Grußwort zur Einführung von Pastor Jan Schmidt als Kirchenpräsident der Ev.-ref. Kirche in Bayern und Nordwestdeutschland

Wolfgang Huber

Leer / Ostfriesland

Draußen in einem kleinen Yachthafen an der Nordsee, so höre ich, liegt ein Segelboot und ist gar nicht begeistert über das, was wir hier in Leer gemeinsam feiern. Das Boot fürchtet, dass seine Segel jetzt seltener gesetzt werden als bisher. Nun verlangt das „Schiff, das sich Gemeinde nennt“, die Kunst des Steuermanns.

Mein Rat, lieber Bruder Jann Schmidt, heißt: Stillen Sie dann und wann auch die Sehnsucht des Segelboots; auch das Kirchenschiff wird es Ihnen danken.

Das biblische Wort aus den Sprüchen Salomos, das als Losung über dem Tag Ihrer Einführung in das Amt des Kirchenpräsidenten der Evangelisch-Reformierten Kirche steht, lautet: Eines jeden Wege liegen offen vor dem Herrn (Sprüche 5,21). Im kirchenleitenden Amt ist diese Transparenz der eingeschlagenen Wege, so scheint es zunächst, keineswegs auf Gott beschränkt. Viele verlangen Rechenschaft; für jeden abgeschlagenen Terminwunsch fordern sie eine genaue Begründung ein. Längst sind die Zeiten des hannoverschen Kirchengebets vorbei, in dem es hieß: „Gott, behüte unseren Bischof, du allein weißt, wo er sich gerade befindet.“ Jetzt können es alle wissen und ihre Fürbitte demnach viel genauer adressieren. Trotzdem gibt es auch heute an unseren Wegen etwas, was nur vor Gott und nicht vor den Menschen offenbar ist: Die Sorgen beim Antritt eines neuen Amtes gehören dazu ebenso wie die Hoffnungen, die wir damit verbinden. Vor Gott brauchen wir weder das eine noch das andere zu verbergen. Denn er schaut fürsorglich auf unseren Weg und leitet uns mit seinem Wort und Segen.

Sie, lieber Bruder Schmidt, sind für die neue Wegstrecke als Leitender Geistlicher Ihrer Reformierten Kirche gut gerüstet. Als Verantwortlicher für die Öffentlichkeitsarbeit Ihrer Kirche haben Sie bereits über lange Zeit Erfahrung sammeln können. Für die Evangelische Kirche in Deutschland (EKD) begrüße ich Sie sehr herzlich im Kreis der Leitenden Geistlichen sowie im Kreis der Kirchenkonferenz, in der die Gliedkirchen an der Leitung der Evangelischen Kirche in Deutschland mitwirken. 

Die neue Amtsbezeichnung, die Sie nun als erster in Ihrer Kirche tragen werden, ist ein Hinweis darauf, dass auch die Reformierte Kirche in Veränderungen begriffen ist. Schmerzfrei ist das nicht abgegangen. Im Kreis der Leitungsverantwortlichen in den Gliedkirchen der EKD finden Sie viele, denen es in Freud und Leid, welche jeder Strukturwandel mit sich bringt – und manchmal sind die Leiden schneller zu spüren als die Freuden – , vergleichbar geht. Der Austausch wird Ihnen helfen, jeden Fortschritt – und sei er noch so klein – wertzuschätzen und in keinem Rückschritt, wenn er denn doch nicht ausbleibt, gleich das Ende der Wege Gottes mit unserer Kirche zu sehen.

