Perspektiven für diakonisch- gemeindepädagogische Ausbildungs- und Berufsprofile

Tätigkeiten – Kompetenzmodell – Studium, Hrg. EKD-Texte 118, 2014

3 Empfehlungen der Ad-hoc-Kommission

3.1 Einleitung

Abschließend werden Empfehlungen gegeben, die sich aus den Ausführungen zur Beruflichkeit wie zum Status der Ausbildungen im Bereich der EKD herleiten. Empfehlungen für die Gliedkirchen wie auch für das gemeinsame Handeln der EKD nehmen dabei ihren Ausgangspunkt in der oben beschriebenen Vielfalt des Aufgabenfeldes, auch wenn diese sich nur zum Teil aus theologischen Überlegungen begründet. In der etwa 150-jährigen Geschichte beruflicher Tätigkeit in Diakonie und Gemeindepädagogik entwickelten sich in den Gliedkirchen zum Teil unterschiedliche Sprachlogiken, um die diakonisch-gemeindepädagogischen Berufsprofile zu beschreiben und ordnen zu können. So ergab beispielsweise die Analyse der aktuellen Rechtstexte, dass nahezu alle Gliedkirchen den Begriff „Diakon / -in“ (mit Varianten) gebrauchen. Entsprechend gibt auch eine sehr hohe Zahl von Hochschulen und Ausbildungsstätten an, für eine diakonische Beruflichkeit auszubilden. Bei genauerem Hinsehen zeigt sich aber, dass der Begriff „Diakon / -in“ sowohl hinsichtlich der Ausbildung als auch der beruflichen Aufgaben und des Anstellungsverhältnisses unterschiedliche Varianten der gleichen Beruflichkeit bezeichnen kann. Hinzu kommt, dass nicht wenige Gliedkirchen daneben auch von gemeindepädagogischen Mitarbeitenden sprechen und damit gelegentlich dieselbe Tätigkeit bezeichnen, die auch der Begriff „Diakon / -in“ meinen kann. Deutlich wird daran, dass zum einen mit demselben Begriff Unterschiedliches bezeichnet, andererseits mit unterschiedlichen Begriffen dasselbe gemeint sein kann. Ähnliches begegnete an anderen Stellen der Analysen.

Die Empfehlungen gehen davon aus, dass die tradierten Berufsbezeichnungen und die damit verbundenen Aufgaben („Lizenzen“) nicht einfach außer Kraft gesetzt werden, sondern Traditionen in den Gliedkirchen und freien Werken in ihrem Eigenwert wahrgenommen und moderat weiterentwickelt werden können. Um Missverständnisse und Unklarheiten für diakonisch-gemeindepädagogisch Tätige und ihre Arbeitgeber zu vermeiden, um berufliche Weiterqualifizierung und vertikale wie horizontale Durchstiege und berufliche Wechsel im Raum der Gliedkirchen der EKD zu ermöglichen und damit das diakonischgemeindepädagogische Berufsfeld attraktiv zu halten, ist es notwendig, dass es zu einem transparenten Abgleichen und einer gemeinsamen Weiterentwicklung von Berufsprofil und Ausbildung kommt. Dazu sind in dieser Ausarbeitung verschiedene Instrumente entwickelt worden, die in den Empfehlungen konkretisiert werden.

3.2 Empfehlungen

Die folgenden Empfehlungen beziehen sich deshalb auf die Weiterführung der Arbeit an einer transparenteren Ordnung der Ausbildung und Anerkennung von Studienabschlüssen mit dem Ziel einer größeren bundesweiten Mobilität und Attraktivität der diakonisch-gemeindepädagogischen Berufsprofile sowie auf die beiden Felder Beruflichkeit und Ausbildung. Die Empfehlungen sind sowohl mit den Zuständigen der Gliedkirchen für die diakonischen und gemeindepädagogischen Ausbildungsgänge und Berufe als auch mit der Diakonie Deutschland beraten und zustimmend gewürdigt worden.

3.2.1 Zur Ausbildung der diakonisch-gemeindepädagogischen Berufe

1. Darstellung und Vergleich von Studiengängen nach DQR und ECTS

Die Ad-hoc-Kommission des Rates der EKD regt an, dass die Hochschulen und Ausbildungsstätten ihre Studienbzw. Ausbildungsgänge in einem einheitlichen System nach ECTS und DQR-Niveaus darstellen. Damit sollen ein Vergleich ermöglicht sowie Unterschiede oder Gleichwertigkeiten erfasst werden. Als Regelform der diakonisch-gemeindepädagogischen Ausbildung ist dabei das Niveau 6 des DQR, wie es durch ein Hochschulstudium erworben wird, anzusehen. Der Komplexität der Arbeitsfelder und der beruflichen Herausforderungen wird entsprochen durch

