„Glauben entdecken und leben in der Konfirmandenzeit“ - Vortrag auf der Tagung „Konfirmandenzeit auf dem Prüfstand. Neue Befunde zur Bildung im Jugendalter“

Wolfgang Huber

I.

Ich glaube, dass Gott in jedem von uns wohnt. Nicht im Himmel, sondern in unseren Herzen. Also ist er eigentlich nur Einbildung, aber dennoch hilft er uns, wenn wir Hilfe brauchen.

Ich bin nicht sehr gläubig und halte nicht viel von dem meisten Teil, der in der Bibel steht. Dass es Jesus gab und dass er den Menschen geholfen hat, glaube ich, aber nicht an diese übernatürlichen Heilungen und die Auferstehung.

Obwohl ich nicht so sehr an Gott glaube, ist mir die Kirche trotzdem sehr wichtig und der Glaube auch. Doch ich bleibe eher bei den wissenschaftlichen Tatsachen, aber manchmal glaube ich, Gott kann auch Dinge bewegen.

Vor der Konfirmandenzeit hatte ich meinen „eigenen“ Glauben, ich habe mir mein Bild von Gott gemacht. Jetzt hat es sich etwas geändert, ich habe den christlichen Glauben kennen gelernt. Das finde ich gut.

Der Konfirmandenunterricht ist schon gut, aber man sollte nicht gezwungen werden in die Kirche zu gehen, weil der Glaube im Herz beginnt und nicht unbedingt auf der harten Kirchenbank.

So haben fünf von 11.000 befragten Konfirmandinnen und Konfirmanden in einer freien Rubrik neben all den Kreuzchen auf den Fragebogen ihre Reaktion auf das beschrieben, worum es der evangelischen Kirche mit ihrer Konfirmandenarbeit geht: Dass junge Menschen Glauben entdecken und leben. Bei allem, was heute noch zur Sprache kommen wird, sind sie das Wichtigste: die einzelnen Jugendlichen in der Konfirmandenarbeit.

„Die Kirche hat die positiven Erfahrungen und Erwartungen der Kinder und Jugendlichen ebenso wie ihre Enttäuschungen und Absagen mit ganzem Ernst zur Kenntnis zu nehmen“, hat der Rat der EKD vor gut zehn Jahren in seiner Orientierungshilfe „Glauben entdecken. Konfirmandenarbeit und Konfirmation im Wandel“ gefordert. Die Studie, die hiermit vorgestellt wird, steht im Dienst dieses Anliegens. Sie ist auf ihre Weise ein gelungenes Beispiel dafür, wie die Reform der evangelischen Kirche voranzubringen ist. Die Evangelische Landeskirche in Württemberg hat vor vier Jahren begonnen, in Zusammenarbeit mit dem Lehrstuhl von Professor Schweitzer neu eingeführte Modelle ihrer Konfirmandenarbeit zu evaluieren. Die auf diese Weise entwickelten Kenntnisse und die bestehenden personellen Ressourcen hat die württembergische Landeskirche in die Gemeinschaft der EKD-Gliedkirchen eingebracht und gefragt, ob nicht die anderen ihre Konfirmandenarbeit ebenfalls auf den Prüfstand stellen wollen. Rasch erwuchs daraus ein EKD-weites Vorhaben, das auch durch den Rat der EKD Unterstützung fand.

Inzwischen sind die über 30.000 Fragebögen erfasst und in einem ersten systematischen Durchgang ausgewertet. Damit lassen sich die Grundlinien der Ergebnisse der Untersuchung und erste Handlungsperspektiven aufzeigen. Dennoch stellt die Veranstaltung heute keinen Schlusspunkt dar, sondern sie markiert den Beginn eines umfangreichen Rezeptionsprozesses. Schließlich liegen repräsentative Ergebnisse für die allermeisten Gliedkirchen der EKD vor. Das hat es in dieser Weise noch für kein anderes kirchliches Handlungsfeld gegeben. Mir ist dieser Modellcharakter des ganzen Vorgangs sehr wichtig. Er kann vorbildhaft werden für die Arbeit an der Qualität unserer Arbeit auch in anderen kirchlichen Handlungsfeldern. Das meine ich, wenn ich von einem gewichtigen Beitrag zum Reformprozess in unserer Kirche spreche.

II.

