit einer westlichen Zivilisation.

Ich meine: Nur wenn wir eine feste Position beziehen, sind wir fähig zum Dialog mit den Muslimen. Wo wir schwanken, werden wir nicht ernst genommen.

Dabei wird uns Christen von vielen mehr Toleranz abverlangt, als anderen Religionsgemeinschaften. Rücksichtnahme auf religiöse Gefühle kann aber nicht vom Drohpotenzial religiöser Fanatiker abhängen.

Die Berichterstattung in den Medien wird zum sozialpolitischen Standortfaktor. Denn Gesellschaftspolitik und Wertevermittlung findet heute weitgehend durch und unter Einbeziehung der Medieninhalte statt. Was in den Medien vermittelt wird, prägt die Stimmung in unserem Land. Uns allen ist der WM-Sommer in warmer Erinnerung.

Die Prägewirkung haben übrigens nicht nur Informationsangebote, sondern auch Unterhaltungsformate. Die geschauten Beispiele der täglichen Seifenoper prägen wahrscheinlich nachhaltiger als Politmagazine. Wertevermittlung funktioniert über Vorbilder, positive wie negative. Wenn die Berichterstattung nur Negatives aufzeigt, wenn in nachmittäglichen Talkshows statt Realität nur eine Freakshow läuft, wenn Lebensentwürfe sich auf die Suche nach dem Superstar reduzieren, dann wird eine Gesellschaft sich entsprechend verändern. Das ist keine ungefährliche Entwicklung. Deswegen darf das „ganz normale Leben“ im Fernsehen niemals zur Ausnahme werden. Für mich hat das Fernsehen hier eine enorme gesellschaftliche Verantwortung. Die Medien sind, so heißt es zu Recht, Medium und Faktor der Meinungsbildung. Sie bilden die Meinung ja nicht nur ab, sie formen sie mit. Vielleicht müssen die Medienpolitiker die Medienmacher an diese Verantwortung künftig wieder öfter erinnern.

Ganz generell ist mein Eindruck, dass sich die Medienpolitik wieder stärker den grundsätzlichen und den inhaltlichen Fragen zuwenden muss. Immer mehr Beobachter vergleichen die heute anstehenden Veränderungen in ihrer Bedeutung ja durchaus mit der Einführung des dualen Systems in den achtziger Jahren. Diese Zeit war geprägt von intensiven medienpolitischen Diskussionen. Auch jetzt ist es wieder an der Zeit, intensiv über die Grundlagen und vor allem auch über die Zukunft unserer Medienordnung nachzudenken.

Aus dem bisher Gesagten können Sie ablesen, wie umfassend ich das Thema dieser ersten Berliner Medienrede verstehe: Die Medienpolitik ist ein wichtiger Standortfaktor für Deutschland und Europa.

Natürlich spielt dabei auch das eine Rolle, was man herkömmlicher Weise als Standortpolitik bezeichnet. Ich bekenne mich auch dazu, Standortpolitiker zu sein: In meiner Verantwortung für Bayern und Deutschland möchte ich den Standort verbessern, in jedem Falle aber unsere Wettbewerbsfähigkeit in vielfacher Hinsicht bewahren.

Standortfaktoren – das sind für mich alle Umstände, die einen Ort, eine Zeit und eine Gesellschaft prägen. Das ist nicht nur eine Infrastrukturfrage. Standortfaktoren, das habe ich heute schon deutlich gemacht, sind in gleicher Weise die „weichen“, oft schwer greifbaren Elemente unseres Zusammenlebens. Materielle Faktoren sind wichtig, aber der Mensch lebt eben nicht vom Brot allein!

Wenn ich jetzt von medienpolitischen Standortfaktoren in einer westlichen Demokratie spreche, dann meine ich vor allen anderen die Meinungsfreiheit und das Recht auf freie Berichterstattung und Information. Unsere demokratischen Entscheidungsprozesse werden wesentlich dadurch ermöglicht und geprägt, dass frei und fair über die zugrunde liegenden Lebenssachverhalte berichtet wird.