  • „. . . breites und integriertes Wissen einschließlich der wissenschaftlichen Grundlagen, der praktischen Anwendung sowie eines kritischen Verständnisses der wichtigsten Theorien und Methoden“ („Wissen“),
  • „. . . ein sehr breites Spektrum an Methoden zur Bearbeitung komplexer Probleme“ („Fertigkeiten“),
  • die Kompetenz, „Gruppen oder Organisationen verantwortlich zu leiten, die fachliche Entwicklung anderer anleiten und vorausschauend mit Problemen im Team umgehen“ zu können („Sozialkompetenz“), und
  • die Kompetenz, „Ziele für Lernund Arbeitsprozesse definieren, reflektieren und bewerten und Lernund Arbeitsprozesse eigenständig und nachhaltig gestalten“ zu können.[83]

2. Anerkennungsund Anrechnungsverfahren für Ausbildungen nicht hochschulförmiger Ausbildungsstätten

Ausbildungsabschlüsse an staatlich anerkannten Fachschulen sind inzwischen auch dem Niveau 6 des DQR zugeordnet worden. Sie gelten nach DQR, der zuerst und vorrangig an Hochschulausbildungen orientiert ist, als gleichberechtigt, auch wenn sie nicht gleichartig sind. Entscheidend ist, dass durch diese Zuordnung im DQR im Sinn eines dynamischen Bildungskonzeptes, das auf lebenslanges Lernen ausgerichtet ist, Durchstiege und weitere Qualifikationen ermöglicht werden sollen.

Vor diesem Hintergrund werden Durchstiege durch Anerkennungs- und Anrechnungsverfahren von Fachschulausbildungen in Fachhochschulausbildungen empfohlen, um die Weiterqualifikation für das diakonisch-gemeindepädagogische Aufgabenfeld zu erleichtern und um ein einheitliches Qualifikationsniveau (DQR Niveau 6) perspektivisch zu gewährleisten. Dass inzwischen im staatlichen Bereich Anerkennungs- und Anrechnungsverfahren eingeführt sind, an denen sich die kirchliche Praxis ausrichten kann, unterstützt diesen Prozess.

3. Anerkennung von Ausbildungsgängen

Die Ad-hoc-Kommission empfiehlt den Gliedkirchen, sich bei Anerkennungsfragen zukünftig an Ausbildungsgängen zu orientieren. Diese Form der Anerkennung von Ausbildungsgängen sollte die komplette Anerkennung von Ausbildungsstätten ablösen, da diese der Weiterentwicklungsdynamik der Hochschulen und Ausbildungsstätten und dem kirchlichen Interesse an der Qualität von Ausbildungsgängen nicht gerecht wird.

Zur Anerkennung von Studiengängen bieten das in diesem Text beschriebene Kompetenzmodell wie auch die vergleichende Systematik zu den Ausbildungsund Studiengängen bereits Kriterien und Instrumente.

4. Kirchliche Mitwirkungsrechte

Die Ad-hoc-Kommission des Rates der EKD empfiehlt den Gliedkirchen, bei Ausbildungsstätten in freier Trägerschaft oder anerkannten kirchlichen Ausbildungsstätten das Mitwirkungsund Aufsichtsrecht aktiv wahrzunehmen. Wo diese Rechte nicht gegeben sind oder wo sie nicht wahrgenommen werden können, kann eine kirchliche Anerkennung der Studienund Ausbildungsgänge nicht vorgenommen werden. Absolventinnen und Absolventen solcher Studienund Ausbildungsgänge können durch Aufbauund Ergänzungsausbildungen für das diakonisch-gemeindepädagogische Aufgabenfeld weiterqualifiziert werden. Das Kompetenzmodell ermöglicht Orientierungen für den Umfang und die Standards derartiger Weiterqualifizierungen.

3.2.2 Zur Beruflichkeit der diakonisch-gemeindepädagogisch Tätigen

1. Perspektivenwechsel hin zur Professionalität

Interprofessionalität ist ein besonderes Merkmal der diakonisch-gemeindepädagogischen Beruflichkeit, die durch eine am Kompetenzmodell orientierte Ausund Fortbildung abgesichert wird. Dadurch ergänzt die diakonisch-gemeindepädagogische Beruflichkeit mit ihrer Interprofessionalität die spezifische Professionalität anderer in der Kirche tätiger Berufsprofile. Daher wird empfohlen, diakonisch-gemeindepädagogische Berufsprofile an der Professionalität der beruflich Handelnden auszurichten. Die nötige Handlungskompetenz für die Professionalität in einem breiten Handlungsfeld muss in einer breit angelegten Grundausbildung gewonnen werden.

2. Modi der Kommunikation des Evangeliums: „Bilden – Unterstützen – Verkündigen“

Es wird empfohlen, das berufliche Handeln der diakonisch-gemeindepädagogisch Tätigen unter der Trias „Bilden – Unterstützen – Verkündigen“ zu fassen. Die doppelte Qualifikation, wie sie in der Berufsbildungsordnung von 1996 benannt wird, ist im Sinne der genannten Trias zu interpretieren. Von „Bilden – Unterstützen – Verkündigen“ als Modi der Kommunikation des Evangeliums her zeigt sich dann, dass eine doppelte Qualifikation in verschiedener Gestalt gewonnen werden kann, die allerdings immer für diese Trias der Tätigkeiten zu qualifizieren hat. Dabei wird im jeweiligen Studiengang eine der Grundtätigkeiten schwerpunktmäßig auszubilden sein. Eine doppelte Qualifikation zielt auf professionelle Kompetenz der diakonisch-gemeindepädagogisch Mitarbeitenden im Bereich kirchlich-diakonischer Anstellungsverhältnisse und ermöglicht zugleich

mit einem staatlichen Abschluss auch Tätigkeiten im Bereich des nicht-kirchlichen Sozial-, Gesundheitsund Bildungswesens.