Ebenso wichtig ist aber natürlich die Auswertung des vorliegenden Materials für die Weiterentwicklung des konfirmierenden Handelns selbst. Denn sowohl konzeptionelle Überlegungen zum Sinn der Konfirmation als auch der Wandel sozialer, kultureller und religiöser Bedingungen – nicht zuletzt auch der schulischen Wirklichkeit – verlangen eine konstruktive Antwort in der Gestaltung des Wegs zur Konfirmation, der Konfirmation selbst und der Wege danach.

Diese Feststellung bezieht sich natürlich vor allem auf die Herausforderungen für die Konfirmandenarbeit, die mit dem Übergang zur Ganztagsschule und der Verkürzung der Schulzeit verbunden sind. Vielerorts wird es schwierig, die Zeit für die Durchführung der Konfirmandenarbeit zu finden. Einige Zitate:

Seit G8 und Ganztagesschule wird es für die Jugendlichen noch schwerer, weitere zwei Stunden freiwillig (!) zu lernen.

Die Konfis sind müde, unter Zeitdruck, weil sie noch lernen müssen, manche Eltern melden sie dafür sogar „krank“.

Die Konfirmanden stehen unter hohem Leistungsdruck und sind oft „geschafft“ von der Schule. Häufig fehlt ein Konfirmand, weil er für eine wichtige Arbeit üben muss. Die Lernstruktur der Schule prägt ihr Verhalten im Unterricht.

Die Verdichtung der schulischen Anforderungen verlangt nach einer Sicherung der Rahmenbedingungen, aber auch nach neuen Konzeptionen in der Konfirmandenarbeit. Zum einen ist es unerlässlich, wie in manchen Bundesländern schon geschehen, in Klasse 7 und 8 bestimmte Zeiträume (z. B. einen festen Nachmittag in der Woche) von schulischen Verpflichtungen freizuhalten und dadurch für die Konfirmandenarbeit Raum zu schaffen. Das ist aus Gründen der Religionsfreiheit ebenso notwendig, wie es im Blick auf die Erhaltung dieses Bildungsfeld zu fordern ist. Denn wenn non-formale und informelle Bildungsfelder in unserer Gesellschaft an den Rand gedrängt werden, dann ergibt sich unter dem Strich ein Weniger an Bildung. Die Schule muss generell Freiraum lassen für außerschulische Bildungserlebnisse, wie sie die Konfirmandenarbeit, aber auch die Jugendarbeit mit hoher Qualität bieten.

Die veränderte Situation nötigt aber auch zu organisatorischen und inhaltlichen Veränderungen der Konfirmandenarbeit. Wir haben unser Curriculum gekürzt und legen weitaus mehr Wert auf Entspannung, Spiel, Meditation, Stille-Übungen.   Am ergiebigsten ist Unterricht in den kleinen Ferien. So schildern zwei Verantwortliche ihre Reaktionen. Der Übergang vom Konfirmandenunterricht zur Konfirmandenarbeit darf sich aber nicht nur in geänderten Arbeitsformen erschöpfen. Die Annäherung an die Methoden der Jugendarbeit sollte ebenso deren Grundprinzipien, insbesondere den Gedanken der Partizipation, stärker zur Geltung bringen. Überhaupt sollten deutlichere Brücken zur Jugendarbeit gebaut werden, auch damit Jugendliche nach der Konfirmandenzeit einen Ort in der Kirchengemeinde haben. Das Interesse von Konfirmanden, an kirchlichen Jugendgruppen teilzunehmen, steigt während der Konfirmanden-zeit. Nicht immer stehen aber entsprechende Angebote bereit. In manchen Gemeinden sind diese zu isoliert, so dass der Übergang nicht gelingt.

Gefragt ist auch der Mut zu ganz neuen Modellen. So ist die Möglichkeit der zweiphasigen Konfirmandenarbeit, wobei ein Teil der Konfirmandenzeit bereits in der Grundschule stattfindet, inzwischen in vielen Landeskirchen eröffnet worden. Die württembergische Landeskirche hat in der eingangs erwähnten Evaluation ihrer Konfirmandenarbeit parallel zur vorliegenden Studie die großen Chancen des dort so genannten „Konfi-3-Modells“ hervorgehoben, aber auch offene Fragen markiert. Weitere Beispiele sind regionalisierte Modelle der Konfirmandenarbeit in Ostdeutschland – hier spielen in den letzten Jahren sogenannte Konfi-Camps eine zunehmend wichtige Rolle.