Kritik an den Regierenden durch die Vierte Gewalt, die Medien, ist wesensnotwendig für das Funktionieren der Demokratie. Zur hohen Verantwortung der Pressefreiheit gehört auch, zwischen der Kritik an einzelnen Reformvorhaben und politischen Entscheidungen einerseits und einem grundsätzlichen Infragestellen demokratischer Prozesse zu unterscheiden und hier eine klare Trennlinie zu ziehen.

Heribert Prantl hat das in der Süddeutschen Zeitung in der Ausgabe vom 18. November d.J. sehr pointiert zugespitzt: „Es ist dies eine grundsätzliche Demokratiekritik, sie akzeptiert die Quälerei um Kompromisse nicht. Die Unzufriedenheit mit der Demokratie, die man in Umfragen feststellt, wird befremdet beklagt von denen, die sie mit herbeischreiben und herbeisenden, indem sie eine Dampfwalzenpolitik propagieren, die Widerstände wegräumen soll. So funktioniert Demokratie aber nicht. Demokratie heißt mühselige Gesetzgebung, heißt Erste, Zweite und Dritte Lesung von Gesetzen. Demokratie bedeutet deren Veränderung im Laufe dieses Prozesses. Demokratie heißt Arbeit in Ausschüssen – die vermeintlich langweilig sind, weil sie eine lange Weile brauchen.“

Soweit Heribert Prantl.

Ich glaube es lohnt sich, diesen notwendigen Grundkonsens in der politischen Klasse, den Prantl beschreibt, bei aller Auseinandersetzung über die Tagesaktualität immer wieder deutlich zu machen.

Meinungsfreiheit ist auch nicht Selbstzweck, sondern dient der Entwicklung und Verwirklichung der Menschenrechte.

Trauriges Beispiel für die Gefahren, denen die Meinungsfreiheit weltweit ausgesetzt ist, war der Mord an der russischen Journalistin Politkowskaja vor wenigen Wochen. Auch die besten wirtschaftlichen Beziehungen dürfen und werden uns nicht davon abhalten, diese Fälle anzusprechen und auf nachhaltige Verbesserungen zu dringen.

Eng mit diesem Standortfaktor verbunden ist der funktionierende Wettbewerb zwischen den Meinungsmachern. Natürlich ist es ein Gewinn, wenn zum Beispiel nicht nur ein Wochenmagazin die politische Lage spiegelt, sondern auch Konkurrenten das Zeitgeschehen fokussieren. Dieser Wettbewerb muss immer wieder gesichert werden. Den Marktkräften allein kann man das nicht überlassen. Erforderlich sind ein solider Regulierungsrahmen und eine funktionierende Konzentrationskontrolle.

Manche Entwicklungen und Entscheidungen in letzter Zeit haben aber nicht nur bei mir den Eindruck genährt, dass der Gesetzgeber hier dringend nachjustieren muss. Was wir alle beobachten können:

Der Medienwettbewerb wird immer interna-tionaler - ausländische Medienunternehmen investieren in Deutschland, deutsche Unternehmen im Ausland.

Die Technikanbieter verschmelzen mit Anbietern von Inhalten - wie uns das Streben der Telekommunikationsindustrie nach Rundfunkangeboten oder Apple mit dem Angebot zum Herunterladen von Musiktiteln zeigen.

Die Softwareanbieter suchen neue Erlösquellen mit Inhalten – wie Microsoft oder jüngst Google mit dem Kauf des Videoportals Youtube.

Auch die Medienunternehmen werden zum Ziel von reinen Kapitalanlegern, die Medienunternehmen als einen Industriezweig wie viele andere betrachten.

Wir müssen uns daher heute fragen, ob unser kompliziertes Medienkonzentrationsrecht wirklich noch dem Schutz der Meinungsvielfalt dient. Arbeiten wir hier nicht mit Kriterien, die die eben beschriebenen Herausforderungen gar nicht mehr in den Griff bekommen? Ist es wirklich medienpolitisch sinnvoll, mit Hilfe der tradierten Marktanteilsprüfung echte Medienunternehmen am Wachstum zu hindern? Lädt man damit nicht gerade die reinen Finanzinvestoren ein, deren Interessen sicher nicht in erster Linie medienpolitisch geprägt sind?

Wir haben in Deutschland ein hoch leistungsfähiges duales System, um das uns in der Welt viele beneiden. Dieses System ist mit viel Mühe und Leidenschaft aufgebaut worden. Ich will nicht, dass dieses duale System ernsthaft in Gefahr gerät, weil wir im Medienkonzentrationsrecht und im Kartellrecht mit falschen Maßstäben messen!

