Gottesdienst mit Verleihung der Martin-Luther-Medaille des Rates der EKD in der Heiliggeistkirche zu Heidelberg

Nikolaus Schneider

Sehr geehrter Herr Professor Buzek,
sehr geehrte Frau Bundesministerin von der Leyen,
sehr geehrte Damen und Herren,

die Martin-Luther-Medaille wird seit 2008 und damit heute zum sechsten Mal verliehen. Der Rat der EKD überreicht sie an Persönlichkeiten, die, so heißt es in der Begründung des Ratsbeschlusses:

"haupt- oder nebenamtlich ihre Kraft, ihre Zeit und ihre Leidenschaft in herausragender Weise in den Dienst ihrer Kirche gestellt haben und stellen" und damit „durch ihre besonderen Gaben und ihr besonderes Engagement in der evangelischen Kirche und über die Grenzen der Kirche hinaus prägend und wegweisend wirksam waren und sind“.

Gleichzeitig feiern wir heute Premiere: Wir verleihen die Martin-Luther-Medaille zum ersten Mal an einen Preisträger, der kein Mitglied der EKD, sondern einer europäischen Nachbarkirche ist. Die ökumenische wie die internationale Dimension der Reformation gerät damit besonders in den Blick. Die Reformation war von Anfang an eine grenzüberschreitende Bewegung, die schließlich zur "Weltbürgerin" geworden ist. Deshalb halte ich es für ein prägendes und wegweisendes Zeichen, dass die EKD bei ihrer Suche nach Preisträgerinnen und Preisträgern über ihren nationalen Tellerrand hinausgeblickt hat.

Als Mitglied der Evangelisch-Augsburgischen Kirche in Polen haben Sie, lieber Herr Professor Buzek, sich in ihrem bewegten politischen Leben von der Überzeugung leiten lassen, dass Christinnen und Christen auch zur Verantwortung für politische Strukturen gerufen sind. Sie sind diesem Ruf gefolgt – sei es bei Ihrem Eintreten für Freiheit und Demokratie im kommunistischen Polen oder bei Ihrem Einsatz für Solidarität und Zusammenhalt im geeinten Europa. So stellt die Medaillenverleihung am heutigen Abend in gleicher Weise einen Abschluss des Themenjahres "Reformation und Toleranz" wie auch eine Überleitung zum beginnenden Themenjahr "Reformation und Politik" dar, das zeitgleich in Augsburg eröffnet wird.

An drei exemplarischen Punkten, möchte ich Ihr eindrucksvolles Wirken deutlich machen:

  1. „Liebe deinen Nächsten wie dich selbst“ – diese Aufforderung, Interessen und Bedürfnisse der Mitmenschen ebenso wichtig zu erachten wie die eigenen, ist – gemeinsam mit dem Gebot der Gottesliebe – das wichtigste Gebot unserer jüdisch-christlichen Tradition. Solidarität – polnisch: "Solidarność" – ist letztlich nichts anderes als eine Übersetzung der biblisch geforderten Nächstenliebe in politisches Handeln. Als einer ihrer führenden Köpfe waren Sie, lieber Herr Professor Buzek, im Polen der 80er Jahre in der Solidarność aktiv, der ersten freien Gewerkschaft in Osteuropa und eine der Wegbereiterinnen für den Fall des Eisernen Vorhangs.
  2. Dass die Europäische Union mehr als ein ökonomischer Interessenverband, sondern nach wie vor das europäische Friedensprojekt ist, war in Ihrem Wirken als Präsident des Europäischen Parlaments immer als Grundüberzeugung erkennbar. Dabei sind Sie in Ihrer Amtszeit besonders als Förderer des Dialogs zwischen den Kirchen und den EU-Institutionen in Erscheinung getreten. Der Gedanke eines solidarischen und sozialen Miteinanders war Ihnen besonders in Zeiten der Staatsschuldenkrise und drohender Entsolidarisierung ein wesentliches, auch persönliches Anliegen.
  3. Besonders erwähnen möchte ich eine Initiative, die Sie während Ihrer Amtszeit als polnischer Ministerpräsident ergriffen haben. In Oświęcim, der Stadt, in dem sich die Gedenkstätten und das Museum des Konzentrationslagers Auschwitz-Birkenau befinden, haben Sie die Einrichtung eines Internationalen Bildungszentrums für Menschenrechtsfragen angeregt. Damit haben Sie dem Gedenken an die Verbrechen und Opfer des Holocaust einen festen Ort verliehen. Dem Projekt sind Sie bis heute verbunden.

Es ist uns eine ganz besondere Freude und Ehre, dass Sie, verehrte Frau Bundesministerin, liebe Frau Dr. von der Leyen, die Laudatio auf Prof. Buzek halten werden. Geboren in Brüssel wurde Europa Ihr politisches und persönliches "Lebensthema". Immer wieder traten und treten Sie – kämpferisch und eloquent – für die "Vereinigten Staaten von Europa" ein. Ihr "Herzblut" für Europa haben Sie als Initiatorin zahlreicher europäischer Initiativen unter Beweis gestellt. Gleichzeitig machen Sie aus Ihrem evangelischen Glauben und Ihren darin gegründeten Überzeugungen keinen Hehl.

Wir freuen uns auf Ihre Worte an und über unseren Preisträger!