"Wie soll es weiter gehen in Afghanistan?"

Grußwort zum Treffpunkt Gendarmenmarkt

Meine sehr verehrten Damen und Herren,

„nichts ist gut in Afghanistan.“ Mit diesem Satz fing nicht alles an, aber doch Vieles.

Sie wissen es: Margot Käßmann, damals noch Bischöfin in Hannover und Vorsitzende des Rates der Evangelischen Kirche in Deutschland, hat diesen Satz am 1. Januar in ihrer Neujahrspredigt gesagt, und ihre Worte haben, um es salopp zu sagen, für viel „Thermik“ gesorgt.

Die einen lobten: „Endlich legt jemand den Finger auf die Wunde und problematisiert, worüber in Deutschland zu lange geschwiegen wurde.“ Die anderen waren entsetzt: „Wie kann eine Repräsentantin der Kirche diese hoch sensible Angelegenheit so undifferenziert besprechen! Sie ist unseren Soldaten in ihrer schwierigen Aufgabe in den Rücken gefallen.“

Sie alle haben die so aufflammende Debatte verfolgt.

Wie auch immer der „Satz des Anstoßes“ von Margot Käßmann zu beurteilen ist – er hatte jedenfalls einiges Gutes zur Folge. Zunächst den intensiven Gedankenaustausch mit dem Bundesverteidigungsministerium.

Sie, verehrter Herr Bundesminister, haben Frau Käßmann dabei freundlicherweise sofort zu einem Besuch der deutschen Soldaten in Afghanistan eingeladen. Diesem Angebot, das ebenso freundlich und selbstverständlich für den „neuen“, amtierenden Ratsvorsitzenden, Präses Nikolaus Schneider, galt, konnte – trotz großer Bereitschaft auf EKD-Seite - bislang leider noch nicht gefolgt werden:

Die für Anfang Mai geplante Reise musste aufgrund von Sicherheitsbedenken aus den Reihen der Bundeswehr nach den Anschlägen auf deutsche Soldaten im April verschoben werden.

Lassen Sie mich an dieser Stelle betonen: Wir sind sehr betroffen darüber, dass junge Menschen aus unserer Mitte in Afghanistan ihr Leben verloren oder schweren Schaden erlitten haben. Wir sind ebenso bedrückt über Nachrichten, dass unbeteiligte Zivilisten durch Kampfhandlungen unserer Soldatinnen und Soldaten getötet oder verletzt wurden. Nicht zuletzt aus diesem Grund empfinden wir als Vertreter der evangelischen Kirche eine große Verantwortung dafür, dass eine sachliche und konstruktive Auseinandersetzung über die Frage, wie der Frieden in Afghanistan voran kommen kann, zielgerichtet weiter geführt wird.

Ausdruck dieses Verantwortungsbewusstseins war auch das „Evangelische Wort zu Krieg und Frieden in Afghanistan“, das Margot Käßmann, Präses Schneider und die beiden ebenfalls heute Abend Anwesenden: Militärbischof Martin Dutzmann und der Friedensbeauftragte des Rates, Renke Brahms, Ende Januar veröffentlicht haben.

Im Vorfeld der Londoner Afghanistankonferenz betonten sie, ich zitiere: „Das politische Konzept für Afghanistan hat neben der zivilen auch eine militärische Seite. Sie ist von vornherein unter dem Gesichtspunkt zu betrachten, wie der Aufbau der Zivilgesellschaft geschützt und gefördert werden kann. Wir werben dafür, dass nicht die militärische Logik das Denken, Planen und Organisieren für Afghanistan beherrscht, sondern dass den zivilen Anstrengungen der Vorrang zukommt, der ihnen in friedensethischer Hinsicht gebührt.“

Als Konsequenz daraus wurde die Bitte an die Mitglieder des Deutschen Bundestages und die Bundesregierung formuliert, sich dafür einzusetzen, „die Arbeit der zivilen Friedenskräfte der Regierungen und den Beitrag der der Entwicklung und der humanitären Hilfe dienenden Nichtregierungsorganisationen quantitativ und qualitativ zu verbessern.“

Die Bundesregierung hat im Rahmen der Londoner Konferenz im Januar eine Verdopplung der Entwicklungshilfe auf 430 Millionen Euro jährlich avisiert. In diesem Zusammenhang hat Bundesaußenminister Westerwelle eine neue Akzentsetzung für den zivil-politischen Wiederaufbau Afghanistans angekündigt. Dies können wir im Grundsatz nur begrüßen.

Was bedeutet das aber konkret für die in Afghanistan stationierten Soldaten?
Wie kann die Strategie der militärischen und der zivilen Unterstützung für eine friedliche Entwicklung in Afghanistan gelingen?
Ist die deutsche Afghanistan-Politik der letzen acht Jahre, wie das diesjährige Gutachten der großen Friedensforschungsinstitute behauptet, tatsächlich gescheitert?

Müssen die Taliban, wie die Forscher fordern, an den Verhandlungstisch gebracht werden? Ich bin überzeugt, dass der Bundeswehreinsatz nur dann Aussicht auf Erfolg hat, wenn es den Menschen in Afghanistan gelingt, eine Perspektive für ein selbst verantwortetes, freies, friedliches und auskömmliches Leben zu gewinnen. Ob – und gegebenenfalls: wie – wir ihnen dabei helfen können, dies gilt es ebenso zu debattieren.

Ich freue mich sehr, Ihnen zunächst einen kurzen Beitrag des amtierenden Vorsitzenden des Rates der EKD, Präses Nikolaus Schneider, ankündigen zu dürfen.

Im Anschluss wird der Bundesminister der Verteidigung, Dr. Karl-Theodor Freiherr zu Guttenberg, zum Thema des Abends Stellung nehmen.

Danach wird Ursula Ott, die stellvertretende Chefredakteurin des Magazins „chrismon“, die Moderation der Diskussionsrunde übernehmen, wofür ich ihr ebenso herzlich danke.

An dieser Diskussion werden sich auch der evangelische Militärbischof, Martin Dutzmann, und der Friedensbeauftragte des Rates, Renke Brahms, beteiligen. Wenn die Zeit reicht, werden wir das Gespräch auch gern für Sie, liebe Anwesende, öffnen.

Ich bin sicher, dass wir alle heute einen interessanten Abend erleben werden. Vielen Dank.