Auch für Medienunternehmen gilt ja, dass Fusionen zu neuen Großunternehmen normale wirtschaftliche Vorgänge sind. Eine Konzentration ist nicht per se schädlich. Nicht selten sichert sie sogar den Fortbestand – von Arbeitsplätzen ebenso wie von Konkurrenz gegenüber einem anderen Großen – und damit auch am Ende die Meinungsvielfalt. Der Generationswechsel im Zeitungsmarkt wird möglicherweise nicht anders zu bewältigen sein, als durch Konzentrationen. Fusionen bergen also immer Chancen und Risiken. Wir dürfen nicht die Chancen unterbinden, wir müssen Risikovorsorge betreiben.

All das verlangt einen neuen Rahmen für ein Medienkonzentrationsrecht. Ebenso wie wir schon heute rundfunkverwandte Märkte in die Betrachtung einbeziehen, darf auch nicht nur der deutsche Markt ausschlaggebend sein, wenn es um Großfusionen wie zum Beispiel bei ProSiebenSat.1 geht.

Das wäre schon deshalb verfehlt, weil wir Europäer wie Inländer behandeln müssen; dann kann doch nicht ein deutscher Interessent das Nachsehen haben, weil entsprechende Marktmacht in einem anderen EU-Mitgliedstaat nicht bewertet wird. Wegen des Verbots der Diskriminierung von EU-Inländern ist im Übrigen die Forderung nach einer Begrenzung der Beteiligung von Ausländern auf einen 25%-Anteil als Reaktion auf die Verkaufsgerüchte an die italienische Mediaset und ihren Eigentümer Berlusconi nicht Erfolg versprechend. Das sind im Übrigen auch Instrumente, die heute nicht mehr zeitgemäß sind. Großbritannien und Spanien haben sich von diesen Begrenzungen in den letzten Jahren nicht ohne Grund wieder verabschiedet.

Viel besser ist es, das Problem an der Wurzel zu packen und sich dazu zu bekennen, dass wir Inländer nicht diskriminieren dürfen. Gegenwärtig beschränken unsere Kartell-Normen inländische Fusionen. Um zu verhindern, dass nationale Medienunternehmen international ausverkauft werden, brauchen wir im Medienkonzentrationsrecht mehr Klarheit und Berechenbarkeit und im Kartellrecht eine stärkere Berücksichtigung der internationalen Wettbewerbsfähigkeit bei Medienfusionen.

Auch das Verhältnis zwischen beiden Rechtsgebieten muss neu überdacht werden. Ich meine, dass der Schwerpunkt bei der Prüfung von Medienfusionen im Bereich des Medienrechts liegt. Denn Medienunternehmen sind viel mehr als ein Instrument um Geld zu verdienen.

Medienunternehmen sind ein kultureller Standortfaktor erster Güte. Das gilt für Printerzeugnisse genauso wie für Multimediaanwendungen, für Musik ebenso wie für das Kino. Mein Einsatz für die heimischen Medienunternehmen gilt also nicht allein den damit zusammenhängenden Arbeitsplätzen. Heimische Medienunternehmen sichern unsere kulturelle Identität, und das umso besser, je reichhaltiger das Angebot ist. Ein umfangreiches Angebot setzt aber nun einmal leistungsfähige und international konkurrenzfähige Unternehmen voraus.

Diesen Standortfaktor „Kultur“ kann man in einer globalisierten Welt nicht genug schätzen. Europa ist hier besonders reich an Potenzial. Literatur, Malerei, Musik, Film – es gibt gute Gründe, als Europäer stolz zu sein über die Fülle und Verschiedenartigkeit der europäischen Werke. Diese kulturelle Vielfalt nicht nur zu erhalten, sondern aktiv zu fördern ist ein Anliegen, für das ich mich einsetze. Dafür lasse ich mich dann auch gerne als „Standortpolitiker“ bezeichnen.

