Laudatio auf Tomas Gärtner (Dresdner Neueste Nachrichten), Preisträger der John-Templeton-Stiftung 2005, Dresden

Christof Vetter

Sehr geehrter Herr Landesbischof, sehr geehrte Frau Thompson, und sehr geehrte Vertreter der John Templeton Foundation und der Konferenz Europäischer Kirchen, sehr geehrte Frau Brigel, sehr geehrte Damen und Herren und sozusagen als Steigerung: sehr geehrter Herr Dr. Gärtner,

„Provinz ist, wo ich bin“ – im Arbeitszimmer meine Frau hängt eine schwarze Postkarte, auf der in weißer Schrift zu lesen ist: „Provinz ist, wo ich bin“. Ich stolpere immer wieder über diesen Satz, wenn ich in diesem Zimmer unserer Wohnung bin. Sie können mir vertrauen, wenn man – wie ich – seinen Hauptwohnsitz in der Doppelstadt hat, in der der Neckar entspringt, und in der die Donau einen ihrer Anfänge nimmt, weiß man, von was man spricht, wenn man das Wort „Provinz“ in den Mund nimmt. Wer trotz aller beruflichen Wege und Pfade seinen Hauptwohnsitz dort behält, macht das auch, weil das Wort „Provinz“ für ihn eben keinen negativen Klang hat. „Provinz“ ist Heimat, ist Nähe, ist Nachbarschaft, ist Vertrautheit – und, das kann ich Ihnen sagen, Provinz hat keinen Mief.

Wer für die Öffentlichkeit der Kirche auf mehreren Ebenen verantwortlich war und ist, hat zudem erkannt: Kirche findet nicht in Brüssel oder Genf, auch nicht in Hannover oder Berlin statt, sondern Kirche ist dort, wo die Kirchtürme zu sehen sind, wo Menschen miteinander Gottesdienste feiern, wo nach denen geschaut wird, die Hilfe brauchen. Das ist kein Argument gegen all die nationalen und kontinentalen Aktivitäten der Kirche, sondern die Erinnerung daran, dass die Menschen dort leben, wo Kiez und Provinz ist, wo nicht die große Politik gemacht wird, sondern wo sie sich auswirkt.

In diesem Sinne und mit dieser Voraussetzung hat die Jury genau den richtigen Preisträger ausgesucht – nicht, weil Dresden Provinz ist. Das weiß ich nämlich nicht. Dazu kenne ich Dresden zu wenig, um mir dieses Urteil zu erlauben. Die Jury hat den richtigen Preisträger ausgesucht, weil in Dresden Menschen leben, und weil Dr. Tomas Gärtner über diese Menschen berichtet – aus seinem eigenen Blickwinkel des Journalisten, der beobachtet und doch beteiligt ist.

Wo Menschen leben, entstehen Geschichten, die wirklichen Geschichten. Wenn in Berlin am Abend der Wahl die Elefantinnen und Elefanten zusammen kommen, so erregen die Geschichten, die dort entstehen, zwar die gesamte Journaille, aber die Geschichten würde es nicht geben, hätten nicht zwei Fernsehsender zu einer Diskussion eingeladen. In Dresden und Umgebung entstehen Geschichten, weil Menschen miteinander leben – das sind die Geschichten des Lebens.

Journalismus findet dort statt, wo die Geschichten des Lebens erzählt werden, so erzählt werden, dass die Leserinnen und Leser sich selbst ein Urteil bilden können. Weiser hätte die Jury nicht entscheiden können: Nicht einer der Journalistinnen und Journalisten, die über die ökumenischen Verflechtungen in Genf oder Brüssel, nicht einer der Journalistinnen und Journalisten, die über die Deutsche Bischofskonferenz und die EKD berichten, obwohl wir natürlich immer die Hoffnung haben, dass viele Kolleginnen und Kollegen über diese Aktivitäten – oder auch über die anstehende Dritte Europäische Versammlung und die Vorbereitung darauf in Wittenberg berichten. Wir freuen uns auf die Treffen und auf die Fortsetzung von Basel und Graz. Wir hoffen, dass davon wieder wichtige Impulse ausgehen.

Aber – um zurück zu kommen: – als „European Religious Writer of the Year 2005“ wird ein Journalist ausgezeichnet, der über das Leben nicht in Versammlungen und Konferenzen, sondern vor Ort berichtet. Dr. Tomas Gärtner bekommt diesen Titel, weil er berichtet, dass zum Leben die Religion gehört – die Religion, wie sie gelebt wird am Ort, in der Kirchengemeinde, in der Begegnung mit anderen.

Solche Journalisten brauchen wir, wir die Kirche. Wir brauchen Sie, weil Sie mit dem kritischen Auge des Journalisten auf uns blicken. Wir brauchen Sie, weil Sie den Menschen, sagen, was Kirche vor Ort macht. Wir brauchen Sie, weil Sie das Bild der Kirche prägen. Dass die Jury des Templeton-Preises dieses in diesem Jahr hier in Dresden auszeichnet, ist ein Glücksfall, über den wir uns freuen können.

Die EKD gratuliert Ihnen, Herr Dr. Gärtner, zu dem Preis – nehmen Sie es als Ermutigung, weiterhin die Geschichten des Lebens zu erzählen.