„Freiheit und Verantwortung“ - Ansprache zur Verabschiedung von Präsident Eckhart von Vietinghoff und der Amtseinführung von Präsident Burkhard Guntau

Wolfgang Huber

I.

„Leistungsstark – Kreativ – Aufgeschlossen“ – so wird in der Hannoverschen Landeskirche die Abkürzung „LKA“ aufgelöst. Dass diese Abkürzung zugleich für das Landeskirchenamt steht, das Eckart von Vietinghoff fast ein Vierteljahrhundert als Präsident geleitet hat, versteht sich dabei von selbst. Doch die unvertrautetere Deutung dieses Kürzels beschreibt den Geist, für den der scheidende Präsident steht. Es ist ein Geist, wie wir ihn gegenwärtig in der evangelischen Kirche brauchen.

Allein der Auftrag der Kirche – die Verkündigung des Evangeliums, die Weitergabe des Glaubens, die Bezeugung von Gottes Barmherzigkeit in Seelsorge und Diakonie – hat die Arbeit der Kirche zu bestimmen. Aber dieser Auftrag erfordert immer wieder neue Wege. Unsere Kirche befindet sich deshalb im Aufbruch. Das gilt in besonderer Weise für die Evangelisch-Lutherische Landeskirche Hannovers. Diese Kirche ist gut geordnet; ihr Feld ist gut bestellt. Aber dennoch muss sie auf dem Weg bleiben. Dafür sind Sie, lieber Herr von Vietinghoff, stets eingetreten – getreu dem Motto Ihrer Familie: „Wohin blicken wir? Nach vorn!“

Dieser Blick nach vorn hat einen durchaus ernsten Hintergrund. Das Bewusstsein, dass die Kirche um die Mitgliedschaft werben und bestehende Mitgliedschaften stärken muss, muss überall stärker entwickelt werden. Traditionsabbruch und demographische Entwicklung bilden für uns eine große Herausforderung. Dazu treten die großen Unterschiede der kirchlichen Leistungskraft in West und Ost, die sich nicht allein mit den Mitteln eines Finanzausgleichs beheben lassen. Nicht immer fällt es uns leicht, die Blickrichtung umzukehren und dem Vietinghoffschen Familienmotto folgend wirklich nach vorn zu blicken. Denn dann müssen wir fragen, welche kirchlichen Handlungsfelder um des kirchlichen Auftrags willen in Zukunft zentrale Bedeutung haben. Wir müssen prüfen, ob die personellen und finanziellen Ressourcen um der künftigen Auftragserfüllung willen richtig eingesetzt sind. Welche Aufgaben sollen in Zukunft von den Gemeinden, den Kirchenkreisen, den Landeskirchen, den gliedkirchlichen Zusammenschlüssen oder der Evangelischen Kirche in Deutschland wahrgenommen werden? Und in welchen Strukturen?

Mit großer Beharrlichkeit hat Eckhart von Vietinghoff uns in das Feld dieser Fragen hineingeführt. Die hannoversche Landeskirche hat einen beispielhaften Perspektivplan erarbeitet, der auf die einmütige Zustimmung der kirchenleitenden Organe gestoßen sind und nun Schritt für Schritt umgesetzt werden. Eckhart von Vietinghoff hat die dabei gewonnenen Erfahrungen in den Reformprozess der Evangelischen Kirche in Deutschland eingebracht. Wir spüren schon jetzt: Es tut der Kirche gut, in einem breit angelegten Beteiligungsprozess nach neuen Wegen zu suchen, um die Kirche um ihres Auftrags willen zukunftsfähig zu machen. Und es zeigt sich, dass der gesunde Menschenverstand über das St. Floriansprinzip die Oberhand behalten kann.

Schritte der Kirchenreform sind nicht nur für die Kirche von Bedeutung. Die christliche Botschaft prägt zugleich unser freiheitliches Gemeinwesen und unsere demokratische Rechtsordnung. Es kann uns als Kirche also nicht gleichgültig sein, wenn diese Prägekraft in Gefahr gerät. Es geht nicht nur um die Zukunft der Kirche, sondern es geht auch um die Stabilität der Gesellschaft, die von Voraussetzungen lebt, die sie selbst nicht erzeugen kann. Aus dem Schrecken der gottlosen Zeit des NS-Regimes heraustretend bekennt sich unser Grundgesetz3 zur Verantwortung vor Gott und den Menschen und zur Unantastbarkeit der Würde jedes Menschen. Auf solchen, christlich geprägten Wurzeln wächst unsere freiheitliche Gesellschaftsordnung; auch in der sich entfaltenden europäischen Ordnung wollen wir das zur Geltung bringen.