Gerade in einem mündigen und zusammenwachsenden Europa haben Programme ihre besondere Berechtigung, die sich in besonderer Weise der deutschen Sprache und dem kulturellen Erbe unseres Sprachraumes verpflichtet wissen. Die Betonung einer solchen Identität ist keine Ausgrenzung. Integration gelingt nur dort, wo Identifikation möglich ist, weil das Besondere erkennbar wird. Werte entwickeln sich, sie haben Wurzeln in Sprache, Kunst und Geschichte. Die Wurzeln wollen gepflegt werden. So wichtig auch eine kritische Auseinandersetzung mit den eigenen Schwächen ist, so unverzichtbar ist es ebenso, die eigenen Stärken herauszuarbeiten und bewusst einzusetzen.

Denn eine Gesellschaft definiert sich über kulturelle Gemeinsamkeiten. Fallen Identität stiftende Faktoren weg, schwächt das den Zusammenhalt und letztlich die Leistungsfähigkeit einer Gemeinschaft. Ein Ganzes vermag eben mehr als die Summe seiner Teile. An welche „Identitätsstifter“ denke ich?

Die Sprache: Deutschsprachige Autoren, Musik und audiovisuelle Produktionen wird es vornehmlich bei inländischen Unternehmen geben. Synchronisierte Filme oder übersetzte Werke sind dafür kein hinreichender Ersatz.

Die Themen: Stoffe und Probleme die uns in Deutschland bewegen sollen weiter vorkommen. Das gilt für die politische Berichterstattung ebenso wie für Filmstoffe. Auch wenn es gefährlich ist, jetzt nur zwei Beispiele herauszugreifen, so möchte ich doch „Die Luftbrücke“ und „Dresden“ zur Erläuterung nennen.

Die Regionen:  Nordsee und Alpen, Rheingau und Oderbruch, das findet sich in inländischen Medien anders und häufiger, als andern Orts. Ich denke dabei auch an die Berichte über Menschen, reale wie fiktive Charaktere. Oder etwas pointiert gesagt: Lieber den „Bullen von Tölz“ als den Cop aus Manhattan.

An dieser Stelle muss ich eine Lanze für die deutsche Filmförderung brechen. Mit berechtigtem Stolz sehen wir die Erfolge deutscher Produktionen. Zwei Beispiele habe ich bereits genannt. „Das Parfum“ könnte ich als aktuellen Film noch hinzufügen. Oder den momentanen Lieblingsfilm der Bayern: „Wer früher stirbt ist länger tot“ des Nachwuchsregisseurs Marcus Rosenmüller. Er läuft auch hier in Berlin. Ich kann Ihnen nur raten: Gehen Sie ins Kino, sehen Sie ihn sich an. Es lohnt sich. Das neue deutsche Kino kann inzwischen durchaus mit Hollywood mithalten. Angesichts der Finanz- und Marktstärke der US-Amerikanischen Filmindustrie ist das ja ein beachtlicher Befund!

All das wäre ohne die langjährige Förderung deutscher Filmstandorte nicht denkbar. Das Wachstum hat dafür gesorgt, dass sich auch zahlreiche Zulieferer angesiedelt haben. Autoren werden benötigt, Ausbildungsstätten werden eingerichtet. So entstehen kreative Zentren, die die gerade genannten Erfolge erst möglich machen.

Medienschaffen steht schon sehr lange in einem internationalen Kontext. Das betrifft Stoffe, Schauspieler, Vertrieb – den Kapitaleinsatz schlechthin. In Amerika, aber auch in Asien gibt es eine Medienindustrie, die auf Expansion drängt und ganz andere Standortbedingungen aufweist, von denen der große heimische Markt wohl am wichtigsten ist. Um diesen Vorteil auszugleichen, ist der fördernde Einsatz für europäische Produktionsstandorte legitim. In Frankreich und anderen EU-Mitgliedstaaten haben wir dabei wichtige Verbündete in der Sache – selbst wenn wir uns im Weg nicht immer einig sind.

Derzeit wird in Brüssel die Revision der Fernsehrichtlinie verhandelt. Wie Sie wissen, gibt es im Fernsehen Quoten für europäische Werke. Ich mache keinen Hehl daraus, dass ich starren Vorgaben noch nie etwas abgewinnen konnte, wenn es um Medien und Kultur geht. Gleichwohl wünsche ich mir natürlich ein Engagement der inländischen Unternehmen zu Gunsten heimischer Inhalte.

