Im Alter neu werden können. Evangelische Perspektiven für Individuum, Gesellschaft und Kirche

Eine Orientierungshilfe des Rates der EKD, 2010, Hrsg. Gütersloher Verlagshaus, ISBN 978-3-579-05912-9

VI. Fazit: Aufgaben für Individuum, Gesellschaft und Kirche

Das Alter ist mit vielen neuen Anforderungen und neuen Chancen verbunden. Welche Aufgaben sich für den oder die Einzelne, für Kirche und Gesellschaft ergeben, sei nachfolgend im Überblick dargestellt:

Für die Einzelne oder den Einzelnen wird es darum gehen,

  1. die zusätzlichen Jahrzehnte dankbar als geschenkte Zeit anzunehmen und zu gestalten,
  2. sich von überlieferten Altersbildern zu lösen, um die Chance zu ergreifen, ein vielfältiges und erfülltes Leben zu führen,
  3. vorhandene Potenziale und Talente wahrzunehmen und sich Zeit zu nehmen für deren Weiterentwicklung ebenso wie für die spirituelle Weiterbildung,
  4. diese Ressourcen allein und gemeinsam mit anderen einzusetzen für andere und für sich selbst,
  5. sich immer wieder auf neue Begegnungen einzulassen, diese zu pflegen und daraus bis ins hohe Alter Impulse und neue Perspektiven zu gewinnen,
  6. neue Verantwortung zu übernehmen in der Familie, in der Gemeinde und in der Gesellschaft,
  7. auch in guten Jahren daran zu denken, dass das Leben begrenzt und endlich ist, den Tod zu bedenken und für den Pflegefall vorzusorgen.

Zusammenfassend gesprochen bedeutet dies, in Selbstsorge und Mitsorge bis ins hohe Alter »endlich« zu leben – off en und tolerant gegenüber Neuem.

In der Gesellschaft wird es darum gehen,

  1. die möglichen Stärken und Gewinne des Alters in den Vordergrund zu stellen, ohne dessen mögliche Schwächen und Verletzlichkeiten zu leugnen,
  2. das Ausscheiden aus dem Erwerbsleben flexibler zu gestalten und neue Lebenslaufstrukturen zu schaffen,
  3. Altersgrenzen abzubauen und Altersdiskriminierung zu verhindern,
  4. vermehrt Möglichkeiten und Anreize zum bürgerschaftlichen Engagement zu schaffen,
  5. Initiativen zu unterstützen, die »institutionalisierte Gelegenheitsstrukturen für Begegnungen« schaff en, und den Dialog der Generationen zu fördern,
  6. alternative Wohnprojekte für ältere, auch für pflegebedürftige Menschen zu entwickeln und zu fördern,
  7. neben der medizinischen Versorgung im Alter besonderes Augenmerk auf die Pflege zu richten und diese qualitativ und strukturell weiter zu entwickeln.

In der Kirche wird es darum gehen,

  1. sich in Verkündigung, Seelsorge und Bildung der Ausdifferenzierung der Altersphase bewusst zu sein und Altersbilder zu reflektieren,
  2. sich auf die Spiritualität, Sprachfähigkeit und Tatkraft der neuen Altersgenerationen einzulassen und mit den Älteren zu wachsen,
  3. das Engagement der älteren Generationen in den Gemeinden und in kirchlichen und gesellschaftlichen Einrichtungen angemessen zu würdigen und zu fördern und ihnen Eigenständigkeit und Mitverantwortung zu ermöglichen,
  4. Altersgrenzen abzubauen,
  5. ein inhaltliches und strukturelles Gesamtkonzept kirchlicher Altenarbeit zu entwickeln und auf allen Ebenen mit angemessenen Ressourcen auszustatten,
  6. durch regionale Kooperationen Altenarbeit dem ausdifferenzierten Alter entsprechend möglichst vielfältig zu gestalten,
  7. Kirchengemeinden als diakonische Gemeinden, als gemeinsamen Lebens- und Begegnungsraum für alle Generationen zu konzipieren und dabei mit anderen Trägern zu kooperieren,
  8. in Lehre und Forschung die theologische Deutung der neuen Alterssituation voranzutreiben.
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