Insgesamt braucht die Konfirmandenarbeit Zeit. Die Konfirmandinnen und Konfirmanden brauchen intensive Zeiten, um miteinander zu lernen und zu leben. Sie brauchen aber auch eine Begleitung über einen angemessenen Zeitraum, damit sie nachhaltig entdecken können, was der Glaube mit ihrem Leben zu tun haben kann. Und Mitarbeitende brauchen Zeit, um Konfirmandinnen und Konfirmanden mit ihren Fragen, mit ihrem Glauben, ihrer „Theologie“ wahrzunehmen und mit der biblischen Botschaft ins Gespräch zu bringen. Nur dann kann das große Engagement, das hinter der Konfirmandenarbeit steht, weiterhin zur Entfaltung kommen. Ich bin sehr dankbar für das, was in der Konfirmandenarbeit geleistet wird, und beeindruckt von der Vitalität der Konfirmandenarbeit vieler Kirchengemeinden. Die Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern sind ein großer Schatz unserer Kirche und ihnen gebührt große Anerkennung.

III.

Um solche Anerkennung geht es, wenn jetzt die Befunde aus der vorliegenden Untersuchung genau erhoben und interpretiert werden. Der bisherige Einsatz in diesem Projekt wird aber nur dann zureichend gewürdigt, wenn über das Bestehende hinaus gefragt wird, was gute Konfirmandenarbeit ausmacht, was besser werden kann und von welchen Voraussetzungen das abhängt. Die Rezeption ist dabei nicht nur auf Deutschland begrenzt. Die deutsche Studie wurde zum Ausgangspunkt und Bestandteil einer internationalen Vergleichsstudie, an der Kirchen sechs weiterer europäischer Länder teilnehmen. Wir werden noch im Verlauf dieses Jahres sehen, welche wechselseitigen Lernprozesse auf dieser internationalen Ebene in Gang gebracht werden können.

Die Konfirmandenarbeit hat zusammen mit ihrer persönlichen, familiären und kirchlichen Bedeutung auch eine erhebliche gesellschaftliche Relevanz. Das zeigt sich bereits an den Teilnahme-zahlen. Die Zahl der Jugendlichen, die sich in Deutschland konfirmieren lassen, liegt seit über zehn Jahren stabil bei jährlich rund 250.000. Wenn aufgrund der demografischen Entwicklung für die nächsten Jahre ein Rückgang der absoluten Zahlen zu erwarten ist, gibt es jedoch keine Anzeichen für einen Rückgang des Teilnahme-Interesses und damit auch nicht für einen Rückgang des Anteils Jugendlicher, die an der Konfirmation teilnehmen. Über 90% aller evangelischen Jugendlichen eines Jahrgangs lassen sich konfirmieren. Das sind fast ein Drittel aller deutschen Jugendlichen, wobei dieser Anteil in den letzten Jahren eher wächst als abnimmt. Solches Wachstum ist übrigens gerade auch im Bereich der neuen Bundesländer zu beobachten.

Es ist gut, dass wir diesen wichtigen Handlungsbereich einer genaueren Untersuchung unterziehen. Das finden auch die Jugendlichen selbst. Exemplarisch sei ein Votum zitiert: Ich finde es sehr interessant und gut, so einen Fragebogen auszuteilen und somit eine Umfrage von vielen Konfirmanden zu machen, denn dann sieht man mal, wie die Meinung der Konfirmanden selbst ist, ob sie zur Konfirmation gezwungen werden oder es von sich selbst aus machen, ob sie an Gott glauben, oder nicht.

Auch in dieser Hinsicht steht die Konfirmandenarbeit stellvertretend für das kirchliche Bildungshandeln überhaupt. Für dieses gesamte Handlungsfeld ist es uns wichtig, zu erfahren und zu dokumentieren, ob und wie religiöse Bildungsprozesse gelingen. Wir setzen uns umfassend für die religiöse Bildung von Kindern und Jugendlichen ein; in diesem ganzen Bereich wollen wir die Qualität evangelischer Bildungsarbeit sichern und  verbessern.

