Statement des EKD-Ratsvorsitzenden, Präses Manfred Kock

Vorstellung der Reformierten Bekenntnisschriften

Es gilt das gesprochene Wort!

Das Bekenntnis ist eine der Grundformen der Rede unseres Glaubens. Ohne ein solches Bekennen bliebe unser Reden von Gott unklar und missverständlich. Ihren Anfang hat für die Christenheit dieses eindeutige Reden in den ersten Gemeinden genommen, die im Neuen Testament zu Wort kommen. Jesus selbst fragte die Seinen: „Ihr aber, wer sagt ihr, dass ich sei? Da antwortete Petrus und sprach zu ihm: Du bist der Christus!“ Die herausfordernde Frage wird einfach und klar beantwortet.

Professor Faulenbach hat seiner Einführung in der neue wissenschaftliche Edition der Reformierten Bekenntnisschriften diese Frage Jesu aus dem Markusevangelium (8,29) als Motto vorangestellt. Die einfache Antwort „Du bist der Christus“ gilt es nun immer wieder neu und anschaulich zur Sprache zu bringen und damit Zeugnis zu geben vom Grund unserer Hoffnung - uns selbst gegenüber und den Menschen in unserer Zeit.
Damit ist von Anfang an klar: Bekennen heißt Antworten.
Das Bekennen ist so zuerst Ausdruck der Freude über die gute Nachricht, über das Evangelium von der freien Gnade Gottes uns Menschen gegenüber. Erst in zweiter Linie ist es auch ausdrückliche Abgrenzung von falschen Versprechungen, von anderen Mächten und Gewalten, die über uns zu herrschen beanspruchen. In ihren Bekenntnisschriften antworten die Gemeinden dann auf konkrete Herausforderungen und geben sich und anderen Zeugnis von der Gewissheit ihres Glaubens.

Ich möchte die heutige öffentliche Präsentation des ersten Bandes der Neuedition der Reformierten  Bekenntnisschriften zum Anlass nehmen, für einige grundlegende Gedanken zum Stellenwert der Bekenntnisse in unsere Kirche, in der unterschiedliche Bekenntnistraditionen zusammenkommen. Ich werde dies tun, im Rückgriff auf die sieben Sätze, in denen 1995 die Kammer für Theologie der EKD die Bedeutung der Bekenntnisse zusammengefasst hat (vgl. EKD-Text 53 "Vom Gebrauch der Bekenntnisse", S. 10).

  1. Bekenntnisse „weisen in die rechte Schriftauslegung ein und sorgen dafür, dass die Kirche hörende Kirche bleibt.“ Die Bekenntnisse unserer Kirchen sind eben keine vollständige Sammlung von Lehrsätzen, wie sie manche Ideologien oder Weltanschauungsgruppen für ihr Selbstverständnis nötig haben. Denn Bekenntnisse allein genügen nicht, um zu verstehen, was christlicher Glaube ist. Unsere Bekenntnisse helfen dabei, sie sind dafür notwendig, aber eben nicht hinreichend. Richtschnur ist und bleibt die Heilige Schrift. Sie zu verstehen, dafür bieten die Bekenntnisschriften aber einen hilfreichen und notwendigen Rahmen. Die Bekenntnisschriften ermöglichen der Kirche die rechte Begegnung mit der Fremdheit der biblischen Zeugnisses. Als Antwort setzen die Bekenntnisse das Hören voraus. So bekommen wir mit der nun begonnenen Neuedition der Reformierten Bekenntnisschriften ein weiteres unverzichtbares Hilfsmittel für die Schriftauslegung an die Hand.

  2. Bekenntnisse „dienen der Wahrheit des Christusbekenntnisses im Vollzug aktuellen Bekennens und sorgen so dafür, dass die Kirche lehrende Kirche bleibt.“ Damit sorgen die Bekenntnisse in unserer Kirche dafür, das die Offenheit der hörenden Kirche nicht zur Beliebigkeit wird. Das je aktuelle Bekennen entzieht sich sowohl einer ideologischen Festschreibung als auch einem Aufgehen im Zeitgeist. Als lehrende Kirche, die der Wahrheit der Christusbotschaft immer wieder neu begegnet, sind wir auf den Dialog angewiesen. Die Edition dieser Reformierten Bekenntnisschriften aus fünf Jahrhunderten ermöglicht den noch intensiveren Dialog im Ringen um das rechte Verständnis unseres Glaubens.