Einen solchen Geist der Reform haben Sie, lieber Herr von Vietinghoff, unermüdlich auch in die Evangelische Kirche in Deutschland hineingetragen – beispielsweise in Ihrem berühmten Papier „Reform ist nötig – Reform ist möglich“. Sie haben andere mit Leidenschaft, Energie und Ausdauer mitgenommen, so dass aus „unfrisierten Gedanken“ klar gestylte Initiativen wurden. Ein Aufbruch kam in Gang; und er wird weitergehen.

Der heutige Tag ist mir deshalb Anlass, diesen Geist des Aufbruchs ins Zentrum zu rücken.

II.

Es gehört wesensmäßig zur Kirche in ihrer evangelischen Gestalt, in Bewegung zu sein und in Bewegung zu bleiben. Der entscheidende Impuls für eine grundsätzliche Reformfähigkeit der Kirche ist die Botschaft von der Rechtfertigung des Gottlosen durch Gottes Gnade. Darin gründet die Formel: Ecclesia reformata semper reformanda. Oder anders: Für eine reformatorische Kirche ist die Reformation niemals abgeschlossen, sondern eine ständige Aufgabe.

Der Grund ist einfach: Die Kirche ist nicht göttlich, göttlich ist Gott allein. Die kirchlichen Ordnungen sind nicht göttlich; Gottes ist die Botschaft von der Rechtfertigung des Gottlosen allein aus Gnade. Die Rechtfertigungsbotschaft entlässt jedes menschliche Werk zunächst in den Raum der verantworteten menschlichen Freiheit. Freiheit und Verantwortung sind die beiden Grundpfeiler evangelischer Lebensgestaltung. Keine Reformbemühung gilt als ein Werk, das dem Glauben zugute gerechnet werden könnte. Es gibt grundsätzlich keine Form, keine Struktur, keinen kirchlichen Bau, dem Gott im Blick auf die Botschaft von seiner Gnade einen Vorzug geben würde. Dass Gottes Gnade voraussetzungslos gilt, stimmt vielmehr auch im Blick auf kirchliche Strukturen. Reformer, Ideengeber, Konstrukteure, Kirchenleitungen und scharfsinnige Juristen setzen im Horizont der Rechtfertigungsbotschaft alle gleich Noah ihren Fuß auf unbekanntes Land. Feucht ist es noch, bei jedem Schritt muss man die Tragfähigkeit des Bodens prüfen. Vor ihnen erstreckt sich ein schier grenzenloses Land. Werden die Werke nicht mit dem Glauben verwechselt, öffnet sich ein reiches Spektrum von Möglichkeiten wie über Abraham der Sternenhimmel. Die Rechtfertigung des Gottlosen, die heilsame Entlassung des Menschen in den Bereich der ihm übertragenen Verantwortung ist eine Botschaft der Freiheit.

III.

Diese Bewegung Gottes nimmt in Jesus Christus Gestalt an. Und sie ergreift uns durch den Heiligen Geist. Sie braucht Menschen, die aus ihrem Glauben heraus Impulse setzen. Der Blick auf Gott in Jesus Christus lehrt, in schwierigen Situationen nicht wegzusehen und die Augen vor der Realität nicht zu verschließen. Dazu ermutigt die Gewissheit des Glaubens und das Vertrauen auf Gott; hieraus erwächst, wie es Martin Luther formuliert hat, „eine verwegene Zuversicht“. Sie muss durch Menschen getragen werden, die ihr leidenschaftliches Vertrauen auf Gottes Wirken richten und sich unverzagt den Herausforderungen unter Anstrengung des gesunden Menschenverstandes stellen. Und dabei braucht sie gute Pfarrerinnen und Pfarrer, aber sie nicht allein. Die Freiheit des Christenmenschen findet im Priestertum aller Getauften seinen besonderen und unverwechselbar evangelischen Ausdruck. Kirchenleitung vollzieht sich in der evangelischen Kirche in gemeinsamer Verantwortung von Ordinierten wie nicht Ordinierten. Sie vollzieht sich in der Einheit von geistlichen, rechtlichen und ethisch-kirchenpolitischen Aspekten. Das ist Grund zu großer Dankbarkeit!

