"Europa" - Wort des Bischofs, Stadtradio 88,acht

Wolfgang Huber

Ein junger Mann ist schwer erkrankt, herkömmliche Therapien können nur das Leiden lindern. In die Ergebnisse der Forschung an embryonalen Stammzellen setzt er große Hoffnung. Ein Paar kann keine Kinder bekommen und entschließt sich zu einer künstlichen Befruchtung. Sie möchten die Eizellen, die sie nicht gebraucht haben, der Forschung zur Verfügung stellen. Anderen wollen sie helfen. Aber hier in Deutschland sind die Grenzen für die Forschung und für den Umgang mit Eizellen und Embryonen aus gutem Grund eng gesetzt.

Sind Embryonen ein Wirtschaftsgut oder Leben, das zu schützen ist? Können mit dieser Forschung große Hoffnungen auf die Heilung von Krankheiten erfüllt werden oder geht es auch anders?

Heute grüße ich Sie aus Brüssel, wo ich die Institutionen der Europäischen Gemeinschaft besuche. Fragen der Forschungsförderung spielen bei meinen Gesprächen eine herausgehobene Rolle. Das ist leicht zu verstehen. Welche Grenzen des Lebensschutzes vor der Geburt und an der Schwelle des Todes gelten sollen, ist eine Frage, die nicht mehr allein in Deutschland entschieden werden kann. Denn Forschung ist international. Die Europäische Union diskutiert zurzeit über die Richtlinien zur Europäischen Forschungsförderung. Hier entscheidet sich, welches Menschenbild unsere Staatengemeinschaft künftig bestimmen wird.

Es muss nun verabredet werden, ob menschliches Leben zu Forschungszwecken freizugeben ist. Wie in der deutschen Diskussion tritt die Evangelische Kirche auch in den Gremien der Europäischen Union dafür ein, dass Embryonen und embryonale Stammzellen als menschliches Leben besonders zu schützen sind. Denn die Achtung vor dem Leben und sein Schutz beginnen weit vor der Geburt. Auch ungeborenes Leben ist schützenswert. Alternative Möglichkeiten verdienen Beachtung. Die Forschung mit adulten Stammzellen enthält noch viele Möglichkeiten. Diese gilt es vor allem zu nutzen.

Die Europäische Union ist nicht nur ein Wirtschaftraum. Europa ist dank seiner Tradition eine Wertegemeinschaft, die durch die jüdische Überlieferung und den christlichen Glauben geprägt ist. Deshalb ist es gut, in den Prozess der europäischen Einigung einzubeziehen, was unserem Leben Wert und Würde verleiht.

Die Evangelische Kirche in Deutschland hat klar darüber Auskunft gegeben, welche Werte sie in den europäischen Einigungsprozess einbringen will. Dabei hat sie drei Themen besonders hervorgehoben: Frieden, Menschenrechte und Religionsfreiheit.

Menschenrechte bilden einen Schwerpunkt christlicher Ethik. Die Einhaltung der Grundrechte in allen politischen Bereichen einzufordern, bleibt aktuell. Insbesondere im Hinblick auf die Gleichstellung von Mann und Frau, auf einen menschenwürdigen Umgang mit Asylsuchenden und Einwanderern und beim Kampf gegen Menschenhandel.

Ich wünsche Ihnen einen gesegneten Sonntag. Bleiben Sie behütet!