  3. Bekenntnisse „unterstellen sich selbst dem grundlegenden Christuszeugnis der Heiligen Schrift und nötigen so zum kritischen Umgang mit sich selbst und mit dem aktuellen Bekennen der Kirche.“ Unsere Bekenntnisschriften selbst sind keine „heiligen Schriften“. Sie sind Glaubenszeugnisse, formuliert in konkreten Auseinandersetzungen. Deshalb ist es notwendig, sie ihrerseits am Maßstab des biblischen Zeugnisses zu messen und sie zu interpretieren. Die aus dem Markusevangelium zitierte Antwort „Du bist der Christus“ bleibt Maßstab für alles Reden von Gott. Die Bekenntnisschriften der Kirche versuchen diese Wahrheit konkret nachzusprechen und in die Sprache ihrer Zeit zu übersetzen.

  4. Bekenntnisse „halten in der gegenwärtigen Kirche das Zeugnis sowie die Glaubens- und Lehrentscheidungen früherer Generationen wach.“ Mit dieser Neuedition Reformierter Bekenntnisschriften wird ein Dialog über Generationen hin ermöglicht. Das Bekennen der Mütter und Väter wird vergegenwärtigt und für das heutige Bekennen unseres Glaubens fruchtbar gemacht. Wir stellen uns mit unserem gegenwärtigen Reden von Gott in die Gemeinschaft der Glaubenden. Jedes Bekennen drängt von sich aus in ein Bekenntnis, in das auch andere mit einstimmen können.

  5. Bekenntnisse „erinnern die reformatorischen Kirchen an ihr Eingebundensein in die ökumenische Christenheit.“ Gerade im ökumenischen Dialog ist die Kenntnis der eigenen Tradition und Geschichte unumgänglich. Nur wer sich selbst versteht kann einen offenen Dialog wagen. Das eigene Profil zur Sprache bringen gehört zum unabdingbar zum ökumenischen Miteinander. Dass diese Verbindlichkeit nicht zum eigenen Gefängnis wird, verhindert die Bindung allein an Christus. In diesem Sinn versteht sich die Edition der Reformierten Bekenntnisschriften auch als ein Beitrag zum gegenwärtigen ökumenischen Gespräch.

  6. Bekenntnisse „verdeutlichen die Unerlässlichkeit des Aufweises der Grenzen menschlich verantwortlicher kirchlicher Lehre.“ Gerade das Neben- und das Miteinander der verschiedenen Bekenntnisse in dieser Edition der Reformierten Bekenntnisschriften zeigt, dass es darauf ankommt, die verschiedenen Bekenntnisse aufeinander zu beziehen und zu interpretieren. Die systematischen und historischen Einführungen und der wissenschaftlicher Apparat dieser Edition bieten dafür die besten Voraussetzungen.

  7. Bekenntnisse „ermutigen die Kirche zu jeweils neuer verbindlicher Lehrverantwortung für die in ihr und vor der Welt geschehende Verkündigung.“ Bekenntnisbildung ist nie abgeschlossen. Es bedarf immer wieder der Aktualisierung. Möge diese Neuedition Reformierter Bekenntnisschriften als ein Schatz genutzt werden, der nicht in den Bibliotheken wie in einem Dornröschenschlaf vor sich hin schlummert und so vergessen wird. Nehmen wir diese Glaubenszeugnisse aus unserer Tradition als Herausforderung in heutiger Zeit zu sagen, was es bedeutet, wenn Petrus auf die Frage Jesu antwortet: „Du bist der Christus!“ 

Lassen Sie mich nun an dieser Stelle all denen herzlich danken, die dieses Projekt der wissenschaftlichen Edition der Reformierten Bekenntnisschriften im Auftrag der EKD vorangetrieben und mit der heutigen Veröffentlichung des ersten Teilbandes einen entscheidenden Schritt vorangebracht haben. Mein besonderer Dank gilt dem unermüdlichen Herausgeberkreis unter der Leitung von Professor Eberhard Busch und Professor Heiner Faulenbach. Mein Dank gilt dem Neukirchner Verlag und auch der Evangelisch-reformierten Kirche sowie der Johann-a-Lasco-Bibliothek für die uns heute gewährte Gastfreundschaft und musikalische Ausgestaltung dieser festlichen Präsentation.

Ich wünsche der nun begonnenen Edition viele aufmerksame Leserinnen und Leser.
Präses Kock

Hannover/Emden, 30. Januar 2003
Pressestelle der EKD