In diesem Horizont hat auch die besondere Leitungsverantwortung von Juristen in der evangelischen Kirche ihren Ort. „Gott selbst ist Recht, darum hat er das Recht lieb.“ Diesen wunderbaren Satz aus dem Sachsenspiegel, nun ungefähr achthundert Jahre alt, zitiert der Niedersachse Eckhart von Vietinghoff besonders gern, um deutlich zu machen, dass der dienende Charakter des Rechts nicht ausschließt, dass ihm eine eigene Würde zukommt, die Achtung verdient. Für den selektiven Umgang von Theologen mit dem Recht – „ich kenne nur das Recht, das mir gerade in den Kram passt“ – hat er am ehesten milden, manchmal auch nicht so milden Spott übrig. Alle für die Leitung der Kirche Verantwortlichen verpflichtet er auf ein Viereck von Prinzipien, die in der Balance gehalten werden müssen. Wörtlich sagt er: „Wir brauchen für den Gang des Evangeliums Vielfalt und Freiheit, aber ebenso auch Einheit und Ordnung in der Kirche.“ Dieses Viereck in der Balance zu halten, ist „eine schwere Kunst, gerade weil die Ziele Einheit und Ordnung in vielen Köpfen eher negativ besetzt sind.“

Von Ihnen, lieber Herr von Vietinghoff, kann man lernen, dieses Viereck in der Balance zu halten. Ich nenne beispielhaft einige der Fragen, an deren Lösung Sie maßgeblich beteiligt waren: Die Gestaltung der Militärseelsorge nach der Wiedererlangung der deutschen Einheit, die Neuordnung der evangelischen Publizistik, die Kooperation im Bereich der kirchlichen Entwicklungszusammenarbeit, ein erweiterter Solidarpakt der Gliedkirchen der EKD, die Präsenz unserer Kirche auf europäischer Ebene und ihre klare Position zu den hier anstehenden politischen und rechtlichen Entscheidungen. Das sind nur einige Beispiele aus der Fülle der Fragestellungen, in denen sie den Kurs der Evangelischen Kirche in Deutschland geprägt haben.

Dabei darf man nie vergessen: Das alles haben Sie auf sich genommen neben der Leitungsaufgabe in der hannoverschen Landeskirche, neben Ihrem großen Engagement für die Diakonie in dieser Region, neben Ihrem Einsatz für Aufgaben, die Ihnen im Land Niedersachsen im Hochschulbereich zuwuchsen. Sowohl in Ihren zwei Amtszeiten im Rat der EKD – von 1985 bis 1991 und von 1997 bis 2003 – als auch in Ihrer jahrzehntelangen Zugehörigkeit zur Kirchenkonferenz der EKD haben Sie entscheidend daran mitgewirkt, der verantworteten Freiheit in der Gestaltung unserer Kirche zum Zuge zu verhelfen. Die neue Verbindung zwischen der Evangelischen Kirche in Deutschland, den gliedkirchlichen Zusammenschlüssen und den Gliedkirchen, die wir jetzt bereits im zweiten Jahr praktizieren, trägt Ihre Handschrift und wäre ohne Ihre Anstöße nicht zu Stande gekommen. Die Neubildung der Evangelischen Kirche in Mitteldeutschland, die am 1. Januar 2009 wirksam wird, ist durch Ihren Einsatz als Moderator entscheidend vorangebracht worden. Für die Einrichtung einer Stiftungsprofessur für öffentliches Recht, insbesondere Kirchen- und Staatskirchenrecht, an der Universität Göttingen haben Sie sich maßgeblich eingesetzt und können nun miterleben, wie der neu berufene Inhaber dieser Stiftungsprofessur seine Arbeit aufnimmt und sich damit auch für das Kirchenrechtliche Institut der EKD eine neue, wiederum fruchtbare Arbeitsphase eröffnet.

