Statement anlässlich der Pressekonferenz zur Vorstellung des Ökumenischen Berichts zur Religionsfreiheit von Christen weltweit

Erzbischof Dr. Ludwig Schick, Vorsitzenden der Kommission Weltkirche

Ich bin dankbar, dass Sie heute zu uns gekommen sind, um an der Vorstellung des ersten „Ökumenischen Berichts zur Religionsfreiheit von Christen weltweit“ teilzunehmen. Er wird gemeinsam von der Deutschen Bischofskonferenz und dem Rat der Evangelischen Kirche in Deutschland (EKD) herausgegeben.

Das Engagement für Christen, die diskriminiert und unterdrückt, verfolgt und bedrängt werden, die physische und psychische Gewalt erleiden, ist für die beiden großen Kirchen in unserem Land nichts Neues. Die Deutsche Bischofskonferenz gibt seit geraumer Zeit jedes Jahr die Arbeitshilfe „Solidarität mit verfolgten und bedrängten Christen“ heraus. Auf diese Weise informieren und sensibilisieren wir unsere Kirchengemeinden, aber auch die gesellschaftliche Öffentlichkeit über die Situation der verfolgten und bedrängten Christen weltweit. In der katholischen Kirche begehen wir zudem am 26. Dezember den „Stephanustag“ als Gedenk- und Gebetstag für die Schwestern und Brüder im Glauben, die in Bedrängung leben. Unsere Hilfswerke, vor allem Misereor, Adveniat, missio und Renovabis leisten konkrete materielle Unterstützung, wenn bei Übergriffen auf Christen Kirchen und Gemeindezentren, Kliniken und soziale Stützpunkte zerstört werden. Sie veröffentlichen ihre Hilfeleistungen und weisen dabei in ihren Informationsmaterialien auf die Situation der verfolgten und bedrängten
Christen hin. Über ähnliche Aktivitäten der EKD wird Bischof Schindehütte gleich berichten.

Warum neben all diesen Bemühungen noch ein „Ökumenischer Bericht zur Religionsfreiheit von Christen weltweit“?
Zunächst ist es beiden Kirchen wichtig, bei diesem Thema gemeinsam zu handeln. Das Unrecht, das Christen aufgrund ihres Glaubens erleiden, ist kein konfessionelles Thema. Wir möchten in der Öffentlichkeit deshalb mit einer Stimme sprechen. Auch hier gilt: „Gemeinsam sind wir stark!“

Ein zweiter Grund: Die eben genannten Bemühungen der Kirchen für die bedrängten Glaubensgeschwister zielen auf ein breites kirchliches und außerkirchliches Publikum. Dafür ist es wichtig, dass unseren Stellungnahmen und Forderungen eine wissenschaftlich fundierte Untersuchung der Phänomene zugrunde liegt. Dazu ist der vorliegende Bericht erstellt worden! Mit der gebotenen Gründlichkeit und wissenschaftlichem Instrumentarium wird die Einschränkung der Religionsfreiheit von Christen untersucht. Welche Typen von Diskriminierung und Verfolgung lassen sich unterscheiden? In welchen gesellschaftlichen Situationen und politischen Konfliktkonstellationen kommt es zur systematischen Beschneidung der Religionsfreiheit? Was sind die geläufigen Ursachen und wie gehen die Täter vor? Auf diese Fragen versucht der Ökumenische Bericht Antworten zu geben. Die Kirchen sind auch überzeugt, dass wir den von Ausgrenzung und Entrechtung betroffenen Mitchristen umso besser helfen und darüber hinaus einen effektiveren Kampf für die Religionsfreiheit aller führen können, wenn wir die Situationen der Repression tiefer durchschauen und besser verstehen.

Dieser Bericht ist der erste seiner Art. In den kommenden Jahren sollen weitere erscheinen. In allen einzelnen Untersuchungen und Übersichten unseres Berichtes ist dabei die Religionsfreiheit der grundlegende Maßstab für die Darstellung und die Beurteilung der Situation. Damit wird deutlich: Wir treten als Kirchen nicht für ein „Christen-Recht“ ein, sondern für das Menschenrecht auf religiöse Freiheit. Denn die Freiheit der Religionsausübung ist eine unabdingbare Voraussetzung dafür, die „Wahrheit, besonders in dem, was Gott und seine Kirche angeht, zu suchen und die erkannte Wahrheit aufzunehmen und zu bewahren“, wie das Zweite Vatikanische Konzil hervorgehoben hat. Wenn die Religionsfreiheit gewahrt wird, werden keine Christen und niemand wegen seines Glaubens oder seiner Religion verfolgt und jeder kann seinen Glauben leben.