Das gilt selbstverständlich auch für kirchliche Beiträge zum öffentlichen Bildungswesen. Die Qualitätsentwicklung ist uns im Blick auf den Religionsunterricht an staatlichen Schulen genauso wichtig wie im Blick auf das kirchliche Bildungshandeln in den Gemeinden und in kirchlichen Bildungseinrichtungen. Ich sage das auch angesichts des bevorstehenden Volksentscheids für eine freie Wahl zwischen Religion und Ethik an den Schulen Berlins. Jeder, der es wissen will und sich um Objektivität bemüht, kann anhand der Studie sehen: Kirchliche Bildungsarbeit steht im Zeichen der Freiheit und nicht der Indoktrination. Und auch das lässt sich feststellen: Kirchliche Bildungsarbeit leistet einen wichtigen Beitrag zur gesellschaftlichen Integration. Diese Integrationsleistung einem staatlichen Ethikunterricht vorbehalten zu wollen, geht an der Realität vorbei.

Die evangelische Kirche setzt sich nicht nur im Bereich der Schule für religiöse Bildung ein. Sie ist vielmehr in ganz Deutschland als einer der größten Bildungsanbieter neben dem Staat mit einem vielfältigen Bildungsangebot für Kinder, Jugendliche und Erwachsene präsent. Dabei sind allerdings die unterschiedlichen Bildungsorte zu unterscheiden. So dürfen Auftrag und Ziele des Religionsunterrichts und der Konfirmandenarbeit nicht gleichgesetzt werden, haben beide doch ein jeweils eigenes Profil und können sich wechselseitig nicht ersetzen. Zugleich sind die Lernorte Kirche und Schule bei allen Unterschieden auch aufeinander bezogen. Der Religionsunterricht ist angewiesen auf Orte gelebter Religion, praktizierten Glaubens und sichtbar gewordener christlicher Überlieferung. Die Arbeit mit Kindern und Jugendlichen in den Kirchengemeinden braucht ihrerseits Beziehungen zum Lernort Schule, denn dort verbringen die jungen Menschen den größten Teil ihres Alltags; dort setzen sie sich mit zentralen Fragen des individuellen und des gesellschaftlichen Lebens einschließlich religiöser Inhalte auseinander.

IV.

Die vorliegende Studie zeigt: Zwei Drittel der befragten Jugendlichen sind mit ihrer Konfirmandenzeit insgesamt zufrieden. Die Entscheidung zur Anmeldung lag bei über der Hälfte der Konfirmanden vor allem bei ihnen selbst. Unter den Gründen für die Teilnahme wird an erster Stelle der Wunsch zur Teilnahme an der Konfirmation genannt. Aber auch die Erwartung, in der Konfirmandenzeit etwas über den christlichen Glauben zu erfahren, ist bei knapp der Hälfte der Jugendlichen ein wichtiges Motiv. 60% der befragten Konfirmanden empfinden im Rückblick, dass die Konfirmandenzeit ihnen wichtige Grundlagen gegeben hat, um „über meinen Glauben entscheiden zu können“.

Besonders positiv werden gemeinsame Freizeiten/Camps, die in der Gruppe entstandene Gemeinschaft sowie die Beziehung zu den beruflich und ehrenamtlich Mitarbeitenden erlebt. Hier trägt Früchte, was seit der religionspädagogischen Wende Ende der sechziger Jahre Gegenstand der Reformbestrebungen in der Konfirmandenarbeit gewesen ist und mit dem Begriffswechsel vom Konfirmandenunterricht hin zur Konfirmandenarbeit beschrieben wird, die vielfältige jugendarbeitsnahe Angebote einschließt. So führen fast alle Kirchengemeinden Konfirmandenfreizeiten, Exkursionen, Konfi-Tage oder Konfi-Camps durch. Für die Arbeit mit Konfirmandinnen und Konfirmanden spielen dabei der Gemeinschaftsaspekt, die Erfahrungen in der Gruppe sowie positive Erfahrungen mit den Verantwortlichen eine herausragende Rolle. Fast drei Viertel sagen, dass sie die Gemeinschaft in der Gruppe als positiv erfahren haben.

Das entspricht der Bedeutung, die der Gruppe in dieser Lebensphase zukommt, es entspricht aber auch dem Auftrag religiöser Bildung. Christlicher Glaube vermittelt sich personal. Und er wird in der Gemeinschaft gelebt. Es sind besonders die genannten flexibleren Organisationsformen, die Räume für solche Erfahrungen eröffnen – Räume, Glauben gemeinsam zu entdecken und zu leben.