Die Bedeutung einer Förderung für den Kulturstandort Deutschland muss immer wieder hervorgehoben werden. Diese Förderungen sind nicht unumstritten. Im Rahmen der GATS-Verhandlungen gibt es durchaus Bestrebungen, Medien nur unter wirtschaftlichen Aspekten zu betrachten. Wegen ihrer zentralen, Identität stiftenden Funktion sind Kulturgüter aber nicht einfach nur ein Handelsobjekt oder eine Dienstleistung wie andere auch. Das habe ich auch in meinen Gesprächen mit Kommissionsmitgliedern deutlich gemacht. Darauf werde ich in den weiteren Verhandlungen mit Brüssel in Beihilfefragen oder bei der Ausgestaltung der Dienstleistungsfreiheit beharren.

In die gleiche Richtung geht auch unsere Argumentation für die laufenden Auskunftsverfahren nach dem EU-Beihilferecht. Die Ausnahmen für kulturelle Förderung dort sind eng gefasst. Aufgrund des umfassenden Tätigkeitsfelds der Rundfunkanstalten gibt es natürlich dort auch rein wirtschaftliche Aktivitäten. Auch sie sind aber Bestandteil des öffentlich-rechtlichen Rundfunks, wie wir ihn wollen.

Aufgrund unserer Verfassung hat der öffentlich-rechtliche Rundfunk eine besondere Stellung in Deutschland. Für mich sind öffentlich-rechtlicher Hörfunk und öffentlich-rechtliches Fernsehen Kultureinrichtungen - neben ihrer gesellschaftspolitischen Rolle. Alltagskultur und Hochkultur werden einer weitaus größeren Zahl von Bürgern nahe gebracht als durch manch andere Einrichtungen, die gemeinschaftlich finanziert werden. Es kann nicht angehen, dass Brüsseler Beamte mit Hilfe des Wettbewerbsrechts in die Kulturkompetenzen der Länder eingreifen wollen, wie sie der EU-Vertrag aus gutem Grunde regelt.

Um unsere Regelungshoheit zu sichern, wird es aber nicht reichen, nur auf Rechtsansichten zu beharren. Wir müssen dem Bemühen der Kommission, länderspezifischen Besonderheiten im Bereich der Medien mittels des Wirtschaftsrechts beizukommen, überzeugende Konzepte entgegensetzen. Dass uns das gelingen kann, zeichnet sich gerade ab. Die Rundfunkkommission wird sich am 12. Dezember 2006 mit einer abschließenden Antwort im ARD/ZDF-Beihilfeverfahren befassen.

Ich möchte zurückkommen auf die Bedeutung der Massenkommunikation und der Massenkultur für unsere Gesellschaft. Der Fernseher wurde einmal etwas herabsetzend als Pantoffelkino bezeichnet. Inzwischen ist die TV-Plattform ein wichtiges Medium für die Verbreitung cineastischer Werke geworden. Das Fernsehen ist das Theater von heute, nicht nur wegen der Übertragung von Theaterstücken. Der Rundfunk ist der Konzertbau der Moderne, der vielen Interessierten die Teilnahme an herausragenden Konzerten ermöglicht. Bücher werden heute immer noch gelesen, aber ebenso gehört und als Verfilmung gesehen.

Die öffentlich-rechtlichen Sender haben hier in der Vergangenheit viel geleistet. Auch heute bieten sie ein Qualitätsprogramm, das hohe Anerkennung verdient. Diese Leistung des öffentlich-rechtlichen Rundfunks will ich jetzt nicht gegen das Angebot des privaten Rundfunks ausspielen, wie es gerne und häufig im Feuilleton getan wird. Zum einen, weil die privaten Veranstalter tatsächlich einen wichtigen Beitrag zur Vielfalt leisten und in zahlreichen Produktionen den Vergleich mit ARD und ZDF nicht scheuen müssen. Dass Formate und Fernsehlieblinge der Privaten ins öffentlich-rechtliche Umfeld wechseln ist ja ein deutlicher Beleg dafür. Zum anderen ist die Kritik beckmesserisch, weil ein privater Veranstalter sich anders finanziert, als ein gebührengesicherter Sender.