Vollständigkeit erstrebe ich bei dieser Aufzählung nicht. Und Sie alle müssen sich immer wieder vor Augen halten: Das alles tritt zu der prägenden Präsenz in der Hannoverschen Landeskirche und ihren Einrichtungen noch hinzu. Wir haben Grund zu der dankbaren Feststellung: Eckhart von Vietinghoff hat sich um unsere Kirche verdient gemacht.

Freiheit in Verantwortung – diese Überschrift kann über Ihr Wirken gestellt werden. Sie hatten einen eindrucksvollen Weg in öffentlichen Ämtern begonnen und gerade als Oberstadtdirektor im reizvollen Hildesheim Station gemacht, als Sie sich von Eduard Lohse in den Dienst unserer Kirche riefen ließen. Das war ein Ruf, für den wir Landesbischof Lohse, meinem hoch verehrten Vorgänger im Amt des Ratsvorsitzenden der EKD, noch heute aus vollem Herzen dankbar sind. Sie haben Ihren kirchenleitenden Dienst an der christlichen Freiheit gesehen, die eine Freiheit aus Glauben ist. Sie haben ihn aber zugleich immer als Dienst in der Freiheit des Christenmenschen und damit in seiner Verantwortung vor Gott versehen, die der Apostel Paulus im 1. Korintherbrief so beschreibt: „Mir aber ist es ein Geringes, dass ich von euch beurteilt werde oder von einem menschlichen Gericht. Auch beurteile ich mich selber nicht … Wer mich aber beurteilt, ist der Herr“.

IV.

Auch im Horizont eines vom Apostel Paulus geprägten lutherischen Glaubensverständnisses, das von der Rechtfertigungsbotschaft herkommt, ist es keineswegs gleichgültig, in welcher Art und Weise die Kirche Gestalt nimmt. Eine solche Beliebigkeit in Ordnungsfragen entspricht auch keineswegs dem guten Sinn der Lehre Martin Luthers von den zwei Regierweisen Gottes, wie man die Lehre von den zwei Reichen und Regimenten aus gutem Grund hier im Hannöverschen nennt. Wenn die einen sagen: Egal wie – Hauptsache anders; während die anderen erwidern: Egal wie – Hauptsache es bleibt, wie es war – dann ist das von evangelischem Kirchenverständnis denkbar weit entfernt.

Denn die Botschaft von der freien, unverfügbaren Gnade Gottes führt keineswegs in die Beliebigkeit hinein. Sie veranlasst vielmehr zu der Frage, was nötig ist, damit diese Botschaft die Menschen erreicht und das Zeugnis vom lebendigen Gott praktische Gestalt annimmt.

Heute beobachten wir das allmähliche Aufflammen eines neuen Gespürs für Glauben und Religion. In einer solchen Situation hat unsere Kirche ihre Aufgabe gerade darin, auf die Fragen der Menschen im Evangelium gegründete Antworten zu geben. Alles Planen und Organisieren in der Kirche ist darauf ausgerichtet. Wenn zuversichtlicher Glaube, praktische Vernunft und mutige Entschlusskraft dieses Planen und Organisieren bestimmen, ist unsere Kirche auf einem guten Weg. Von Ihnen, lieber Herr von Vietinghoff, kann man lernen, wie diese drei sich zu einer Einheit verbinden: Zuversichtlicher Glaube, praktische Vernunft und mutige Entschlusskraft. Für viele von uns sind Sie dadurch zum Vorbild geworden. Ich füge hinzu: für mich auch.

V.

Die Liebe gehört zur Kirche wie der Glaube, formulierte Johann Hinrich Wichern, an dessen 200. Geburtstag wir uns in der vergangenen Woche erinnert haben. Diakonie betrachten wir deshalb als eine Lebensäußerung der Kirche. Diakonisches Handeln ist nicht allein die Aufgabe diakonischer Werke und Einrichtungen, sondern Verpflichtung jeder Kirchengemeinde und damit unser aller Verantwortung. Auch für das Evangelischsein im 21. Jahrhundert gilt, dass das Evangelium in Wort und Tat, in Verkündigung und Diakonie bezeugt wird. Die evangelische Kirche sieht in der Solidarität mit dem hilfsbedürftigen Nächsten eine zentrale Lebensäußerung der Kirche. Und sie will diesen Geist christlicher Nächstenliebe in die Gesellschaft hineintragen, damit sie öffentlich zur Wirkung kommt.