Das setzt allerdings eine klare Akzentsetzung im Verständnis von Kirche voraus. Kirche ist auch Kirche der Jugendlichen. Sie haben nicht nur Gastrecht in der Gemeinde, sondern sie sind selbst Gemeinde. Die befragten Jugendlichen sagen zu fast zwei Dritteln, dass sie den Eindruck haben, in ihrer Kirchengemeinde willkommen und anerkannt zu sein. Das ist steigerungsfähig, zeigt aber auch: In der Gruppe und in der Gemeinde erfahren Jugendliche Gemeinschaft und Anerkennung.

Zugleich zeigt sich, dass diese auf die Gruppe, die Gemeinschaft und das Erleben bezogenen positiven Erfahrungen für Konfirmandinnen und Konfirmanden nicht von den Inhalten und Themen gelöst sind. Die Zufriedenheitsfaktoren „Spaß in der Gruppe“ und „Zufriedenheit mit gottesdienstlichem Leben“ korrelieren miteinander. Wer das eine positiv erlebt hat, erlebt auch das andere positiv. Es geht also nicht um eine Alternative zwischen Spaß und Inhalten, sondern darum, beides so miteinander zu verbinden, dass Jugendliche die Relevanz des Glaubens für eine sinnvolle Lebensgestaltung entdecken und erfahren können. Spaß steht auch für positive Gefühle, an die man sich später gern erinnert. Die Erinnerungen an die Konfirmandenzeit prägen die Einstellung zur Kirche oft über Jahre, ja über ein ganzes Leben hinweg. Zudem gilt die Konfirmandenzeit als eines der bedeutendsten „Kircheneintrittsalter“. Mehr als 15.000 Jugendliche lassen sich jedes Jahr am Ende oder während ihrer Konfirmandenzeit taufen.

Das Erleben in der Gruppe ist ein Ausdruck christlicher Gemeinschaft und gleichzeitig ein Beitrag zum sozialen Lernen. Dabei geht es um mehr als ein gutes „Gruppengefühl“. Konfirmandenarbeit zeichnet sich dadurch aus, dass sie Jugendliche aus allen Schularten in ihren Gruppen zusammenführt. Jugendliche haben hier Gelegenheit, ohne Differenzierung nach formalen Bildungsmerkmalen gemeinsam zu lernen und zu leben. In der Konfirmandenzeit wird in dieser Hinsicht eine Integrationsleistung erbracht wie in sonst keiner anderen Bildungsinstitution für diese Lebensphase.

Viel stärker, als in der Vergangenheit bewusst war, zeigen die Befunde auch, dass die Konfirmandenarbeit zur Ausbildung von Werten und ethischer Urteilsfähigkeit beiträgt. Themen wie Gerechtigkeit, Verantwortung und Frieden werden inzwischen fast überall vertieft behandelt. Damit ist die Konfirmandenarbeit ein großer und wichtiger Bildungsbereich, der im Blick auf soziale Kompetenzen, Persönlichkeitsentwicklung, Handlungskompetenz, Wertebildung und Orientierung eine große Leistungsfähigkeit besitzt. Diese Bedeutung der Konfirmandenarbeit für ethische Bildung ist in Öffentlichkeit und Gesellschaft noch zu wenig bewusst.

Ermöglicht wird dies alles durch das große Engagement beruflicher wie ehrenamtlicher Mitarbeiter. Wer mit Pfarrerinnen und Pfarrern spricht, findet schnell heraus, welch große Bedeutung in ihrem beruflichen Einsatz insgesamt der Konfirmandenarbeit zukommt. Dort, wo das möglich ist, wird diese Arbeit durch Diakone oder Diakoninnen beziehungsweise durch Jungendmitarbeiter und –mitarbeiterinnen unterstützt. Darüber hinaus wirken aber viele Ehrenamtliche an der Konfirmandenarbeit mit. Es ist noch viel zu wenig ins allgemeine Bewusstsein getreten, dass die Konfirmandenarbeit – neben der kirchlichen Jugendarbeit – auch ein wichtiges Lernfeld für ehrenamtliche Mitarbeit im Jugendalter ist. In vielen Gemeinden bringen sich junge Menschen als Teamer in die Konfirmandenarbeit ein übernehmen so Verantwortung. Diese Entwicklung ist eine der wichtigsten Antworten auf die Frage, was auf die Konfirmation folgt. Konfirmandenarbeit wird auf diese Weise aber zugleich ein wichtiges Lernfeld für ehrenamtliches Engagement in Kirche und Gesellschaft überhaupt. Das neue schulpädagogische Konzept des Service-Learning, des „Verantwortung Lernens“ – hier wird es bereits praktiziert. Die ehrenamtlichen Teamer sind für die Konfirmandinnen und Konfirmanden schon deshalb wichtige Ansprechpartner, weil sie im Gesamtgeschehen der Konfirmandenarbeit diejenigen sind, die den Konfirmandinnen und Konfirmanden altersmäßig am nächsten sind. Zugleich erhalten sie durch die intensive Beschäftigung mit den Themen der Konfirmandenzeit selbst bedeutsame Impulse für ihre religiöse Bildung. Die Konfirmandinnen und Konfirmanden wiederum erleben das Ehrenamt in positiver Weise. Das alles ist ein wichtiger Beitrag für die Stärkung des Ehrenamts in der Kirche, aber auch in der Gesellschaft insgesamt.