Meine Sorge gilt einer anderen Entwicklung. Gegenwärtig beginnt im Zusammenhang mit der künftigen Ausgestaltung der Rundfunkgebühr eine Diskussion, ob tatsächlich alles über Gebühr finanziert werden muss, was derzeit an neuen Angeboten vor allem im Internet entwickelt wird. Die Angebote im Internet, die den PC unversehens zum Rundfunkempfangsgerät gemacht haben, sind aber nur der Auslöser.

Der Verweis auf die vom Verfassungsgericht 1994 zuletzt bestätigte Entwicklungsgarantie genügt als Antwort nicht vollständig. Zuviel hat sich seitdem in der Technik und bei den Angebotsformen geändert. Die Begründung mit der notwendig gemeinsamen Finanzierung einer Grundversorgung verliert angesichts des umfangreichen Angebots aller Sender und der öffentlich-rechtlichen im Besonderen an Überzeugungskraft. Es geht also um die Frage, wie künftig zu rechtfertigen ist, dass ich für etwas zahlen muss, was ich vielleicht gar nicht sehe. Ich werde auch weiter für diese solidarische Finanzierung eintreten und kämpfen. Aber die Auseinandersetzung wird härter, das hat das Thema PC-Gebühr“ deutlich gezeigt.

Nach diesen Ausführungen zu den eher ideellen Standortfaktoren darf der Blick auf reelle Faktoren nicht ausbleiben. Natürlich haben „die Medien“ eine erhebliche wirtschaftliche Bedeutung. Kein Medienpolitiker kann ernstlich behaupten, es gehe nicht um den Wirtschaftsstandort. Im Gegenteil: Die Medien sind ein Wirtschaftszweig, der auch bei unseren hohen Löhnen und Sozialstandards weltweit konkurrenzfähig ist. Deshalb lohnt ein Engagement für Wachstum in diesem Industriebereich. International wettbewerbsfähige Medienunternehmen sind letztlich auch im Interesse der Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer.

Zur Veranschaulichung zwei Beispiele. Die in Berlin und München ansässige ProSiebenSat1.Media AG hat rund 2800 Mitarbeiter und einen Konzernumsatz von fast zwei Milliarden Euro. Der international agierende Bertelsmann-Konzern hatte 2005 einen Gesamtumsatz von 17,89 Milliarden Euro, davon die RTL Group allein 5,11 Milliarden. Ich denke, diese wenigen Zahlen belegen eindrucksvoll, welche wirtschaftliche Kraft in diesem Bereich steckt.

Diese Überlegungen gelten aber auch für die Standorte der öffentlich-rechtlichen Rundfunkanstalten. Der Bayerische Rundfunk ist in Bayern, vor allem in München ein wichtiger Arbeitgeber und Auftraggeber. Die ARD beschäftigt rund 21.000 Festangestellte, das ZDF etwa 3.800 und das Deutschlandradio ausweislich des 15. KEF Berichts etwa 670; der Stellenplan sieht sogar mehr Beschäftigte vor und die per Auftrag frei beschäftigten müsste man noch dazu rechnen.

Damit hat Deutschland das größte öffentliche Rundfunksystem Europas mit einem Gebührenaufkommen von über 7 Milliarden Euro. Angesichts der Tatsache, dass die ARD allein schon 123 Unternehmensbeteiligungen hält, könnte man bei ihr sogar von einem Medienkonzern sprechen.

Auch Intendanten sind deswegen zwangsläufig Standortpolitiker, zum Beispiel wenn sie neue Zuständigkeiten für ihren Sender reklamieren oder die Auslastung ihrer Produktionstochter verbessern wollen. Das ist auch gar nichts Verwerfliches. Nur muss man auch dazu stehen und sollte nicht die Medienpolitik mancher Bundesländer als Standortpolitik schlecht reden.

Insbesondere das von mir gemeinsam mit den Kollegen Steinbrück und Milbradt vorgelegte Diskussionspapier von 2003 zu notwendigen Reformen im Rundfunk wurde von Vielen mit größtem Entsetzen und spitzen Fingern aufgenommen. Heute wissen wir, dass damals zutreffend mit Blick auf Europa die Forderung nach einer weiteren Präzisierung des Auftrags von ARD und ZDF formuliert wurde.

