Grußwort in der Feier zur Errichtung und Besetzung der Stiftungsprofessur für Öffentliches Recht mit dem Schwerpunkt im Kirchen- und Staatskirchenrecht an der Universität Göttingen sowie zur Übergabe der Leitung des Kirchenrechtlichen Instituts der EKD

Wolfgang Huber

„Die Evangelische Kirche in Deutschland fördert und unterstützt Einrichtungen und Arbeiten von gesamtkirchlicher Bedeutung, insbesondere die wissenschaftliche Forschung auf den Gebieten der Theologie und des Kirchenrechts, die Kirchenmusik, die kirchliche Kunst und die Herausgabe kirchlichen Schrifttums.“ So beschreibt die Grundordnung der EKD von 1948 eine der Aufgaben, welche die Evangelische Kirche in Deutschland stellvertretend für die Gemeinschaft ihrer Gliedkirchen wahrnimmt.

Eine weitsichtige Formulierung! Natürlich werden theologische und kirchenrechtliche Forschung in unserem Land auch auf andere Weise gefördert. Wir sind dankbar für den angestammten Platz, der den theologischen Fakultäten in unseren Universitäten zukommt. Dankbar nehmen wir die Pflege des Kirchenrechts an einer Reihe juristischer Fakultäten wahr, auch wenn wir seine bessere Verankerung in den Studien- und Prüfungsordnungen für wünschenswert halten.

Dieser Dank wird nicht gemindert, wenn die EKD auch in eine unmittelbare Verantwortung für diese Aufgaben eintritt. Man kann das an den Kirchlichen Hochschulen sowie an den Instituten in der Verantwortung der EKD sehen, die sich der theologischen Forschung widmen. Das Kirchenrechtliche Institut der EKD mit seiner langen Geschichte zeigt das Engagement der EKD im Feld des Kirchenrechts. Mit der Einrichtung und Besetzung der Stiftungsprofessur wird dem ein weiterer Baustein hinzugefügt.

Noch bevor Artikel 7 der Grundordnung von 1948 zur Rechtsgrundlage für das Kirchenrechtliche Institut der EKD werden konnte, ist das Institut 1945, kurz nach Gründung der EKD selbst, in Göttingen durch Rudolf Smend ins Leben gerufen worden: unspektakulär, auf Grund eines einfachen Beschlusses des Rats der EKD als „juristisch-theologische Untersuchungsstelle zur Überprüfung des gültigen Kirchenrechts“. Schon in den Anfängen wird erkennbar, wie wichtig für das Kirchenrechtliche Institut der EKD die Verankerung im Umfeld einer Universität mit juristischer und theologischer Fakultät ist. Diese Kombination hat auch mir persönlich den Zugang zum Kirchenrecht erschlossen. Denn in meiner Göttinger Studienzeit 1962/63 habe ich auch selbst bei Rudolf Smend studiert und an den Seminaren in der Goßlerstrasse 11 teilgenommen. Natürlich ist mir dabei auch der Rat des damaligen Assistenten Axel von Campenhausen zuteil geworden.

Wenn es zu den in den neunziger Jahren in einer Ordnung festgehaltenen Aufgaben des Instituts gehört, „das Interesse an den Fächern Kirchenrecht und Staatskirchenrecht unter dem akademischen Nachwuchs lebendig (zu) erhalten“ und „die wissenschaftliche Betreuung von Aus- und Fortbildungsveranstaltungen auf den Gebieten des Kirchen- und Staatskirchenrechts“ sicherzustellen, so ergibt sich schon daraus, dass die Aufgaben des Instituts nur in enger Verbindung mit der Universität wahrgenommen werden können. Heute wird die Leitung des Kirchenrechtlichen Instituts mit einer durch die EKD errichteten Stiftungsprofessur an der Juristischen Fakultät verbunden. Dadurch wird diese institutionelle Verbindung konsequent weiterentwickelt.

Die EKD folgt damit dem Auftrag, den ihre Grundordnung ihr mitgegeben hat. Sie dankt der Universität, bei der wir auf große Offenheit im Hinblick auf die Stiftungsprofessur gestoßen sind. Nicht zuletzt dankt die EKD den Zustiftern, die außer ihr selbst zur finanziellen Grundlage der Stiftungsprofessur beigetragen haben, nämlich den Gliedkirchen der EKD, denen die gesamtkirchliche Bedeutung von Stiftungsprofessur und Kirchenrechtlichem Institut vor Augen steht, und den kirchlichen Banken, die sich mit namhaften Beträgen beteiligt haben. Für ihren langen Atem bei der Verwirklichung dieses Vorhabens und dessen kundige Begleitung danke ich insbesondere dem gerade ausgeschiedenen Präsidenten des hannoverschen Landeskirchenamts Eckart von Vietinghoff und seinem Nachfolger Burkhard Guntau.