Eine wesentliche Stütze der Konfirmandenarbeit sind außerdem die Eltern der Jugendlichen. Für mehr als drei Viertel der Eltern ist die Konfirmation „eines der wichtigsten Feste“ im Leben ihrer Kinder. Die Mehrheit der Eltern hat in der Konfirmandenzeit ein positiveres Bild der Kirchengemeinde gewonnen. Oftmals heben die befragten Eltern das große Engagement der für die Konfirmandenarbeit Verantwortlichen hervor: So hätte es bei mir auch sein dürfen, sagen sie beispielsweise. Eine 44-jährige Mutter beschreibt es so: Die Konfirmandenzeit unseres Sohnes haben wir als Eltern als sehr angenehm empfunden. Das Sozialverhalten wurde beeinflusst. Unser Sohn möchte sich gerne nach der Konfizeit sozial engagieren. Annähernd die Hälfte der Eltern nutzt die Konfirmandenzeit, um häufiger als sonst in den Gottesdienst zu gehen.

V.

Die Studie zeigt nun allerdings keineswegs nur die Bedeutung und Leistungsfähigkeit der Konfirmandenarbeit auf, sondern weist auch auf Schwachstellen hin.

Eigene Glaubenserfahrungen kommen nicht so vor, wie Jugendliche es sich wünschen. Mich stört es, wenn die Pfarrer im Konfi-Unterricht die Welt heil reden und bei Fragen gegen Gott seltsam oder verständnislos reagieren, meint ein Konfirmand. Nachdenklich macht auch ein anderer Befund. Im Laufe der Konfirmandenzeit steigt die Zustimmung zu der Aussage „Auf die Fragen, die mich wirklich bewegen, hat die Kirche keine Antwort“ von 34% auf 37%. Die Sprache der Konfirmandinnen und Konfirmanden zu sprechen, ihre Fragen dadurch genauer wahrzunehmen und die Antworten des Glaubens in überzeugender Weise auf diese Fragen zu beziehen, ist eine Schlüsselaufgabe bei der Weiterentwicklung konfirmierenden Handelns. Dabei ist insbesondere darauf zu achten, dass das Wirklichkeitsverständnis heutiger Jugendlicher und das Wirklichkeitsverständnis des christlichen Glaubens häufig in erheblicher Spannung zu einander stehen. Dieser Frage darf man in der Konfirmandenarbeit nicht ausweichen. Anders ist einer Ambivalenz wohl kaum zu begegnen, die sich folgendermaßen formulieren lässt:  Wohl findet ein Teil der Jugendlichen in der Konfirmandenzeit von einer Unsicherheit zu einer begründeten Gewissheit im Glauben, ein anderer Teil aber entwickelt sich von einer vermeintlichen Sicherheit zu einer begründeten Unsicherheit im Glauben.

