Perspektiven für diakonisch- gemeindepädagogische Ausbildungs- und Berufsprofile

Tätigkeiten – Kompetenzmodell – Studium, Hrg. EKD-Texte 118, 2014

2.3 Das Kompetenzmodell im diakonisch- gemeindepädagogischen Aufgabenfeld

2.3.1 Einführung

Ein Kompetenzmodell für berufliche Tätigkeiten im diakonisch-gemeindepädagogischen Aufgabenfeld bezieht sich auf verschiedene Kontexte und hat unterschiedliche Aufgaben zu erfüllen. Im Folgenden werden deshalb zunächst die Prämissen, die dem Modell zugrundeliegen, und die Referenzsysteme beschrieben, die das Kompetenzmodell berücksichtigt und auf die es zurückwirkt. Es geht von den beruflichen Tätigkeiten in diesem Aufgabenfeld aus und wird anhand einer modifizierenden Verwendung des DQR entwickelt.

Die Modi „Bilden“, „Unterstützen“ und „Verkündigen“ als Formen der „Kommunikation des Evangeliums“ geben Orientierung bei der Festlegung eines Ensembles von Kompetenzbereichen und bei dessen Füllung und Entfaltung.

Der DQR stellt ein Kompetenzmodell zur Verfügung, das aus der Perspektive des Berufsfeldes, des Auftrags der evangelischen Kirche und der Ausbildung weiterzuentwickeln und produktiv in die Modellkonstruktion einzubringen ist. Denn: In der Perspektive einer guten Ausbildung und Berufsausübung gehen nicht alle Kompetenzen in Qualifikationen auf. Nicht alle wünschenswerten Kompetenzen sind in einem Kompetenzmodell abbildbar. Eine erfolgreiche Berufsausübung – in den genannten Aufgabenfeldern – ist auf mehr als Kompetenzen angewiesen.

Erst in der Anwendung des Kompetenzmodells (in Ausbildung, Gestaltung der Rahmenbedingungen und der beruflichen Praxis) und in seiner Reflexion aus mehrfacher Perspektive ist es letztendlich zweckdienlich.

Die Frage lautet also: Was sollen berufliche Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter in diesem Aufgabenfeld können?

2.3.2 Prämissen

  • Der Begriff „Aufgabenfeld“ ist gewählt worden, weil er eine höhere Anschlussfähigkeit verspricht als der Begriff „Handlungsfeld“, in dem der normative Aspekt nicht zureichend zum Ausdruck kommt.
  • Das Kompetenzmodell dient als ‚Gelenkstelle‘ zwischen Berufsbildern / Berufstätigkeiten auf der einen Seite und Ausbildungsgängen auf der anderen Seite. Deshalb ist es sinnvoll, dass in den Kompetenzbeschreibungen die verschiedenen Dimensionen des kirchlichen und diakonischen Handelns abbildbar sind.
  • Ein Kompetenzmodell ist umfassender als ein Kompetenzprofil: Es nötigt dazu auszuweisen, in welchem strukturellen Zusammenhang die berufsrelevanten Kompetenzen untereinander, zu ihren Referenzsystemen und zu anderen Kompetenzen bzw. Kompetenzmodellen stehen.

2.3.3 Referenzsysteme für ein Kompetenzmodell für berufliche Tätigkeiten im diakonisch-gemeindepädagogischen Aufgabenfeld

Ein Kompetenzmodell für berufliche Tätigkeiten im diakonisch-gemeindepädagogischen Aufgabenfeld konstituiert sich von verschiedenen Referenzsystemen her und wirkt auf diese zurück:

  • Die Individuen bringen aus ihrer (Bildungs-)Biographie bestimmte Voraussetzungen mit, die zu den Grundlagen für ihr berufliches Handeln gehören. Diese Voraussetzungen können in den Bereichen formaler und non-formaler Bildung sowie auf dem Weg informellen Lernens erworben sein. Hier ist an Erfahrungen zu denken, die Studierende und beruflich Tätige als Kinder / Jugendliche / junge Erwachsene erworben haben, indem sie entsprechende Angebote wahrnahmen oder in entsprechenden Handlungsfeldern mitwirkten.
  • Die institutionellen Erwartungen, Bedarfe, Aufträge, Ziele der Einrichtungen und Unternehmen von Kirche und Diakonie, also ihr Mandat, gehen ein sowohl in die konkreten Handlungsanforderungen als auch in entsprechende Befugnisse. Beide Ebenen sind zu berücksichtigen.
  • Die benachbarten Berufe (wie bei den diakonisch-gemeindepädagogischen Berufen die Pfarrerinnen und Pfarrer, die Lehrerinnen und Lehrer in Evangelischer Religion, die Sozialarbeiterinnen und Sozialarbeiter, die Erzieherinnen und Erzieher) gehören in mehrfacher Hinsicht mit zum System: In einem bestimmten Umfang sind Tätigkeiten identisch oder ähnlich, es wird kooperiert und zugearbeitet, es gibt Weisungsbefugnisse und Aufsichtsverpflichtungen. Die einen sind für die Rahmenbedingungen für das Handeln der anderen zuständig. Diesen benachbarten Berufen ist gemeinsam, dass sie alle theologisch qualifiziert sind. Umfang und Inhalt dieser Qualifikation unterscheidet sich in berufsspezifischer Weise voneinander.
  • Ausbildungs/ Qualifizierungsund Unterstützungssysteme sorgen für das Vorhandensein bestimmter Kompetenzen oder entwickeln sie (nach Abschluss der Ausbildung) berufsbegleitend weiter.
  • Qualifikationsstrukturen (allgemein und berufsunspezifisch formuliert im DQR, berufsspezifisch formuliert zum Beispiel durch die Arbeitsgemeinschaft Evangelischer Jugend[45]) sind an der Regulierung von Zugängen, Positionszuweisungen, Übergängen, Tätigkeitsund Arbeitsplatzwechsel beteiligt; sie geben den Rahmen für Weiterbildung oder Berufswechsel ab. Über Qualifikationen mit den an sie gebundenen Berechtigungen werden Personen mit ihren Kompetenzen auf der einen Seite und Institutionen mit ihren Bedarfen und Ressourcen auf der anderen Seite miteinander vermittelt.