Die Reformierten in Deutschland haben mit Ihnen einen neuen und profilierten Vertreter bekommen. Sie wissen aus Ihrer bisherigen beruflichen Erfahrung: Die Kirche braucht in der Medienwirklichkeit unserer Gesellschaft klare und profilierte Stimmen. Sie wissen aber auch, wie Sie es nach Ihrer Wahl gesagt haben: Das reformierte Profil darf nicht verwässert werden. Wir brauchen innerhalb der EKD unsere unterschiedlichen protestantischen Profile, um ein Ganzes zu sein und zu bleiben. Die Evangelische Kirche in Deutschland ist eine Gemeinschaft lutherischer, unierter und reformierter Kirchen. Sie lernt in diesen Jahren verstärkt, aus den unterschiedlichen Profilen dieser Mitgliedskirchen heraus zu gemeinsamen theologischen Perspektiven zu kommen. Am Thema des Abendmahls – einem alten innerreformatorischen Kontroversthema – hat sich das, wie ich finde, besonders deutlich gezeigt. Deshalb bin ich zuversichtlich, dass wir die unterschiedlichen reformatorischen Profile in Zukunft verstärkt in die Gemeinschaft der EKD so einbringen, dass diese Gemeinschaft nicht nur strukturell, sondern vor allem inhaltlich gestärkt wird. Denn jedenfalls in der Kirche sollte man nicht vergessen: Strukturelle Maßnahmen stehen im Dienst der inhaltlichen Aufgabe. Dass das Evangelium die Leute erreicht, darauf kommt es an.

Sie stehen für evangelisch-reformierte Christen von Bayern bis Ostfriesland. Das übt darin, unterschiedliche Temperamente und Kontexte zu integrieren. Vielleicht ergibt sich daraus eine besondere Form von diplomatischem Training, das gleichwohl nicht dazu verleitet, ins theologisch Ungefähre abzugleiten. Von dieser Verbindung zwischen Klarheit und irenischer Haltung haben wir jedenfalls in der Zusammenarbeit mit Ihrem Vorgänger Walter Herrenbrück in der EKD sehr oft profitiert.

Das gibt mir Gelegenheit, mich an diesem Tag noch einmal persönlich an Walter Herrenbrück zu wenden. Das Ausmaß, in dem Sie die Leitungsverantwortung für Ihre Kirche mit Aufgaben in der EKD verbunden haben, ist außerordentlich. Ökumenische Verpflichtungen hatten dabei einen außerordentlichen Rang: in der Arbeitsgemeinschaft Christlicher Kirchen, der Konferenz Europäischer Kirchen und dem Evangelischen Missionswerk, um Beispiele zu nennen. Neben der Arbeit im Beirat für Kriegsdienstverweigerer und Zivildienst haben Sie im Beirat für die Seelsorge an Soldaten gewirkt und so gezeigt, dass zusammengehalten werden muss, was so oft gegeneinander gestellt wird. Bei der Reform der Entwicklungsdienste haben Sie sich unermüdlich eingesetzt. Die reformierte Stimme haben Sie in einer Weise in die EKD eingebracht, die immer an der Verantwortung für das gemeinsame Erbe der Reformation ausgerichtet war. Sie werden verstehen, warum mir an einer solchen Art, Verschiedenheit einzubringen, ganz besonders viel gelegen ist.

Ich erwähne das alles heute auch deshalb, damit Jann Schmidt einordnen kann, warum wir in der EKD seiner Mitwirkung mit so fröhlicher Zuversicht entgegensehen. Was die Fröhlichkeit betrifft, hat er selbst angekündigt, er werde für eine Kirche stehen, „die fröhlich im Glauben Gesellschaft und Politik kommentierend begleitet“. Um neuerdings aufgekommene Missverständnisse auszuräumen, sage ich ausdrücklich: Dass dies zu den Aufgaben der Kirche gehört, sagen reformierte und lutherische Tradition in gleicher Weise.

Lieber Bruder Schmidt, Sie werden – wie auch Ihr Vorgänger - viel unterwegs sein zwischen der Nordseeküste und dem Alpenkamm, und in der Reformierten Kirchenfamilie zwischen dem Balaton und dem Genfer See, zwischen den Reformierten Geschwistern in den USA  und dem südlichen Afrika. Ihr Segelboot werden Sie in den seltensten Fällen dabei als Transportmittel einsetzen können. Doch Ihre nautischen Kenntnisse und kybernetischen Erfahrungen werden Ihnen helfen, Kurs zu halten, auch da, wo Sie keine Handbreit Wasser unterm Kiel, dafür aber jede Menge freien Horizont unter dem Himmel haben werden. Sie werden den Weg zum Heimathafen immer wieder finden. Und Sie können gewiss sein, dass Sie auf all diesen Wegen, die zu Ihrer Gänze nur vor Gott offen liegen, von unseren guten Wünschen begleitet sind. Seien Sie Gott befohlen!