Einerseits sagen die Jugendlichen, dass sie mehr über Glaube und Kirche erfahren haben, über die Auferstehung Jesu Christi und ein Leben nach dem Tod. Fast alle haben das „Vater unser“ auswendig gelernt, mehrheitlich auch das Glaubensbekenntnis und die zehn Gebote. Allmählich gewinnt auch die Einsicht an Gewicht, dass der eigenen Kenntnis solcher Schlüsseltexte eine erhebliche Bedeutung zukommt. Doch andererseits gehen die für die Konfirmandenarbeit Verantwortlichen oft zu wenig auf wichtige Fragen der Jugendlichen ein. Sie erfahren nur unzureichend, welchen möglichen „Lebensgewinn“ der Glaube haben kann und soll. Ich würde die Themen ein bisschen persönlicher rüberbringen. Am Anfang der Konfi-Zeit wusste ich zwar, dass es da irgendwo einen Gott und Jesus gibt, aber ich hab nicht gecheckt, dass dieser Gott auch was persönlich mit MIR zu tun hat. Das hab ich erst in der Jugendgruppe und auf der Freizeit erlebt, schreibt eine Konfirmandin.

Insgesamt entscheiden in der Konfirmandenarbeit immer noch vornehmlich Erwachsene, was für Jugendliche gut und hilfreich ist. Die in der EKD-Orientierungshilfe von 1998 enthaltene Aufforderung, junge Menschen selbst als Partnerinnen und Partner an der Konfirmandenarbeit zu beteiligen, wird noch nicht konsequent genug umgesetzt. Aus dem Mund einer Konfirmandin hört sich das dann so an: Also, als erstes würde ich nicht die ganze Zeit rummotzen, die Leute ausreden lassen und höflich antworten, nicht anblaffen! Also, ich würde es lustiger machen und geheimnisvoller gestalten, so dass die Jugendlichen Lust bekommen, mehr zu erfahren und zu erkunden!

Solche Anfragen Jugendlichen sind ein herausforderndes Signal. Die Konfirmandenarbeit soll deutlicher auf die Konfirmandinnen und Konfirmanden eingehen und sie stärker mit beteiligen. Die Befragung zeigt, dass gerade die ehrenamtlichen Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter an einer Öffnung der Konfirmandenarbeit und einer stärkeren Beteiligung der Jugendlichen interessiert sind. Diese Öffnung und Vernetzung ist unbeschadet der Verantwortung der Pfarrerinnen und Pfarrer voranzutreiben – sowohl im Blick auf Konfirmandinnen und Konfirmanden selbst als auch im Blick auf die Eltern, die Mitarbeitenden und die Gemeinden.

Zur Konfirmandenarbeit gehört elementares Glaubenswissen. Aber darüber hinaus braucht die Konfirmandenarbeit ein elementares theologisches Profil, das sich nicht auf kognitive Wissensbestände beschränkt, sondern die Jugendlichen in ihren Lebensbezügen und mit ihren Glaubensfragen ernst nimmt und deshalb Raum gibt für ihre eigenen Antworten, für ihre eigene „Theologie“.

Im Vergleich zum Religionsunterricht und zur Erwachsenenbildung in kirchlicher Trägerschaft bietet die Konfirmandenzeit die potenziell unmittelbarste und dichteste Erfahrung mit der Kirche. Wenn die Gemeinden die darin liegende Chance, aber auch die sich daraus ergebende Verantwortung nicht ergreifen, versäumen sie, was sie der jungen Generation schulden. Auf allen Ebenen steht die Kirche heute vor der Frage nach ihrer zukünftigen Gestalt. Für diese Frage ist die Konfirmandenarbeit von großer Bedeutung.

Eine weitere Schwachstelle für die Konfirmandenarbeit bildet der Gottesdienst: Viele Jugendliche fühlen sich in den Gottesdiensten nicht zu Hause. Zwar nehmen Konfirmandinnen und Konfirmanden regelmäßig am Gottesdienst teil, wobei Verpflichtungsregelungen eine große Rolle spielen. Aber gerade einmal die Hälfte der Jugendlichen ist mit den Gottesdiensten zufrieden. Im Lauf der Konfirmandenzeit steigert sich der Eindruck der Langeweile.

Das Problem ist nicht neu. Die Orientierungshilfe des Rates der EKD von 1998 spricht von einer „lebensweltlichen Analogielosigkeit des Gottesdienstes“. Das ist gewählt ausgedrückt und lässt sich vielleicht auch klarer ausdrücken: Die Lebenswelt der Jugendlichen kommt im Gottesdienst nicht ausreichend vor. Jugendliche erwarten im Gottesdienst eine zeitgemäße Sprache, eine gute Stimmung und in Liturgie und Predigt eine überzeugende Persönlichkeit. Jugendliche entstammen natürlich einem zeitgemäßen, „mobilen“ Milieu. Aber sie begegnen meist einer gottesdienstlichen Wirklichkeit, die von traditionell orientierten Milieus geprägt ist. Erneut geht es darum, Chance und Herausforderung zu begreifen, die in dieser Spannung liegen. Es tut der Gottesdienstgemeinde insgesamt gut, wenn es in ihr zu einer Milieuöffnung kommt; Konfirmandinnen und Konfirmanden können dafür Vorreiter sein – dann jedenfalls, wenn die für die Gestaltung der Gottesdienste Verantwortlichen sich die Erwartungen Jugendlicher bewusst machen, und zwar nicht nur in ein oder zwei Konfirmandengottesdiensten im Jahr.

