Eingangsvotum des stellvertretenden Ratsvorsitzenden im Ökumenischen Gottesdienst zur Eröffnung der Interkulturellen Woche / Woche der ausländischen Mitbürger, St. Katharinenkirche, Frankfurt a.M.

Christoph Kähler

Es gilt das gesprochene Wort.

Im Namen Gottes des Vater, des Sohnes und des Heiligen Geistes. Amen.

Liebe Schwestern und Brüder,

im Namen der drei Trägerkirchen, der Evangelischen Kirche in Deutschland, der Römisch-Katholischen Kirche und Griechisch-Orthodoxen Metropolie, begrüße ich Sie herzlich in diesem Ökumenischen Gottesdienst zur Eröffnung der „Interkulturellen Woche/Woche der ausländischen Mitbürger 2007“.

Aus diesem Anlass erinnere ich mich gern an den vergangenen Sonntag. Im Gottesdienst in Eisenach segneten wir evangelische Diakone ein. Unter ihnen legte ich Adelino Massuvira Joào die Hand auf, der vor 46 Jahren in Mozambique geboren wurde. Unser Fest gewann durch ihn und seine Familie deutlich - an Farbe. Joào war seit 1983 Sprachmittler für Vertragsarbeiter in der DDR. Inzwischen kümmert er sich - vom Kirchenkreis angestellt - nicht mehr um die Anweisungen eines Meisters oder Betriebsleiters. Heute ist er Ausländerbeauftragter im Kirchenkreis Henneberger Land und zugleich Jugendreferent. Das ist - im Osten Deutschlands - noch alles andere als selbstverständlich.

„Teilhaben - Teil werden“ lautet das Motto der Woche in diesem Jahr. Unverhofft erhält damit eine alte christliche Glaubenseinsicht gesellschaftspolitische Bedeutung, die der Verfasser des Epheserbriefes in die Worte gefasst hat: „So seid ihr nun nicht mehr Gäste und Fremdlinge, sondern Mitbürger der Heiligen und Gottes Hausgenossen, ein Bau, erbaut auf dem Grund der Apostel und Propheten, in dem Jesus Christus der Schlussstein ist.“ (Epheser 2, 19f).

So ist es: Christinnen und Christen haben über alle ethnischen, sozialen und kulturellen Unterschiede hinweg Teil an der weltweiten ökumenischen Glaubensgemeinschaft derer, die Jesus Christus als ihren Herrn und Heiland dieser Welt bekennen.

„Die Kirche Gottes kennt keine Fremden.“, So sagten wir es vor etwa 15 Jahren im Streit um die Änderung des Deutschen Asylrechts. Das geht freilich noch einen Schritt über die Aussage des Epheserbriefes hinaus. Wir haben damit die Gebote des Alten Testaments aufgenommen, Fremde gastfreundlich aufzunehmen und entsprechend ihrer Würde zu behandeln. Denn Gott hat jeden Menschen als sein Ebenbild geschaffen und ihn mit der gleichen Würde ausgestattet. Alle Menschen hat Gott zur Teilhabe und zum Mitwirken an seiner guten Schöpfung geschaffen. Deshalb ist die christliche Gemeinde in besonderer Weise aufgerufen, sich dafür einzusetzen, dass diese Teilhabe und dieses Mitwirken auch möglich wird und dass alle Menschen ein Leben in Würde führen können.

Dafür müssen Voraussetzungen geschaffen werden. Und darum haben die Kirchen bereits in dem „Gemeinsamen Wort der Kirchen zu den Herausforderungen durch Migration und Flucht“ vor 10 Jahren geworben: „Es gilt, gesellschaftliche und politische Voraussetzungen zu schaffen, damit das Recht der Menschen auf ein menschenwürdiges Dasein und eine gerechte Teilhabe an den Gütern dieser Erde möglichst umfassend zum Tragen kommen“.

Der Diskussionsprozess, der damit begann, ist seither nicht ohne Wirkung geblieben. Denn Deutschland ist ein Zuwanderungsland und auf Zuwanderung angewiesen. [Das ist spätestens mit dem Bericht der „Unabhängigen Kommission Zuwanderung“ im Jahr 2001 zu einer breiten Überzeugung in unserer Gesellschaft geworden. Seither sind „Zuwanderung“ und „Integration“ Themen, die die politische und gesellschaftliche Diskussion bestimmen.] Im Gemeinsamen Wort der Kirchen zur diesjährigen Interkulturellen Woche heißt es: „Nur wer im vollen Umfang am gesellschaftlichen Leben teil hat, kann wirklich Teil dieser Gesellschaft werden.“ Diese Erwartung unterscheidet sich deutlich von manchen Äußerungen aus Politik und Wirtschaft. Dort wird Zuwanderung und Integration noch immer vor allem als Mittel verstanden, Lücken in der Beschäftigung zu füllen, wenn die Konjunktur es verlangt. Versäumnisse in der Ausbildung und Qualifizierung von Fachkräften und demographische Probleme sollen so behoben werden.

Es besteht die Gefahr, in eine vornehmlich auf Abwehr ausgerichtete Ausländerpolitik zurückzufallen. Dagegen will die Interkulturelle Woche kräftige Zeichen setzen. Denn wir brauchen einen Perspektivenwechsel hin zu einer konstruktiven Migrationspolitik.

Mit dem Motto „Teilhaben - Teil werden“ entspricht die Interkulturelle Woche auch dem Europäischen Jahr der Chancengleichheit, das die EU für 2007 ausgerufen hat. Blicken wir allerdings auf Europa, erfüllt uns die Entwicklung des Flüchtlingsschutzes mit Sorge. Denn es erscheint, dass sich Europa seiner Verantwortung für Flüchtlinge entzieht, um sie den Staaten in armen Teilen der Welt aufzubürden. Darin ist auch Deutschland immer stärker durch eine verbindliche Gesetzgebung eingebunden.

Die Folgen einer solchen „Regionalisierung des Flüchtlingsschutzes“, wie das inoffizielle Stichwort lautet, zeigen sich in einer konsequente Abschottung an den EU-Außengrenzen. Erschreckende Bilder von Flüchtlingen, die bei dem Versuch ertrunken sind, das europäische Festland zu erreichen, widersprechen den christlichen Grundwerten von Freiheit, Menschenwürde und Unverletzbarkeit der Person. Diese Grundwerte liegen ja auch dem europäischen Einigungsprojekt zugrunde und sind im Entwurf eines Grundlagenvertrags der EU festgeschrieben. Viele von denen, die es dennoch schaffen, die europäischen Außengrenzen zu überwinden, verzichten oft auf die geringen Chancen, die ihnen engherzige Asylverfahren bieten. Stattdessen wächst die Zahl derer, die einen Weg des Überlebens ohne Papiere in Europa suchen. Ohne jeglichen Nachweis ihrer Identität führen zu können, sind diese Menschen in ihrer Würde besonders bedroht.

Ich habe damit nur einige der Probleme angesprochen, die bei den Gottesdiensten und Veranstaltungen in der Interkulturellen Woche Anlass für Gebete, Gegenstand gemeinsamen Nachdenkens und Stoff für Diskussionen sein werden. Schließen möchte ich mit dem Dank an alle, die in der Migrations- und Flüchtlingsarbeit seit Jahren für Chancengleichheit und volle Teilhabemöglichkeiten von Migranten und Flüchtlingen eintreten und die auf diese Weise die Zusage aus dem Epheserbrief in die gesellschaftliche Wirklichkeit einbringen: „So seid ihr nun nicht mehr Gäste und Fremdlinge, sondern Mitbürger der Heiligen und Gottes Hausgenossen“.