Ostern 2006 - Beitrag in der Berliner Morgenpost

Wolfgang Huber

„Der Herr ist auferstanden – er ist wahrhaftig auferstanden.“ Der Osterruf der biblischen Urgemeinde hallt ungebrochen in die heutige Welt. Er lässt sich von Schreckensmeldungen und persönlichen Schicksalsschlägen nicht aufhalten, sondern nimmt uns  mit hinein in eine Hoffnung, die größer ist als aller Schrecken. In diesem umfassenden Sinn ist Ostern das Fest des Lebens, die klare Antwort Gottes auf unsere Angst vor Tod und  Verderben. Der Osterruf entfaltet eine befreiende und überwältigende Kraft. Er ist der Pulsschlag unseres Glaubens und der Grund einer Zukunftshoffnung, die an Tod und  Sterben nicht zerbricht.

Christen feiern mit der Auferstehung Christi die Überwindung des Todes. Dem Tod ist die letzte Macht genommen. Das ist der Horizont, innerhalb dessen sie alles Geschehen wahrnehmen. Unser endliches und sterbliches Leben erscheint in dieser Perspektive als ein kostbares Geschenk, dem mit Achtung zu begegnen ist.

Ostern ermutigt dazu, sich den Fragen der eigenen Endlichkeit zu stellen. Denn unser begrenztes Leben steht unter einer Verheißung, die am Tod nicht zerbricht. Es hat teil an einer Hoffnung, die über die Endlichkeit unseres Lebens hinausweist. Jedes einzelne menschliche Leben weiß der Glaube geborgen in Gott; jedem einzelnen menschlichen Leben gilt die Verheißung der Auferstehung. Diese Hoffnungsperspektive hat in der Auferweckung Jesu ihren unverbrüchlichen Anker.

Das Licht der Auferstehungsbotschaft leuchtet auch für die Menschen, die unter der Endlichkeit ihres Lebens leiden, weil eine schwere Krankheit sie in die Verzweiflung treibt. Es leuchtet ebenso für die Menschen, die sich gesellschaftlich ausgeschlossen fühlen, weil sie als Christen in anderen Ländern unserer Welt zu einer bedrohten Minderheit gehören und sich vor Verfolgungen um ihres Glaubens Willen fürchten müssen. Das Osterlicht scheint auch auf den Weg derjenigen, die keinen Arbeitsplatz finden, obwohl sie sich darum bemühen. So direkt muss heute die Osterbotschaft verkündet werden, dass die einen wie die andern wissen: Sie sind gemeint.

Wenn heute die österliche Zeit der Freude in uns und um uns anbricht, wenn die Christenheit in aller Welt Ostern feiert, dann erreicht uns das Licht des Ostermorgens. Die Sorgen auf dem Weg zu diesem Osterfest werden zurechtgerückt. Persönliche Zukunftsängste, wirtschaftliche Sorgen, der Streit um die richtigen Reformen zugunsten unseres Landes, die Angst vor Terror und Krieg sind keine Gründe zur Verzagtheit. Wer sich im Leben und Sterben von Gott getragen weiß, der kann auch sich selbst etwas zutrauen. Wer vom Licht des Ostermorgens herkommt, braucht nicht alles grau zu malen. Wer den Neubeginn dieses Tages wahrnimmt, kann gar nicht darauf beharren, dass alles so bleibt, wie es ist. Als Christen treten wir deshalb dafür ein, dass die Zuversicht wieder an Boden gewinnt. Die Osterfreude wird in uns und um uns Raum greifen, indem wir einstimmen in den Osterjubel der Jünger Jesu: „Der Herr ist auferstanden – er ist wahrhaftig auferstanden!“