Eine Verharmlosung der Vergangenheit hilft nicht – Erinnerung hilft - BZ-Kolumne

Wolfgang Huber

Eine Wohnung wird durchsucht, Polstermöbel werden aufgeschnitten und Schränke durchwühlt. Gefahndet wird aber nicht nach Waffen oder Drogen, sondern nach einer Schreibmaschine. Auf ihr soll ein Schriftsteller einen Essay über die hohe Selbstmordrate in der DDR geschrieben haben, die nicht in das Weltbild eines Staates passt, in dem angeblich alle Menschen glücklich sind.

Zu sehen ist diese Szene in dem Film „Das Leben der anderen“. Er zeigt am Ostberlin der achtziger Jahre, wie stark die Stasi bis in die Privatsphäre hinein ungezählte Menschen überwacht hat.

Unerwartete Aktualität erhielt der Film durch eine Podiumsveranstaltung vor wenigen Wochen in der Stasi-Gedenkstätte Hohenschönhausen. Wer die frühere Untersuchungshaftanstalt einmal besucht hat, wird nie mehr vergessen, wozu vor wenigen Jahrzehnten Menschen im Umgang mit ihren Mitmenschen fähig waren. Nicht mehr mit dem Namen, sondern nur noch mit einer Nummer wurden die Häftlinge angesprochen. Zu sehen sind Räume, vollständig mit Gummi ausgekleidet, in denen jeder Schrei ungehört bleibt. Zu besichtigen sind Keller, in denen Menschen mit tropfenden Wassereimern unerträglich drangsaliert wurden. Dabei hatte die Regierung, in deren Namen das geschah, die Geltung der Menschenrechte ausdrücklich anerkannt. Im Rückblick erscheint das wie Hohn.

Manchen früheren Mitarbeiter des Ministeriums für Staatssicherheit fällt es bis heuzte schwer, das Ausmaß des damaligen Unrechts anzuerkennen. Das ist bedrückend. Wenigstens durch ehrliches Erinnern sollte den Opfern eine späte Gerechtigkeit widerfahren. Was sie in Hohenschönhausen oder anderswo erlitten haben, darf nicht relativiert werden. Die Gedenkstätte Hohenschönhausen gehört ebenso wie das Dokumentationszentrum Berliner Mauer zu den Stätten des Gedenkens an DDR-Unrecht. In der Versöhnungskapelle an der Bernauer Straße finden regelmäßig dienstags bis freitags um 12 Uhr Andachten statt. Schulklassen, Reisegruppen und Anwohner hören angerührt von Menschen, die erschossen wurden, weil sie den Schritt in die Freiheit wagten. Das ist eine der Formen, wie wir das Gedächtnis prägen, die Gewissen schärfen und miteinander für eine gute Zukunft einstehen können. Eine Verharmlosung der Vergangenheit hilft nicht. Erinnerung aber hilft.