Die Freiheit eines jeden Menschen zu achten, in Verantwortung vor dem eigenen Gewissen nach der Wahrheit zu streben und sie offen in Gemeinschaft zu praktizieren sowie für sie einzutreten, ist Pflicht der Staaten. Die Menschenrechtskonvention verpflichtet dazu! Die nachfolgenden internationalen Verträge des Menschenrechtsschutzes kennen die Pflichtentrias von Respekt, Schutz und Gewährleistung der Religionsfreiheit. Die meisten Staaten der Welt sind diesen Verträgen beigetreten. Dennoch werden sie allzu oft missachtet. Indem wir dies an konkreten Beispielen deutlich machen und die Strukturen und Zusammenhänge verweigerter Religionsfreiheit offen legen, protestieren wir zugleich gegen diese Missstände, die der menschlichen Würde widersprechen oder ihr sogar Gewalt antun.

Lassen Sie mich einige wesentliche Ergebnisse der Studie wenigstens stichwortartig ansprechen:
1. Die Einschränkungen der Religionsfreiheit – gegen Christen und gegen Angehörige anderer Religionen – haben im Zeitraum seit 2007 zugenommen. Das ist eine bedrohliche Entwicklung, die nicht nur die Kirchen herausfordert. Die Zahlen sind hoch. Sie können sie dem Bericht entnehmen. Sie sind aber nicht das Entscheidende.
Jeder verfolgte und bedrängte Christ liegt uns am Herzen. Jeder ist einer zu viel. Je mehr es sind, desto größer ist unsere Besorgnis und unser Engagement auf allen Ebenen.

2. Christen sind besonders dort bedroht, wo sie gesellschaftlich in einer Minderheitenposition sind und in einem autoritär regierten Staat leben. Religion wird oft durch die Regierungen politisch instrumentalisiert. Religiöse Mehrheiten werden hofiert, Minderheiten hingegen werden als fremdartig gebrandmarkt und aus der Mitte der Gesellschaft ausgeschlossen. So werden Loyalitätsgemeinschaften (und auch Wählerbündnisse) geschaffen – auf Kosten der Minderheiten.

3. Einschränkungen der Religionsfreiheit gehen in autoritären Staaten in der Regel mit Einschränkungen von Menschenrechten insgesamt einher. Wo die Religionsfreiheit verletzt wird, gelten in der Regel auch Versammlungsrechte und Meinungsfreiheit nicht viel.
4. Wo Christen aus Gründen der Religionszugehörigkeit unter Druck gesetzt werden, da trifft dieses Schicksal in aller Regel auch andere religiöse Minderheiten. In unfreien Verhältnissen sind es dabei oft besonders die abweichenden Gruppen innerhalb der Mehrheitsreligion, denen Regierungen oder soziale Akteure am schlimmsten zusetzen.

5. In konkreten Konfliktsituationen geht es selten allein um den Glauben – auch wenn religiöse Motive in den Vordergrund gerückt werden. Die Länderbeispiele in unserem Bericht zeigen, dass es oft die Konkurrenz um Zugänge zu Ressourcen ist, welche zu Konflikten führt, die dann religiös überformt oder aufgeladen werden. Gleiches gilt für den Kampf um gesellschaftlichen Status und staatliche Privilegien. Gesellschaftliche Auseinandersetzungen gewinnen aber an Schärfe und Gewaltträchtigkeit, wenn weltanschauliche und religiöse Identitäten im Spiel sind oder ins Spiel gebracht werden.

Ich möchte abschließend bekräftigen, dass sich die Kirche für die freie Religionsausübung aller Menschen gleich welchen Bekenntnisses einsetzt. Wenn wir uns für die verfolgten und bedrängten Christen einsetzen, tun wir das exemplarisch (für alle) und nicht exklusiv. Die Religionsfreiheit gilt unter den Menschenrechten mit guten Gründen als ein „Gipfel aller Freiheiten“ (Papst Benedikt XVI.). Mit den Worten des früheren Papstes sind wir davon überzeugt, dass „die Wahrheit nur in Freiheit erkannt und gelebt werden kann; denn wir können dem anderen die Wahrheit nicht aufzwingen. Nur wenn wir einander in Freiheit und Liebe begegnen, enthüllt sich die Wahrheit“. Es ist uns als Kirchen deshalb aufgegeben, den „um Jesu willen“ (vgl. Mt 5,11) bedrängten Christen und allen zu Unrecht Verfolgten solidarisch beizustehen. Gefordert ist unser Gebet. Aber auch der aktive Einsatz für die weltweite Verwirklichung der Religionsfreiheit ist auf allen Ebenen unser Auftrag und unsere Pflicht.