Auch die Forderung der Länder nach Selbstverpflichtungen der Anstalten in inhaltlichen, aber auch finanzwirksamen Bereichen, wurde zunächst bekämpft, dann widerwillig umgesetzt und wird jetzt in den Auskunftsersuchen gegenüber der Generaldirektion Wettbewerb als wichtige Errungenschaft des deutschen Rundfunksystems auch von den Anstalten gerne ins Feld geführt.

Insgesamt machen sowohl ARD als auch ZDF einen durchaus kräftigen, lebensfähigen Eindruck. Diese Kraft sollte eigentlich die Gelassenheit geben, auch mit den sicher unbequemen Anforderungen des EU-Rechts pragmatisch und lösungsorientiert umzugehen.

Das oft zitierte Amsterdamer Protokoll, das wir Länder eisern verteidigen, gibt uns Ländern Gestaltungsrechte, entlässt uns aber nicht aus allen Verpflichtungen des europäischen Rechts. Wollen wir auch künftig die Medienpolitik für Deutschland in Deutschland machen, dann wird daraus eine Gestaltungspflicht.

Gerade angesichts des technischen Wandels muss politisch entschieden werden, welche Aufgaben künftig ein gemeinschaftlich finanzierter Dienst haben soll, gerade auch im Internet. Die neuen Medien verstärken den Trend zur Vereinzelung vor dem Bildschirm. Jeder ist sein eigener Programmchef. Das heißt aber auch: Jeder hört und sieht etwas anderes. Die neuen Medien sind nicht mehr in  der Weise Gemeinschaft stiftend, wie es das alte Radio und Fernsehen war. Die Individualisierung der Kommunikation wird uns einen weiteren Schub an Kommerzialisierung bringen. Damit einher geht eine Schwächung der kollektiven Wertbildung.

Ich wünsche mir deshalb einen starken öffentlich-rechtlichen Rundfunk zu vernünftigen Bedingungen. Ein vernünftiges Angebot für einen starken Zuspruch der Bürger – auch zur Gebührenpflicht. Ein Angebot, das man auch in der unüberschaubaren Vielfalt wegen seiner Qualität und Verlässlichkeit sucht und wieder erkennen kann, weil es Original ist, kein Aufguss.

„Rundfunk“ im klassischen Sinne ist für das Angebot von ARD, ZDF und Deutschlandradio eigentlich nicht mehr der zutreffende Begriff. Das gewandelte Angebot nimmt aber immer noch die Funktion wahr, die dem Verfassungsgeber bei Abfassung des Artikel 5 Grundgesetz vor Augen stand. Im Unterschied zum analogen Fernsehkanal der Vergangenheit fehlt heute die natürliche Begrenzung der Aktivitäten durch die Technik und die vorhanden Sendekapazitäten.

Diese technische Begrenzung war im Übrigen auch der Grund, warum der öffentlich-rechtliche Rundfunk so privilegiert war und ist. Deshalb ist es angesichts des gewachsenen Angebots und der vermehrten Übertragungskapazität nur folgerichtig, den Auftrag im Sinne der Forderung der Generaldirektion Wettbewerb konkreter zu fassen. Diese Festlegungen werden aufgrund des schnellen Wandels der Technik und der Bedürfnisse der Bürger regelmäßig zu prüfen und zu ändern sein. So verstehe ich die zeitgemäße Umsetzung der Entwicklungsgarantie.

Wo sehe ich nun die drängenden Herausforderungen für die aktuelle Medienpolitik?

Wir müssen eine Lösung für die Integration der neuen Techniken in unser duales System finden, insbesondere was den Auftrag des öffentlich-rechtlichen Rundfunks als auch dessen Finanzierung betrifft.

Wir müssen den Versuchen Brüssels, uns eine Medienordnung vorzugeben, die sich allein an wirtschaftlich Wünschenswertem orientiert, im Interesse unserer kulturellen Werte und gesellschaftlichen Zielen überzeugend entgegenwirken.

Wir brauchen neue Konzepte, um auch nach den ablaufenden Integrations- und Konzentrationsprozessen Vielfalt und Wettbewerb im Meinungsmarkt vorzufinden.

Ich würde mir wünschen, dass die evangelische Medienarbeit diese Diskussionsprozesse aktiv begleitet. Ich danke für Ihre Aufmerksamkeit.