Für diese Referenzsysteme dient ein Kompetenzmodell als ein Drehund Angelpunkt.

2.3.4 Kompetenzbegriff

Für den kirchlich-gemeindlichen Kontext liegt es nahe, einen Kompetenzbegriff zugrundezulegen, „der auch affektive und motivationale Komponenten einschließt, am Ideal einer umfassenden Handlungsfähigkeit orientiert ist und in Sach-, Selbst- und Sozialkompetenzen untergliedert wird“[46]. Kompetenzen sind im vorliegenden Zusammenhang auf berufliches Handeln zu beziehen und beinhalten „in Entwicklungsprozessen entstandene, generalisierte Selbstorganisationsdispositionen“, die „zu reflexivem, kreativem Problemlösungshandeln befähigen“ – mit ihnen wird „die Handlungsfähigkeit in offenen, unsicheren, komplexen Situationen erst ermöglicht“.[47]

2.3.5 Verhältnis zum Deutschen Qualifikationsrahmen

Der DQR weist eine Qualifikationsstruktur und ein Kompetenzmodell aus, die sich an Anforderungsniveaus orientieren. Das Kompetenzmodell kann als substanzielle Grundlage für die Qualifikationsstruktur verstanden werden. Unterschiedlichen Qualifikationsniveaus werden unterschiedliche Kompetenzen und / oder unterschiedliche Niveaus gleicher Kompetenzen zugeordnet.[48] Der DQR bietet Verlässlichkeit und Transparenz und kann Mobilität in unterschiedliche Richtungen ermöglichen: hin zu verschiedenen Anstellungsträgern, verschiedenen Regionen / Gliedkirchen, hin zu beruflicher Weiterentwicklung (vertikal wie horizontal), hin zur verbesserten Passung von Vorgaben der Anstellungsträger und zur variablen Nutzung der Möglichkeiten und der Grenzen von Ausbildung. Seine Rezeption für ein Kompetenzmodell des diakonisch-gemeindepädagogischen Berufsprofils ist sinnvoll.

2.3.6 Normative Entscheidungen

Das Kompetenzmodell des DQR ist trotz seiner Vorteile und seiner Brückenfunktion hin zu außerkirchlich-diakonischen Berufen für die beruflichen Tätigkeiten im diakonisch-gemeindepädagogischen Aufgabenfeld an drei Stellen unzulänglich:

  • Fachkompetenz und Sozialkompetenz können – wie auch für andere pädagogische und soziale Berufe! – nicht so strikt unterschieden und getrennt werden, wie es nahegelegt wird. Die Sozialkompetenz für berufliche Tätigkeiten im diakonisch-gemeindepädagogischen Aufgabenfeld weist unvermeidlich eine große Schnittmenge zur Fachkompetenz auf.
  • Eine Reihe von Merkmalen geht über die Kategorien des DQR-Kompetenzmodells hinaus, das wegen seines allein auf berufliche Qualifikation zielenden Bildungsverständnisses zu Recht kritisiert wird[49] und doch den Vorteil hat, für Qualifizierung und Weiterqualifizierung mobile Durchstiege zu eröffnen. Dies wurde auch schon im Qualifikationsrahmen Soziale Arbeit des Fachbereichstages Soziale Arbeit von 2008 deutlich.50 Insbesondere das berufliche Selbstverständnis ist wichtig einerseits im Blick auf die Erwartungen, die diakonisch-gemeindepädagogisch Tätige an sich, an die eigene berufliche Entwicklung sowie an die Institution haben; andererseits ist es von Bedeutung, wenn es darum geht, die Erwartungen, die an diese beruflich Tätigen gerichtet werden, umzusetzen bzw. sich mit ihnen auseinanderzusetzen. Zwischen den Anforderungen / Aufgaben / erwarteten Tätigkeiten (zum Beispiel „eine Jugendgruppe leiten“) und der Ebene der Kompetenzkategorien des DQR klafft eine Lücke, die durch die Beschreibung von ‚aufgabenbezogenen Kompetenzen‘ („eine Jugendgruppe leiten können“) gefüllt werden muss. Diese sind aus dem Auftrag der Institution funktional zu definieren und stellen in ihrer Gesamtheit die „umfassende berufliche Handlungskompetenz“ dar. Beruflich Handelnde bilden sie aus den Kompetenzen der vier Kategorien des DQR-Kompetenzmodells („Wissen“, „Fertigkeiten“, „Sozialkompetenz“, „Selbständigkeit“) sowie weiteren persönlichen Faktoren.
  • Der DQR fokussiert auf bestimmte Kompetenzkategorien und ist in seiner Begrenztheit für eine breite Anwendungsmöglichkeit entwickelt worden. Für bestimmte Berufsbilder und auch Bildungsgänge sind weitere Kompetenzkategorien über die vier genannten hinaus erforderlich. Außerdem gehen in die Handlungskompetenz und -performanz weitere Personenmerkmale ein. Letztere können vorhanden sein oder müssen entwickelt / erworben werden. Erst in diesem Fall sind sie für Bildungsgänge bzw. für die Kultur von Ausbildungseinrichtungen von Bedeutung. Ob messbar oder nicht – für die Feststellung der Qualifikation sind sie nicht heranzuziehen. Für die Ausbildung, bei der Stellenbesetzung sowie bei der beruflichen Begleitung können sie wichtig werden. Ihr Bezug zu Curricula oder Dienstanweisungen wird eher gering sein.