3. Berufsbezeichnung

Die Ad-hoc-Kommission bestärkt das Votum der Berufsbildungsordnung von
1996, in der als Berufsbezeichnungen „Diakonin“ bzw. „Diakon“ und „Gemeindepädagoge“ bzw. „Gemeindepädagogin“ empfohlen worden sind. Beide Berufsbezeichnungen bezeichnen beruflich Tätige in Gleichwertigkeit, geben aber keine Auskunft über die Qualifikation und das Niveau der Ausbildung. Beide Berufsbezeichnungen wurden in vorliegendem Text in einem Kompetenzmodell zusammengeführt. Entsprechend sind sie auch einer gemeinsamen Fachkommission für die Ausbildung in diesem Aufgabenbereich zuzuordnen.

4. Förderliche Rahmenbedingungen schaffen

Die beschriebene Professionalität der beruflich Tätigen erfordert in der beruflichen Praxis unterstützende Rahmungen durch die Arbeitgeber. Maßnahmen zur Personalentwicklung wie Personalentwicklungsgespräche, geordnete Fachund Dienstaufsicht, Fortund Weiterbildungsmöglichkeiten sowie Weiterqualifizierung für spezifische Zielgruppenarbeit, spezielle Aufgabenfelder oder für die Breite der potentiellen Aufgabenfelder sind weiterzuentwickeln. Möglichkeiten der Anstellungsträgerschaft in einem größeren Kontext, zum Beispiel in einem Kirchenbezirk, in der Landeskirche oder in einem diakonischen Unternehmen sollten geprüft werden.

3.2.3 Zu Organisationsformen und Aufgaben für die weitere Umsetzung

1. Einrichtung einer Fachkommission für die Ausbildung im diakonischen und gemeindepädagogischen Bereich

Die Ad-hoc-Kommission empfiehlt die Einrichtung einer „Fachkommission für die Ausbildung im diakonischen und gemeindepädagogischen Bereich“. Diese Kommission soll die Aufgabe einer ständigen Abstimmung und EKD-bezogenen Weiterentwicklung von diakonisch-gemeindepädagogischen Ausbildungsund Berufsprofilen übernehmen. Bei der Besetzung der vorgeschlagenen Fachkommission sind neben den Vertreterinnen und Vertretern der Ausbildungsstätten und der Hochschulen sowie der kirchlichen und diakonischen Anstellungsträger auch Vertreterinnen und Vertreter der Berufsgruppen zu berücksichtigen.

2. Aufgaben der Fachkommission

Die vorgeschlagene Fachkommission soll auf der Grundlage des vorgelegten Kompetenzmodells in der Pluralität der Handlungsfelder von Kirche und Diakonie die Erfordernisse von Ausbildung und Studium beschreiben. Sie soll die zentrale Darstellung von Ausbildungs- und Studiengängen organisieren, sodass ein strukturierter Vergleich möglich ist, um die Gliedkirchen und Ausbildungsstätten bei der Anerkennung von Ausbildungs- und Studiengängen zu beraten. Dazu definiert sie Mindeststandards theologischer Qualifikationen nach Umfang und Inhalt, wobei sie die interdisziplinäre Ausrichtung der Lehre berücksichtigen wird, wie sie dem spezifischen Format der Qualifikation für diakonisch-gemeindepädagogische Berufe entspricht. Sie soll Standards und Kriterien entwickeln, wie die Gliedkirchen der EKD zu einer transparenten und EKD-weit verantworteten Anerkennungspraxis kommen können.

3. Erarbeitung einer Rahmenordnung zur Ausbildung

Perspektivisch ist zur Sicherung der Qualität und Vergleichbarkeit in den diakonisch-gemeindepädagogischen Ausbildungsund Studiengängen die Erarbeitung einer weiten Rahmenordnung durch die EKD wünschenswert. Diese sollte die staatlich anerkannten Abschlüsse, die für dieses Berufsfeld qualifizieren, klären sowie die für die Kirche und ihre Diakonie bedeutsame theologische Kommunikationsund Gestaltungskompetenz beschreiben.

4. Harmonisierung der rechtlichen Ordnungen

Die Ergebnisse der Ad-hoc-Kommission zeigen eine hohe Pluralität der rechtlichen Regelungen für die Ausbildung wie die Berufsfelder sowohl zwischen den Gliedkirchen als auch innerhalb einzelner Gliedkirchen. Die Ad-hoc-Kommission des Rates der EKD empfiehlt den Gliedkirchen, ihre je eigenen rechtlichen Ordnungen zu sichten und für ihren Bereich und im Blick auf den EKD-weiten Kontext auf eine notwendige Harmonisierung hin zu überprüfen.

Nächstes Kapitel