In vielen  Kirchengemeinden sind 13- bis 14-Jährige der am stärksten vertretene Jahrgang im Gottesdienst. Trotzdem werden sie im Sonntagsgottesdienst nur selten als wichtige Zielgruppe wahr-genommen. Ich finde es unfair, dass der Gottesdienst auf die alten Leute abgestimmt ist, da es mindestens 50-60% Konfirmanden in unserer Kirchengemeinde gibt. Etwas mehr Pep, wie bei einem Jugendgottesdienst könnte schon nicht schaden! Bitte tun Sie was daran, bevor wir alle im Gottesdienst einschlafen! Danke! schreibt eine Konfirmandin ihrer Kirchengemeinde ins Stammbuch.

Werden also Konfirmandinnen und Konfirmanden zum Besuch des Gottesdienstes verpflichtet, dann haben die Verantwortlichen in der Gemeinde ihrerseits die Verpflichtung, die Anwesenheit der Jugendlichen in Sprache und liturgischer Gestaltung zu berücksichtigen. Die Frage, was an einem Gottesdienst Konfirmandinnen und Konfirmanden veranlassen könnte, freiwillig wiederzukommen, ist dafür vielleicht ganz hilfreich. Dafür kommt der Frage eine Schlüsselbedeutung zu, ob Jugendliche sich an den Gottesdiensten aktiv beteiligen können. Darüber hinaus werden jugendgemäße Gottesdienstangebote gebraucht. Das sind klare Ergebnisse, die nun in den kirchlichen Reformprozess zum Thema Gottesdienst einzubringen sind. Eine jugendgemäßere Gottesdienstkultur ist eine wichtige Zukunftsaufgabe.

VI.

Insgesamt kommt es in der Konfirmandenarbeit auf eine Verbindung unterschiedlicher Bezugsfelder an:

- Zu verbinden sind in der Konfirmandenarbeit die eigenen Fragen, Zweifel und Entdeckungen der Konfirmandinnen und Konfirmanden mit den befremdenden, provozierenden, befreienden Erfahrungen und Einsichten von Christen mit ihrem Glauben, überliefert seit alters her, gegenwärtig im Leben der Kirche, gebündelt in Schrift und Bekenntnis.

- Zu verbinden sind bei der Konfirmation die Kasualie als Fest im Lebenslauf und das konfirmierende Handeln im Kontext von Tauferinnerung und Abendmahlsgemeinschaft. Zu verbinden sind also menschliches Geleit und Gottes Segen.

- Zu verbinden sind im Prozess der Konfirmation nicht zuletzt die sozialen Welten: die unterschiedlichen Welten, denen die Jugendlichen entstammen, ihre alltäglichen Lebenswelten in Familie, Freundeskreis, Schule, Freizeit und die Welt einer christlichen Ortsgemeinde, sowie die ökumenische Realität am Ort und weltweit.

VII.

Mein herzlicher Dank gilt den Autorinnen und Autoren der „Bundesweiten Studie zur Konfirmandenarbeit“ und ihrem Beirat. Mit der Studie bekommen wir umfängliche Einblicke in ein wichtiges Arbeitsfeld der Kirche. Sie bringt viel Bewegung in das Feld der Konfirmandenarbeit und hilft uns als Kirche sehr, die Wirklichkeit wahrzunehmen und konzeptionell durchdacht zu gestalten. Das zeigt sich auch in dieser Tagung. Ihnen allen hier im Plenum danke ich sehr herzlich, dass Sie an der Rezeption der Studie teilhaben. Diesen Dank verbinde ich mit der Hoffnung, dass das Jahr 2009 mit allen Veröffentlichungen und Folgetagungen rund um diese Studie zu einem „Jahr der Konfirmandenarbeit“ wird.