2.3.7 Berufsbezogene Handlungskompetenz im diakonisch-gemeindepädagogischen Aufgabenfeld

Analog zu den Berufsgruppen Pfarrer / -in sowie Lehrer / -in Evangelische Religion kann festgelegt werden:

Berufsbezogene Handlungskompetenz im diakonisch-gemeindepädagogischen Aufgabenfeld als pädagogisch-diakonisch-theologische Kompetenz umfasst alle Fähigkeiten, Fertigkeiten, Einstellungen und Haltungen, die die auftragsgemäße und fachgerechte Ausübung beruflicher Tätigkeiten in diesem Feld ermöglichen.

Analog zum Kompetenzverständnis, das die EKD für Religionslehrkräfte zugrundelegt, ist diese Handlungskompetenz als Gesamtheit der beruflich notwendigen Fachkompetenzen (Wissen und Fähigkeiten / Fertigkeiten), Sozial- und Selbstkompetenzen sowie Bereitschaften und berufsethischen Einstellungen zu verstehen, die es den in diesem Feld beruflich Tätigen ermöglicht, mit der Komplexität von beruflichen Handlungssituationen konstruktiv umzugehen.[51]

Somit ist für die Bewältigung von bestimmten Aufgaben eine aufgabenbezogene Handlungskompetenz erforderlich, in die

  • Fachkompetenzen (Wissen, Fähigkeiten, Methodenkompetenz)
  • personale Kompetenzen (Sozialund Selbstkompetenzen)
  • und bestimmte personale Faktoren

einfließen.

Mit dem Kompetenzmodell entscheidet sich, was die Beruflichkeit der entsprechenden Tätigkeiten erforderlich macht und in welcher Beziehung sie zu anderen Berufen steht (Abgrenzungen, Schnittmengen, Hierarchien, notwendige strukturelle Kooperationen, …).

Diese Kompetenzen sind in Anlehnung an den DQR mit Wissen, Fertigkeiten, Sozialkompetenzen, Selbständigkeit und persönlichen Faktoren zu beschreiben. Die Kompetenzformulierungen orientieren sich dabei an der Niveaustufe 6 (BA) des DQR.

Kompetenzverständnisse werden aus den beruflich ausgeübten oder auszuübenden Aktivitäten abgeleitet – entweder aus den wünschenswerten, nicht durchgeführten Aktivitäten (normativ-prospektiv) oder aus den wünschenswerten, gegenwärtigen Aktivitäten (normativ-faktisch). Dafür eignet sich das Konzept von Kernaktivitäten in Aufgabenfeldern.

Für den infrage stehenden beruflichen Bereich ergibt sich eine Breite von Aufgabenfeldern, die meist von einer Person nicht vollständig ausgefüllt wird – zumindest nicht zu einem Zeitpunkt bzw. in einer Phase der Berufsbiographie. Da sich das individuelle Aufgabenfeld der diakonisch-gemeindepädagogischen Mitarbeitenden ändert, ist eine breite interprofessionelle Ausbildung zu realisieren. Diese Interprofessionalität sichert den Übergang von einem Handeln-Sollen zu einem Handeln-Können bzw. von Kompetenzen zur Performanz.

Aus den Modi der Kommunikation des Evangeliums, aus der Analyse der Aufgabenfelder und aus dem definierten Kompetenzbegriff lassen sich – wie oben erwähnt – drei Kompetenzfelder ableiten:

  • pädagogische Kompetenz („Bilden“)
  • diakonische Kompetenz („Unterstützen“)
  • theologische Kommunikationsund Gestaltungskompetenz („Verkündigen“)

2.3.8 Kompetenzmodell

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