Deshalb ist es uns wichtig, dass das Christentum nicht nur eine kirchliche und eine persönliche, sondern auch eine öffentliche Gestalt annimmt. Die Diakonie ist für Sie, lieber Herr von Vietinghoff, eine besondere Herzensangelegenheit. Mit Dankbarkeit und Respekt nehmen wir zur Kenntnis, dass Sie vom 1. Mai an als Vorsitzender des Aufsichtsrats der Diakonischen Dienste Hannover GmbH, einer Holding, unter der drei große Einrichtungen in dieser Stadt sich miteinander verbunden haben, tätig sein werden. Damit werden nicht nur die Kompetenz der Häuser und das evangelische Profil im diakonischen Gesundheitswesen  gestärkt; es wird ein unübersehbares Zeichen dafür gesetzt, wie Diakonie in einer Zeit des demographischen Wandels und der mit ihm verbundenen Herausforderungen zukunftsfähig gemacht werden kann. Das ist eine große Kraftanstrengung, für die wir Ihnen und den Diakonischen Diensten Hannover Gottes Segen und Geleit wünschen.

Mein Wunsch ist übrigens, dass das, was Sie hier in Hannover zu Stande gebracht haben, landauf landab bekannt wird und Nachahmer findet. In der Diakonie wie in der Kirche brauchen wir diese Verbindung von Glaubenszuversicht und Gestaltungskraft.

VI.

Lieber Herr Guntau, der christliche Glaube lässt sich nicht in die Mauern der Kirche einsperren. Wie Ihr Vorgänger stehen Sie mit Ihrer Biographie stehen dafür, dass und wie man als Jurist in staatlichen Aufgaben ein aufrechter Christ sein und, wenn die Kirche drängend ruft, den Schritt in den Dienst der Kirche fröhlich tun kann. In der Justiz der Länder Niedersachsen und Sachsen-Anhalt haben Sie sich einen exzellenten Ruf erworben und sind zugleich schon durch Ihre synodale Tätigkeit in der hannoverschen Landeskirche zu einer Art Institution geworden. Ihnen liegen die „öffentliche Seite des Christentums“ und damit die Bedeutung von Glauben und Kirche für Gesellschaft und Staat besonders am Herzen. Dass der evangelische Glaube in seiner kritischen und orientierenden Bedeutung für die Gesellschaft zur Geltung kommt, dass die evangelische Stimme im öffentlichen Diskurs unserer Gesellschaft erklingt, dass wir für den Zusammenklang von Freiheit und Verantwortung eintreten, hat Ihr Wirken für die Evangelische Kirche in Deutschland geprägt. Dafür danken wir von Herzen. Es wird auch Ihren künftigen Dienst prägen, den wir alle mit herzlichen Segenswünschen begleiten.

VII.

Gerne will ich heute an ein Wort anknüpfen, das – so ist es überliefert – der damalige hannoversche Landesbischof Eduard Lohse zu Ihnen, lieber Herr von Vietinghoff, sagte, als er Sie für den Dienst in der hannoverschen Landeskirche gewann. Nachdem Sie ihm eindringlich dargelegt hatten, was alles Ihnen damals für dieses Amt fehlte, sagte er nur: „Das ist nun unsere Sorge.“ Lieber Herr von Vietinghoff, im Blick auf die bleibenden Wirkungen dessen, was Sie in einer nicht nur langen, sondern auch großen Amtszeit geleistet haben, sage ich heute: „Das haben Sie nun alles getan. Dafür danken wir Ihnen von Herzen! Das Weitere ist nun unsere Sorge.“

Aber wenn wir uns dann Sorgen machen, wenn Sie, lieber Herr Guntau, auf die vor Ihnen liegende Amtszeit auch mit sorgenvollen Gedanken blicken sollten, dann halten wir uns an die Nähe Gottes in Jesus Christus. Wir halten uns an den einen Herrn der Kirche und finden darin die Gelassenheit, die wir brauchen: „All eure Sorge werft auf ihn, denn er sorgt für euch.“