Wir freuen uns sehr darüber, dass in der Person von Hans Michael Heinig ein herausragender jüngerer Wissenschaftler für diese Aufgabe gewonnen werden konnte. Gerne haben wir wahrgenommen, dass bei der Vorbereitung dieser Berufung weitere qualifizierte Bewerber in den Blick getreten sind, die im Kirchenrecht und im Staatskirchenrecht einen Schwerpunkt haben. Herr Heinig ist in seinem juristischen Fachgebiet ausgewiesen und zugleich durch vielfache Verknüpfungen in der evangelischen Kirche zu Hause. Wir begrüßen ihn herzlich als ersten Inhaber der Stiftungsprofessur der EKD und Leiter des Kirchenrechtlichen Instituts. Wir versprechen uns von seiner Arbeit Impulse für Forschung und Lehre im Gesamtbereich des Öffentlichen Rechts, aber natürlich insbesondere auch die Gabe, kommende Generationen von Studierenden der Rechtswissenschaft zum Studium des Kirchen- und Staatskirchenrecht zu motivieren. Darunter dürfen übrigens durchaus, wenn ich an meine eigene Erfahrung noch einmal anknüpfen darf, Studierende der Theologie sein. Wir sind darüber hinaus gespannt auf den Rat, den wir als Kirche vom Institut in kirchen- und staatskirchenrechtlichen Fragen erhalten werden. Zu all dem gebe Gott seinen Segen.

Besonders richte ich mich mit meinem Dank an Axel Freiherr von Campenhausen; er ist der zweite Direktor in der über sechzigjährigen Geschichte des Instituts. Einem Institut nahezu vierzig Jahre lang vorzustehen, ist ein historisch ungewöhnlicher Vorgang.  Sie haben, lieber Herr von Campenhausen, in dieser Zeit nicht nur das Institut, sondern das Fachgebiet des Kirchen- und Staatskirchenrechts maßgeblich geprägt. Ein Glücksfall für das Institut und die EKD war die Verbindung mit Ihrer hauptamtlichen Tätigkeit als Präsident der Klosterkammer in Hannover. So sind Sie selbst ein Beispiel für eine gelingende Kooperation von Staat und Kirche im Rahmen des staatskirchenrechtlichen Systems des Grundgesetzes, über das man bei Ihnen so viel lernen kann. Ihre Arbeit trägt seit langem Früchte in der praktischen Tätigkeit der kirchlichen Verwaltungen ebenso wie bei Entscheidungen staatlicher und kirchlicher Gerichte, in der Wissenschaft ebenso wie im staatlichen Bereich. Ihr Rat für die EKD, ihre Gliedkirchen und die gliedkirchlichen Zusammenschlüsse war geschätzt, geachtet und hochwillkommen. Die Gutachten, die unter Ihrer Leitung im Institut entstanden sind und ungezählte Themenbereiche abdecken, sprechen im wahrsten Sinn des Wortes Bände. Alle vier bisher erschienenen umfangreichen Bände mit den Gutachten des Instituts haben Sie herausgegeben. Das letzte Gutachten, das Sie als Leiter des Instituts verantwortet haben, ist mir gerade in diesen Tagen in die Hand gekommen. Es behandelt die Frage der Reichweitenbegrenzung bei Patientenverfügungen.

Getreu Ihrer an Studierende und Mitarbeitende weitergegebenen Devise „Fußnoten schaffen!“ haben Sie selbst umfassend und umfangreich die einschlägige Literatur bereichert. Exemplarisch sei nur Ihr Lehrbuch des Staatskirchenrechts genannt, das jetzt in vierter Auflage vorliegt. Ein moderner Werbeslogan für dieses Buch lässt sich leicht formulieren: „Staatskirchenrecht – das Original!“ So müsste er heißen. Wobei der Zusatz nicht nur für das Buch, sondern auch für die Persönlichkeit gilt, der wir heute Dank sagen. Ihre Tätigkeit war stets geprägt von einer festen Glaubensgewissheit und einem darin gegründeten unermüdlichem Einsatz für Ihre Kirche, der Sie auch in langjähriger Synodentätigkeit gedient und um die Sie sich auf vielfältige Weise verdient gemacht haben. Wir danken Ihnen sehr für all Ihre Tätigkeit und bitten für Sie um Gottes Geleit in dem neuen Abschnitt Ihres Lebens.